Interview zum Ausstellungszyklus Altötting/Eggenfelden

Vom 10. März bis zum 6. April 2025 zeigte die Katholische Erwachsenenbildung Rottal-INN-Salzach (KEB-RIS) die Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs „Namen statt Nummern“ in Altötting und Eggenfelden. Hier ein Interview mit der Organisatorin, Magelone Diehl-Zahner, mit einem Rückblick auf die Ausstellungen und das Begleitprogramm.

Magelone Diehl-Zahner vor Bannern der Ausstellung in Altötting

Frau Diehl-Zahner, Sie haben die Ausstellung an zwei Orten gezeigt, in Altötting und in Eggenfelden. Und dazu gab es ein umfangreiches Begleitprogramm. Was war Ihnen wichtig beim Zusammenstellen des Begleitprogramms?

Wir haben von der KEB-RIS schon verschiedene Ausstellungen gemacht – und die wurden eher nicht besucht. Das war mein Ausgangspunkt. Deswegen dachte ich von vornerein, ich überlege mir interessante begleitende Veranstaltungen, so dass zumindest in Verbindung mit diesen Veranstaltungen Menschen kommen und sich auch die Ausstellung anschauen.

Dass die Ausstellung auch angeschaut wird, war mir wichtig. Das Thema insgesamt beschäftigt mich schon lange. Schon als Schülerin war’s für mich immer ein Thema, da spielt eine gewisse Familiengeschichte mit und ich weiß nicht was alles. Politisch interessiert bin ich auch schon immer.

Und dann ging es mir darum, über die verschiedenen Begleitveranstaltungen gezielt Menschen anzusprechen, an die wir sonst nicht herankommen. Das war auch von der Erwachsenenbildung hier gedacht. Katholische Erwachsenenbildung ist nach wie vor eine große unbekannte Größe. Von den Inhalten her wollte ich das, was die Ausstellung zeigt, in verschiedenen Aspekten vertiefen.

Was hat denn von Ihren Planungen am besten funktioniert?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Was ich sagen kann, ist, dass die Ausstellung per se funktioniert hat. Dafür, dass sich jemand die Ausstellung anschaut, hätte es die begleitenden Veranstaltungen gar nicht gebraucht.

Die Ausstellung wurde sehr intensiv besucht. Die Leitern standen noch vom Aufhängen und schon waren zwei Schulklassen da. Da war schon ein fulminanter Start. Und es kamen noch vier bis fünf weitere Schulklassen. Insgesamt waren drei verschiedene Schulen da, ohne dass ich viel dafür gemacht hätte.

Wobei ich hier aber auch feststellen muss, es hängt damit zusammen, wie die persönlichen Verbindungen laufen. Einfach nur zu sagen, das ist dort, das reicht nicht. Man braucht Menschen, die für etwas stehen und das dann weitergeben.

Was in Eggenfelden sehr gut funktioniert hat, war zum Beispiel der Sonntagnachmittag. Da kommen viele bei einem Spaziergang am Kloster vorbei und gehen bei der Gelegenheit auch in die Ausstellung. Das Kloster hat einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung und wird von daher auch gerne aufgesucht.

Gab es denn Überraschungen?

Überraschend war das Projekt insgesamt, ich hatte ja keine genauen Vorstellungen, was genau passieren würde. Die größte Überraschung unterm Strich ist, dass es sehr gut angenommen wurde. Die Auswirkungen in die Gegenwart sind lebendiger, als ich dachte. Die begleitenden Veranstaltungen waren sehr gut besucht und wir haben insgesamt viele Menschen angesprochen und miteinander ins Gespräch gebracht.

Wie ging die Planung des Programms vor sich?

Ich hatte bei der Mitgliederversammlung der KEB Bayern von der Ausstellung gehört und daraufhin überlegt, was wir begleitend anbieten können. Ralph Walta kam mir sofort in den Sinn, ich dachte gleich, ein Beispiel für einen Angehörigen der zweiten Generation habe ich mit ihm schon.

Letztes Jahr hatte ich den Vortrag über Seenotrettung gehört, der schoss mir dann auch in den Kopf. Ich dachte, das ist auf jeden Fall ein Angebot, mit dem wir uns in der Gegenwart befinden. Das war mir auch wichtig, denn leider, leider ist es ja nicht so, dass die Nichtachtung der Menschenwürde nur der Vergangenheit angehört.

Alle weiteren Angebote und Veranstaltungen, die sich dann entwickelt haben, sind in Gesprächen miteinander entstanden. Die Überschrift heißt: „Es muss machbar bleiben.“ Wir haben geschaut, was es so gibt. Die zeitliche Verortung in der Fastenzeit war uns wichtig.

Eine Dame, die an mich herangetreten ist und sagte, sie würde gerne etwas über Altöttinger machen, die in Dachau interniert waren, musste ich an Frau Gerhardus verweisen, weil die Betreuung von so einem Vorhaben unseren Rahmen sprengt. Das war ein Unterschied zu Eggenfelden, wo Frau Benesch gesagt hat, sie macht jetzt ein Poster über jemanden, der im KZ Dachau umgekommen ist, und ob das einen Platz finden kann. Das musste ich nicht weiter betreuen, es war einfach schön, dass das Anliegen von einer Bürgerin aufgenommen wurde.

Was ist Ihr Resümee zu den beiden Ausstellungen und dem Begleitprogramm?

Ich bin die einzige, die überall dabei war und so das ganze Programm mit großem Gewinn mitgemacht hat. Die Frage ist immer, wie bringe ich das, was ich habe, unter die Leute. Manche waren ganz gezielt nur bei einer Veranstaltung. Andere haben gemerkt, ja, dieses Thema möchte ich weiterverfolgen, da komme ich dann wieder.

Viele, die bei der Veranstaltung über Viktor Frankl waren, waren dann auch bei der Veranstaltung, bei der es um Euthanasie ging. Wiederum eine Teilmenge von denen war auch bei dem Vortrag über den Pfarrer Johann Baptist Huber. Die Menschen, die den Vortrag über die Seenotrettung gebucht hatten, die waren fast nur bei dieser Veranstaltung. Und zur Finissage kamen noch mal andere Menschen, die „Offene Pforte“ ist ja eine regelmäßige Einrichtung. Das heißt, es kamen einige, um Kaffee zu trinken und die sind dann halt auch in die Finissage gegangen. Sie waren aber dann angerührt.

Schön finde ich, dass es funktioniert hat, mit einer Vernissage in Altötting anzufangen und mit einer Finissage in Eggenfelden zu enden. Das hat die zwei Orte zusammengebunden. Es ist uns gelungen, einzelne Aspekte, die dieses komplexe Thema mit sich bringt, zu vertiefen. Es war jeweils ein pars pro toto. Alles geht nicht, aber das Einzelne kann weiterführen. Ich erlebe das Gesamtprojekt als eine sehr runde Sache.

Es war also insgesamt gelungen?

Ja, das kann ich schon sagen.

Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm
https://www.gedaechtnisbuch.org/projekt-keb-bayern/

(23.4.25; Irene Stuiber)

Finissage in Eggenfelden

Mit verschiedenen Einblicken in erinnerungskulturelle Aktivitäten beendete die Finissage in Eggenfelden am 6. April 2025  den Ausstellungszyklus der Katholischen Erwachsenenbildung Rottal – INN- Salzach e.V. (KEB-RIS).  Von 10. März bis 6. April hatte die KEB-RIS die Ausstellung des Gedächtnisbuchs „Namen statt Nummern“ zunächst in Altöttung und dann in Zusammenarbeit  mit dem a.s.a.m. Klosterverein in Eggenfelden präsentiert.

Einen Werkstattbericht zu ihrer laufenden Recherche über den Leiter des Arbeitsamts Pfarrkirchen, Richard Piper, bot die Schülerin Nuria Christ. Sie ist Teilnehmerin des derzeitigen W-Seminars des Gedächtnisbuchs am Theodolinden-Gymnasium in München. Die Schülerin zeigte auf, wie manche Rechercheversuche im Sand verlaufen, an anderen Stellen dann aber unerwartete Archivalien in Reichweite rücken. Der das Seminar begleitende persönliche Leitzordner veranschaulichte den Umfang ihrer Recherchen.

„Namen statt Nummern“ im Unterricht

Drei Schülerinnen des Karl-von-Closen-Gymnasiums Eggenfelden stellten eine Biografie aus der Ausstellung vor. Ihr Lehrer,  Johannes Prinz, hatte „Namen statt Nummern“ zu Exkursionen mit seinen Klassen genutzt.  Die Schülerinnengruppe beschäftigte  sich mit der Lebensgeschichte des griechisch-orthodoxen Geistlichen Meletios Galanopoulos.

Anregung zur eigene Recherche – ein bisher unbekanntes Schicksal

Als Christiane Benesch aus Stubenberg von der Ausstellung erfuhr, machte sie sich daran, eine Ergänzung der Ausstellung zu recherchieren und auf einem Plakat darzustellen. Sie präsentierte die Biografie von Johann von Gott Stiglbrunner aus Zehentleiten bei Stubenberg. Der tiefreligiöse Mann hatte sich geweigert, seine Kinder in Schulen zu schicken, in denen die Nazis die Kreuze in den Klassenzimmern entfernt hatten. Diese Widerständigkeit kostete ihn 1944 im KZ Dachau das Leben.

Stolperstein in Wurmannsquick

Vom Stolperstein in Wurmannsquick berichtete Karl Prinz. Als Kind hatte er die Geschichte seines Nachbarn Wolfgang Kroll gehört, der nach einer Denunziation erst nach Dachau und dann nach Auschwitz deportiert worden war, wo er 1942 starb. Prinz stellte einen Antrag auf einen Stolperstein beim Markt Wurmannsquick, der dann 2016 am Marktplatz gesetzt wurde.

Viele Begegnungen und intensive Gespräche

Für Magelone Diehl-Zahner, Organisatorin der Ausstellungen und des Begleitprogramms, bedeutete der Ausstellungsmonat eine Ausnahmezeit, wie sie selbst sagte. „Es waren rein sachlich viele Termine. Auf der anderen Seite fanden aber viele Begegnungen und intensive Gespräche statt und etwas, das ich als Erkenntnisgewinn bezeichnen möchte.“

Mit dem Begleitprogramm ist Magelone Diehl-Zahner zufrieden: „Die einzelnen Vorträge waren allesamt von hoher Qualität – getragen von tiefer Leidenschaft für das Thema. Die Reaktionen und Gesprächsbeiträge der Zuhörenden zeigten, dass alle intensiv dabei und beteiligt waren.“

(12.4.2025; Fotos: Magelone Diehl-Zahner und Irene Stuiber; Text: Irene Stuiber)

Jahrespräsentation: Zwölf neue Biographien

Ein Dutzend neuer Lebensgeschichten von im KZ Dachau inhaftierten Menschen stellten die Autorinnen und Autoren des Gedächtnisbuchs bei der Jahrespräsention am 22. März 2025 vor. Am Ende der Präsentation standen die jüngsten Mitwirkenden vor dem Mikro, Schüler*innen aus Stephanskirchen mit der Lehrerin Michaela Hoff.

Sie stellten den Sinto-Musiker Frank Gory Kaufmann vor, der die NS-Verfolgung, u.a. in den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen, überlebte. Der Musiker starb 1992 in Sindelfingen. Das Gedächtnisbuch konnte ein von Kaufmann selbst verfasstes und gespieltes Stück vom Datenträger präsentieren.

Eugen Bühler: Flucht nach Novemberpogrom und KZ-Haft

Vieles, was Andrea Kugler vom Stadtmuseum Nördlingen, über Eugen Bühler berichten konnte, hat sie von dessen Tochter erfahren. Suse Broyde, 1936 in Nördlingen geboren, forscht heute noch an der New York University. Die Tochter Bühlers erzählte der Gedächtnisbuchautorin von der Folter, die ihr Vater während des KZ-Aufenthalts in Dachau erleiden musste, und auch von der tiefen Bindung an die Heimatstadt Nördlingen. Eugen Bühler litt bis zu seinem Lebensende an psychischen und physischen Problemen, Folgen des Traumas der Verfolgungszeit. Er lebte bis 1970 in New York.

Konrad Just: „Der Autorität ist nur zu gehorchen, als sie nichts Sündhaftes befiehlt“

Über das Leben seines Ordensbruders Konrad Just berichtete Reinhold Dessl, der Abt des Zisterzienserstiftes Wilhering in Oberösterreich. Just hatte schon in den 30er Jahren als Kaplan gegen den Nationalsozialismus gepredigt. In einem seiner Manuskripte aus dem Jahr 1934 steht: „Der Autorität ist nur soweit zu gehorchen, als sie nichts Sündhaftes befiehlt.“ Er wurde bereits am Tag des Einmarsches der Nationalsozialisten in Österreich am 12. März 1938 verhaftet und bis zu seiner Befreiung auf dem Todesmarsch am 30. April 1945 in den Lagern Dachau und Buchenwald gefangengehalten. Die Heimkehr nach Gramastetten in Österreich brachte eine Enttäuschung: „Man hat nicht den Eindruck, dass man die volle Gefahr des Hitlerismus erkannt hat.“, schrieb Konrad Just nach dem Krieg.

Jean Lafaurie: Für jene sprechen, die niemals zurückgekehrt sind

Noémie Hernandez, ASF-Freiwillige im Gedächtnisbuch, interviewte für ihre Biografie den 101-jährigen Jean Lafaurie in Paris – ein Ausschnitt dieses Gesprächs war Teil ihrer Präsentation. Lafaurie hatte sich als sehr junger Mann der Résistance im Südwesten Frankreichs angeschlossen, wurde verraten und nach Dachau deportiert. Hier musste er im Außenlager München-Allach für BMW arbeiten. Wieder zurück in Frankreich schweigt er über seine Erlebnisse in den deutschen Konzentrationslagern, denn „niemand will glauben, was er erlebt hat“. Erst viel später wird es für ihn zur Lebensaufgabe, seine Geschichte zu erzählen, berichtet Noémie Hernandez.

Max Fried: Die Wahlheimat München entwickelt sich zum antisemitischen Hexenkessel

Der Architekt und Privatlehrer Max Fried zog im Jahr 1900 zum Studium nach München und wohnte fortan in der Stadt. Referentin Irene Stuiber aus dem Team des Gedächtnisbuchs schilderte, dass dem Sohn Max Frieds die Emigration gelang – es ihm aber nicht mehr möglich war, seine Eltern nach Bolivien nachzuholen. 1943 wurde das Ehepaar Lilly und Max Fried nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. 1954 erfolgte die Todeserklärung.

Eugen Zelený: Wichtig waren ihm seine internationalen Kontakte

Der tschechische Pfarrer Eugen Zelený stand im Mittelpunkt von Bettina Korbs Präsentation. Zelený hatte, unbemerkt von den deutschen Besatzern, jüdische Kinder vor der Verfolgung gerettet. Verhaftet wurde er wegen seiner Predigten und musste fast 4 Jahre KZ-Haft in Dachau erleiden. Nach dem Krieg war er bis zu deren Verstaatlichung Direktor der Diakonie der Böhmischen Brüder in Tschechien. Er reiste als Vertreter der tschechischen KZ-Häftlinge und Christen 1967 zur Eröffnung der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte.

August Hölzel: „Wir Enkelkinder konnten unseren Opa nie kennenlernen“

Die Lebensgeschichte ihres Großvaters August Hölzel stellte Rita Willnat vor. August Hölzel war ein sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionär in Wiesbaden, der sich auch in anderen sozialdemokratischen Verbänden und in der Kommunalpolitik vielfältig engagierte. Nach der Machtübernahme der Nazis verlor er seine Arbeit und seine Ehrenämter. Noch im September 1944 wurde er im Rahmen der Verhaftungswelle „Aktion Gewitter“ ins KZ Dachau gebracht. August Hölzel überlebte die KZ-Haft nicht. Rita Willnat berichtete, dass die Geschehnisse ihre Kindheit prägten: „Meine Großmutter redete ständig vom Krieg und dem schrecklichen Leid, das er Millionen von Menschen brachte.“

Heinz Pappenheimer: Schwierige Eingewöhnung in Palästina

Heinz Pappenheimer, dessen Biografie Werner Dombacher in den Mittelpunkt seines Gedächtnisblatts gestellt hat, gehörte zu jenen Häftlingen im KZ-Dachau, die nach dem Novemberpogrom 1938 als sogenannte „Aktionsjuden“ inhaftiert wurden. Am 5. Januar 1939 wurde er entlassen, ihm und seiner Familie gelang die Emigration in das damalige Palästina. Seit Juli 2019 gibt es in Aalen vier Stolpersteine zum Gedenken an die Familie Pappenheimer.

Heinrich Staub: NS-kritische Haltung

Durch regimekritische Bemerkungen fiel Heinrich Staub der Polizei an seinem Heimatort Dreieich-Sprendlingen auf. „Am 16. Mai 1944 wurde er zur Polizeibehörde ins Rathaus zitiert und kehrte nicht mehr zurück“, so heißt es im Vortrag seiner Enkelin Gudrun Czerwinski. Leider konnte die Verfasserin des Gedächtnisblatts aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Präsentation kommen. Marine, Freiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, übernahm es, den Text vorzutragen. Staub musste im KZ Dachau den roten Winkel für politische Gefangene tragen und starb am 1. Februar 1945 im Konzentrationslager.

Georgij Solomonoff: Vieles bleibt unklar

Houman Amjadi recherchierte die Biografie von Georgij Solomonoff, der nach den im Archiv der Gedenkstätte befindlichen Unterlagen einer von zwei iranischen Häftlingen im KZ Dachau gewesen sein soll. Trotz intensiver Nachforschungen ließ sich weder das Geheimnis der Staatsangehörigkeit des im heutigen Petersburg geborenen Mannes klären, noch der Grund seiner dreimonatigen Verhaftung im August 1944. „In den Wirren des Krieges sind leider sehr viele Unterlagen vernichtet worden“, so der Vortragende. Solomonoffs letzter Wohnort war Kalifornien, hier starb er 2017.

Josef Finster: Ein kurzes Leben, ein langer Weg zur Erinnerung

Vorstrafen wegen geringfügiger Delikte in wirtschaftlich und sozial schwierigen Zeiten, der falsche Wohnort, ohne feste Arbeitsstelle dies reichte, um von den Nazis als „Berufsverbrecher“ in sogenannte Sicherheitsverwahrung genommen zu werden. Waltraud Finster berichtet über ihren Großonkel Josef Finster, dem dies geschah. Der Linzer wurde nach dem Anschluss Österreichs am 14. Juni 1938 verhaftet, am 17. Juni nach Dachau überstellt, am 1. Juli in das KZ Flossenbürg eingeliefert. „Mein Großonkel ist 162 cm groß und von schmächtiger Statur. Die Arbeit im Steinbruch kann er nicht überleben.“, berichtet Waltraud Finster. „Die Geschichte von Josef Finster muss erinnert werden, weil er für eine soziale Gruppe von Opfern des Nationalsozialismus steht, die bislang keine Aufmerksamkeit und keine Anerkennung erfahren haben.“

Kazimierz Wawrzyniak: Er hatte viele Freunde in der ganzen Welt

Als junger Novize des Ordens der Steyler Missionare wurde Kazimierz Wawrzyniak im polnischen Chludowo von den deutschen Besatzern verhaftet und am 24. Mai 1940 in das KZ Dachau eingeliefert. Wiederholte TBC-Erkrankungen kennzeichneten seinen Lageraufenthalt, er musste als Versuchsperson medizinischer Versuche herhalten und wurde OPs unterzogen, die zur lebenslangen Invalidität führten. Anna Hayward, jetzt Schwester Stefania im Karmel Dachau, berichtete, dass er im Lager seinen Glauben verlor und erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt wieder zur Religion fand. Kazimierz Wawrzyniak war nach dem Krieg Journalist, Wirtschaftswissenschaftler, Germanist, Diplomat und Handelsberater der polnischen Botschaft. „Er hatte viele Freunde in der ganzen Welt, größtenteils ehemalige Mithäftlinge.“, konnte Schwester Stefania mitteilen.

Für eine lebens- und liebenswerte Gesellschaft

Sabine Gerhardus, Projektleiterin des Gedächtnisbuchs, bedankte sich bei den Mitwirkenden: „Sie alle, die Sie die Geschichte in Erinnerung halten, zuhören und hinschauen, Sie helfen mit, unsere Gesellschaft lebens- und liebenswert zu halten. Dafür danke ich Ihnen von Herzen.“

Für den Trägerkreis des Gedächtnisbuchs begrüßte Björn Mensing die Teilnehmenden. Frank Schleicher übernahm die Verabschiedung.

Tim Turusov ist für die sehr gelungene musikalische Umrahmung der Veranstaltung zu danken.

(3.4.25; IS)

Ausstellung in Eggenfelden

Die Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs „Namen statt Nummern“ ist von Altötting nach Eggenfelden umgezogen. Die KEB Rottal-INN-Salzach e.V. (KEB-RIS) präsentiert sie dort in Kooperation mit dem ASAM-Klosterverein.

Die Ausstellung wird in Eggenfelden in Stellung gebracht

Zu sehen ist die Ausstellung „Namen statt Nummern“ vom 25. März bis 6. April 2025.

Begleitend zur Ausstellung referiert Katharina Werner am 1. April  zum Thema „Euthanasie in Niederbayern“. Weitere Veranstaltungen beschäftigen sich mit dem an den Folgen der KZ-Haft gestorbenen Pfarrer Johann Baptist Huber und mit Viktor Frankl. 

Nähere Angaben zum Begleitprogramm finden sich hier rechts im Terminkalender unserer Website und auf der Website der KEB-RIS
https://keb-ris.de/biografisches-arbeiten/

Ausstellungsort
Eggenfelden, Ehem. Franziskanerkloster, Franziskanerpl. 1, 84307 Eggenfelden 

Öffnungszeiten
Mo bis So 10.00 bis 12.00 Uhr und 15.00 bis 17.00 Uhr und während der Veranstaltungen. Dienstags geschlossen.

(24.3.2025; Foto: KEB-RIS; IS)

Presseinformation zur Jahrespräsentation

Die Medien haben wir mit einer Aussendung über die Jahrespräsentation des Gedächtnisbuchs am 22. März 2025 informiert. Hier ist sie im Wortlaut:

Josef Finster 1916

Am Samstag, den 22. März 2025, lädt der Trägerkreis Gedächtnisbuch zur Projektpräsentation „Namen statt Nummern“ ein. Ehrenamtliche Mitwirkende des Projekts, unter ihnen Nachkommen ehemaliger Häftlinge, aber auch Schüler und Schülerinnen der Otfried-Preußler-Schule Stephanskirchen, stellen Lebensgeschichten von Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau vor. Darunter sind: der polnische Abiturient Kazimierz Wawrzyniak, der österreichische Mechaniker Josef Finster, der russisch-iranische Student Georgij Solomonoff, der Ingenieur und Lehrer Max Fried, der tschechische Pfarrer Eugen Zelený, der Sinto-Musiker Franz Gory Kaufmann und andere.

Die Geschichte ihrer Angehörigen bewegt die Nachkommen bis heute. So schreibt Waltraud Finster über ihren Großonkel: „Für mich ist wichtig, mit dem Schweigen um Josef Finster zu brechen. Nachforschungen haben ergeben, dass er nicht wegen einer konkreten gesetzwidrigen Handlung in ein Konzentrationslager verbracht wurde. Die Verhaftung erfolgte wegen des bloßen Verdachts, gefährlich zu sein und zukünftig wieder Straftaten zu begehen. Ihm und anderen, denen Ähnliches zugestoßen ist, soll eine Lebensgeschichte gegeben werden. Das macht es schwieriger, Personen und Gruppen zu stigmatisieren, die – aus welchen Gründen immer – mit den Widrigkeiten des Lebens nicht zurechtkommen.“

Die Veranstaltung findet am Samstag den 22. März um 16.00 Uhr in der Kirche des Karmel Dachau statt. Die musikalische Umrahmung übernimmt der Gitarrist und Komponist Tim Turusov.

Präsentation der neuen Gedächtnisblätter „Namen statt Nummern“
Samstag, den 22. März 2025 um 16.00 Uhr
Kirche des Karmel Heilig Blut
Alte Römerstraße 91, 85221 Dachau

Wir bitten um Anmeldung beim Dachauer Forum unter Telefon 08131 99688-0 oder digital:
https://www.dachauer-forum.de/veranstaltung/namen-statt-nummern-2025/

(20.3.25; IS)

 

„Jede Generation muss die Geschichte neu lernen“

Ludwig Schmidinger, 13 Jahre lang Trägerkreismitglied des Gedächtnisbuchs, eröffnete die Wanderausstellung „Namen statt Nummern“ im Altöttinger Dekanatshaus.

„Jede Generation muss die Geschichte neu lernen.“, meinte Ludwig Schmidinger, der das „Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ als historisches und als pädagogisches Projekt vorstellte. Nicht zuletzt fördere es auch Geschichtsbewußtsein und damit auch politische Bildung.

Heute werden Biographien für das Gedächtnisbuch meist in Seminaren an Gymnasien erarbeitet, aber auch Einzelpersonen oder andere Gruppen können sich beteiligen. Das Gedächtnisbuch legt in seinen Biographien Wert darauf, die Lebensphasen vor und nach der Haft zu berücksichtigen und auch Angehörige mit einzubeziehen. Jedes Gedächtnisblatt wird vor der Veröffentlichung redaktionell bearbeitet, auch auf sachliche Richtigkeit.

Etwa 200.000 Häftlinge waren im KZ-Dachau und seinen Außenlagern interniert, 41.500 von ihnen sind dort gestorben. „Und das sind nur diejenigen, die verbürgertermaßen in diesen Lagern ums Leben gekommen sind.“, erläuterte Schmidinger. „Wer zum Beispiel noch in andere Konzentrationslager weiterdeportiert wurde, ist möglicherweise dort umgekommen oder ermordet worden und ist dann nicht unter den Dachauer Toten vermerkt.“ Für Altötting konnte Schmidinger in einer Internet-Kurzrecherche vier Personen ausfindig machen, die höchstwahrscheinlich in Dachau inhaftiert waren und über die es noch keine Biografie gibt.

Magelone Diehl-Zahner von der KEB-RIS (Katholische Erwachsenenbildung Rottal-INN-Salzach e.V.), die die Ausstellung nach Altötting ins Dekanatshaus geholt hat, betonte in ihrer Einführung zur Ausstellung: „Es stimmt einfach nicht, wenn man sagt, es ist Vergangenheit. Es hat auch heute noch seine Gültigkeit.

Die Veranstaltung im Dekanatshaus in Altötting wurde begleitet vom Pfarrchor Philippus Jakobus, der unter anderem Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten treu und still umgeben“ vortrug. Ergänzt wurde das musikalische Programm durch Zitate Bonhoeffers und Informationen zu seiner Biografie.

 

(15.3.25; Gruppenfoto: KEB-RIS, Andrea Malota; Irene Stuiber)

 

Ausstellung „Namen statt Nummern“ in Altötting

Vom 10. bis zum 20. März zeigt die KEB-RIS in Altötting die  Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs zusammen mit der Ergänzung „Geistliche im KZ Dachau“.

Ausstellung im Dekanatshaus Altötting

Die KEB Rottal-INN-Salzach e.V. (KEB-RIS) präsentiert die Ausstellungen „Namen statt Nummern“ und „Geistliche im KZ Dachau“ im Dekanatshaus in Altötting. Die Ausstellung ist Montag bis Donnerstag von 10 bis 13 Uhr und nach Vereinbarung zu sehen. Dazu gibt es ein vielfältiges Begleitprogramm.

Am Montag, den 10. März beginnt die Ausstellung mit einer Vernissage Den Eröffnungsvortrag wird Ludwig Schmidinger halten, der das Gedächtnisbuch viele Jahre im Trägerkreis begleitet hat. In den zwei Ausstellungswochen sind unter anderem Abende zu den Auswirkungen familiärer Traumata, Viktor Frankl und den Landauer Pfarrer Johann Baptist Huber geplant. Näheres dazu in unserem Terminkalender rechts auf dieser Website oder im Programm der KEB-RIS
https://keb-ris.de/biografisches-arbeiten/

Info zur Ausstellung
Die Ausstellung ist vom 10. bis zum 20. März 2025 im Dekanatshaus, Kapellplatz 8, 84503 Altötting zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 10 bis 13 Uhr und nach Vereinbarung.

(9.3.25; IS)

Einladung zur Jahrespräsentation 2025

Am 22. März 2025 findet die Jahrespräsentation des Gedächtnisbuchs um 16 Uhr in Dachau statt. 12 neue Biografien werden vorgestellt und in das Gedächtnisbuch aufgenommen. Hier kommt die Einladung.

2024: Eine Biografie findet ihren Weg ins Gedächtnisbuch

Ab 16 Uhr stellen Mitwirkende in Dachau in der Kirche des Karmel Lebensgeschichten von Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau vor. Unter den AutorInnen sind auch Schüler und Schülerinnen der Otfried-Preußler-Schule Stephanskirchen.

Zu den porträtierten Personen gehören: der polnische Abiturient Kazimierz Wawrzyniak, der österreichische Mechaniker Josef Finster, der russisch-iranische Student Georgi Solomonoff, der deutsche Ingenieur und Lehrer Max Fried, der tschechische Pfarrer Eugen Zelený, der Sinto-Musiker Franz Gory Kaufmann und andere.

Die musikalische Umrahmung der Veranstaltung übernimmt der Gitarrist und Komponist Tim Turusov.

Hier finden Sie die Einladung und das Programm der Veranstaltung:
Einladung mit Programm (300 kB)

Wir bitten um Anmeldung unter https://www.dachauer-forum.de/veranstaltung/namen-statt-nummern-2025/ oder unter Telefon 08131 99688-0.

(28.2.25; IS)

Aufruf der christlichen Kirchen zur Bundestagswahl

Der Wahlaufruf erreichte uns über unser Trägerkreismitglied Judith Einsiedel von der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau. Sabine Gerhardus erklärt, was der Wahlaufruf der Christlichen Kirchen mit dem Gedächtnisbuch zu tun hat und warum wir ihn veröffentlichen.

„Unsere Demokratie, die Menschenrechte und der Frieden in Europa werden seit Jahren herausgefordert. Das wichtigste Mittel, das die Feinde der Demokratie innen und außen einsetzen, ist Spaltung, Angst, Hass und Hetze. Das Gedächtnisbuch setzt sich seit mehr als 25 Jahren für den Erhalt der Erinnerung an die Verfolgten der NS-Diktatur ein, weil sie uns gezeigt haben, in welche Abgründe Diktatur, Imperialismus, Rassismus, Verachtung Andersdenkender und die brutale Unterdrückung durch Terror führen.

Seit 80 Jahren lebt unser Land in Frieden, ist mit seinen Nachbarn freundschaftlich zusammengewachsen. In der Demokratie haben wir die Möglichkeit zu wählen – alle Wahlberechtigsten sollten diese Möglichkeit nutzen und Parteien wählen, die die Demokratie schützen. Alle Aufrufe, diese freundschaftliche und demokratische Vielfalt zu schützen, das Gemeinsame und Verbindende zu stärken, sind nötig und tun uns gut.“

Wahlaufruf (PDF, 230 kB)

(19.2.25; Sabine Gerhardus/IS)