Trägerkreis-Klausur: Wohin geht das Gedächtnisbuch?

Der Trägerkreis des Gedächtnisbuchs traf sich im Mai 2023 zu einer Klausur. Es wurden Ideen für die Zukunft des Projekts gesammelt.

Der Trägerkreis des Gedächtnisbuchs besteht aus Vertretern von Dachauer Forum, der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte, des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit, der katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte, des Kreisjugendrings Dachau, der Lagergemeinschaft Dachau sowie des Max Mannheimer Studienzentrums.

Über die Klausur des Gremiums im Mai 2023 berichtet Sabine Gerhardus:

„Wir haben die Präsentation der neuen Gedächtnisblätter am 22. März besprochen, das Treffen genutzt, um uns mit etwas mehr Zeit besser kennenzulernen, da ja einige neue TK-Mitglieder dabei sind. Dabei haben wir die Verankerung des Projekts in den jeweiligen Trägerorganisationen und die Arbeitsabläufe beim Gedächtnisbuch genauer beleuchtet und dann Ideen für die Zukunft des Projekts gesammelt.
Am Ende war die Zeit knapp, so dass es bei einer Sammlung der Ideen geblieben ist, die bei den nächsten Trägerkreissitzungen noch konkretisiert werden müssen.“

(30.5.23; Sabine Gerhardus/IS)

Ein Gedächtnisblatt vor über 20 Jahren – ein Besuch heute

Vor über 20 Jahren hat Christine Schindlbeck das Gedächtnisblatt über Martin Anson verfasst. Ende April 2023 waren nun Angehörige des damals Porträtierten zu Besuch beim Gedächtnisbuch.

Sabine Gerhardus berichtet über den Besuch:

„Steven Anson und seine Frau Hilary waren am Freitag, den 28.4.2023 zu Besuch beim Gedächtnisbuch. Vorher trafen wir uns zum Mittagessen im Besucherzentrum der Gedenkstätte, anschließend stand noch eine Verabredung mit Andre Scharf im Archiv der Gedenkstätte an.

Die Ansons kommen aus Glasgow in Schottland. Martins Geschichte wurde 2001 von der Landshuter Schülerin Christine Schindlbeck für das Gedächtnisbuch aufgeschrieben. Seither hat Christine Schindlbeck zuerst mit Martin Anson und nach seinem Tod mit dessen Familie Kontakt gehalten.

Hilary und Steven nutzten ihren Urlaub in Süddeutschland, um Freunde und Bekannte zu treffen. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie sich auch einen Tag Zeit genommen haben, um das Gedächtnisbuch und die Gedenkstätte zu besuchen. Die beiden erzählten viel von ihrem Erinnerungsprojekt „Gathering the Voices“, in dem die Geschichte der nach Schottland geflohenen Holocaust-Überlebenden erzählt wird.

Zu unserem Treffen kam auch Sabrina Renner, eine Schülerin des W-Seminars Namen statt Nummern am Ignaz-Taschner Gymnasium, die über ihre Recherche über die jüdische Lehrerin Hertha Mühlfelder erzählte. Hertha Mühlfelder wurde in Auschwitz ermordet. Sabrina hat herausgefunden, dass Herthas Tante nach dem Krieg in Großbritannien lebte und nach Hertha suchte. Nun hofft Sabrina, dass es noch Nachkommen in Großbritannien gibt.

Wir verbrachten einige anregende Stunden zusammen und freuten uns über den freundschaftlichen Austausch und über die gegenseitige Unterstützung unserer Projekte.“

Link zum Gedächtnisblatt
Martin Anson

Link zum Erinnerungsprojekt „Gathering the voices“
https://gatheringthevoices.com/

(22.5.2023; Sabine Gerhardus/IS)

Videos zur Jahrespräsentation 2023

Anhand zweier Videos lässt sich auch nachträglich ein Blick auf die Jahrespräsentation des Gedächtnisbuchs werfen. Wir danken den Filmern Josef Pröll und Marek Makieła.

Eva Strauß begrüßt im Namen des Trägerkreises die Anwesende

Josef Pröll und Marek Makieła haben Teile der Präsentation vom 22. März 2023 auf Video festgehalten. Beide Filme sind nun über den Videokanal des Dachauer Forums auf vimeo zugänglich.

Josef Prölls Film zeigt den zweiten Teil der Veranstaltung komplett:
https://vimeo.com/823713309

Marek Makieła präsentiert in seinem Video Ausschnitte der Veranstaltung:
https://vimeo.com/821954376

Auch frühere Präsentationen des Gedächtnisbuchs sind auf Videos festgehalten. Eine Übersicht findet sich hier:
https://www.gedaechtnisbuch.org/das-projekt/filme/

(15.5.2023; Foto: Marek Makieła; IS)

Maria Golusińska, eine mutige Fotografin

Marek Makieła brachte zur Gedächtnisbuchpräsentation im März ein Foto als Gastgeschenk mit, das den in einem Gedächtnisblatt porträtierten Teodor Makieła in einer Kolonne von polnischen Opfern des Nazi-Terrors auf dem Weg zum Bahnhof in Schildberg zeigt. Die Aufnahme stammt von Teodor Makiełas Verhaftungstag in Schildberg im Warthegau am 3. Mai 1940. Welche Geschichte steckt hinter dieser Aufnahme?

Marek Makieła hat uns Informationen zur Biografie der mutigen Fotografin  geschickt, die wir gerne hier veröffentlichen.

Maria Golusińska fotografierte vom Dachboden eines Mehrfamilienhauses. Einen Fotoapparat hatte die Fotografin illegal zurückbehalten. Jeder Gebrauch war strengstens verboten und ein Verstoß gegen das Verbot konnte mit Verschleppung in ein Konzentrationslager bestraft werden. Maria Golusińska machte heimlich auch andere Fotos. Die meisten Fotoplatten gingen verloren. Nur wenige damals bereits entwickelten Fotos konnten für die Nachwelt gerettet werden.

Zur Lebensgeschichte der Fotografin lässt sich Folgendes berichten: Von Januar bis Dezember 1937 arbeitete Maria Golusińska zusammen mit ihrem Bruder Jan als Fotografin in Bukowina Tatrzańska (nicht weit von Zakopane). Dann zog sie nach Hel an der Ostsee, wo sie bis zum 30. Juli 1939 wiederum mit ihrem Bruder ein Fotoatelier betrieb.Den Kriegsbeginn erlebte die Fotografin in Ostrzeszów. Im Jahr 1942 sie wurde mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrer Nichte zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. In Augsburg arbeitete sie in einer Fabrik für Rüstungsgüter.

Am 25. Juli 1946 kehrte Maria Golusińska nach Hel in Polen zurück. Gemeinsam mit ihrem Bruder führte sie bis 1954 ein Fotoatelier. Anschließend arbeitete sie am Institut für Geophysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften. 1971 erhielt sie das Ehrenabzeichen „Für Verdienste um das Land Danzig“.  Am 24 August 1978 wurde ihr anlässlich des 600-jährigen Jubiläums von Hel eine Gedenkmedaille für ihren Beitrag zur Entwicklung der Stadt verliehen.

Maria Golusińska starb  am 10. Juni 1983. Sie ist auf dem Friedhof von St. Laurentius in der  Bujwidstrasse  in Wrocław begraben.

(28.4.2023; IS)

Ausstellung „To be seen“ zitiert Willemijn Petroff-van Gurp

Das NS-Dokuzentrum in München zeigt noch bis 21. Mai 2023 die Ausstellung „To be seen“, die queere Lebensentwürfe und Netzwerke, Freiräume und Verfolgung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachzeichnet. An einer Stelle begegnet die Ausstellung dem Gedächtnisbuch.

In Zwangsarbeit gefertigter Zeitzünder aus dem Agfa-Werk

193 Frauen aus den Niederlanden mussten im Agfa-Werk, einem in München gelegenen Außenlager des KZ-Dachau, arbeiten. In der Ausstellung wird Mary Vaders erwähnt, der die im Gedächtnisbuch porträtierte Willemijn Petroff-van Gurp in ihrer Rede im Bellevue-Theater in Amsterdam am 4. Mai 2015 ein besonders herzliches Gedenken gewidmet hat: „Ich spüre noch immer die Wärme von Mary Vaders, als sie beim Appell in Ravensbrück, wo wir stundenlang in zu dünner Kleidung im Frost still stehen mussten, ihre Arme um mich legte. Im KZ, wo wir vogelfrei waren und wo es niemanden gab, an den man sich hätte wenden können, war das wirklich ein Gottesgeschenk.“

Link zur Ausstellung im NS-Dokuzentrum
https://www.nsdoku.de/tobeseen

Gedächtnisblatt für Willemijn Petroff-van Gurp
https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisblaetter/?f=P&gb=4494

Informationen zum niederländischen Gedächtnisbuch, auch zu den Veranstaltungen 2015 in Amsterdam
https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisbuch-niederlande/

(20.4.2023; IS)

Erinnerungsabend für Karl Rom

Eine Gedenkfeier am 18. April 2023 in Dachau erinnert an den im Februar verstorbenen Karl Rom. In der Versöhnungskirche und im Max Mannheimer Haus ist das Gedächtnisblatt für ihn einsehbar, das Sr. Elija Boßler verfasst hat.

Am 28. Februar 2023 starb wenige Tage nach seinem 97. Geburtstag Karl Izchak Rom.  Als Überlebender mehrerer Konzentrationslager, zu denen auch der Dachauer Außenlagerkomplex Kaufering zählte, war er bis 2015 als Zeitzeuge an vielen Orten, auch in Dachau, aktiv und nahm als Ehrengast an vielen Veranstaltungen teil.

Am 18. April findet im Max-Mannheimer-Haus in Dachau um 19 Uhr ein Erinnerungsabend für ihn statt.

Sein Enkelsohn Daniel Silber zeigt Filmaufnahmen; über eine längere Zeit hatte er seinen Opa mit der Kamera begleitet. Mitglieder der Familie Rom-Silber berichten aber auch ganz persönlich an dem Abend von ihren Erinnerungen an den Verstorbenen, wie auch im Anschluss Menschen aus der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit in Dachau, die Karl Izchak Rom begegnet waren.

Zu dieser Erinnerungsfeier erklingt live Klezmermusik, die der Verstorbene so gerne hörte. Ein kleiner Imbiss wird gereicht. Eine Anmeldung für den Abend ist nicht nötig.

Datum und Zeit des Erinnerungsabends
18. April 2023, 19 Uhr

Ort
Max-Mannheimer-Haus, Roßwachtstr. 15, 85221 Dachau

Veranstalter
Dachauer Forum, Evangelische Versöhnungskirche, Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau, Karmel Heilig Blut Dachau, KZ-Gedenkstätte Dachau, Lagergemeinschaft Dachau und Max-Mannheimer-Studienzentrum Dachau

(12.4.2023; Foto: Elija Boßler, Ausschnitt; IS)

Jahrespräsentation: Wiedersehen nach 10 Jahren

Nach zehn Jahren trafen sich die beiden ehemaligen ASF-Freiwilligen Lynn Williams und Jan Kwiatkowski bei der Jahrespräsentation des Gedächtnisbuchs wieder. Gemeinsam hatten sie ein Jahr lang als Freiwillige beim Gedächtnisbuch und in der Versöhnungskirche gearbeitet.

Lynn Williams war die erste „Senioren-Freiwillige“  an der Versöhnungskirche von September 2012 bis August 2014. Lynn trat ihren Freiwilligendienst bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste nach ihrer Frühverrentung als Lehrerin an der Milwaukee German Immersion School an. Da ihr der Freiwilligendienst Spaß machte und sie keine Verpflichtungen zu Hause hatte, verlängerte sie die Dienstzeit um ein Jahr. Nach ihrer Rückkehr in die USA betreute sie noch eine Zeit lang die Internationale Wanderausstellung Names Instead of Numbers des Projekts.

Jan Kwiatkowski betreut seit 2022 eine Arbeitsgruppe in Ostrzeszów, in der Angehörige von ehemaligen Häftlingen Biografien für das Gedächtnisbuch verfassen. Ab dem September 2013 bis zum August 2014 war er als Freiwilliger für ASF in Dachau. Jan arbeitete seit seinem Freiwilligendienst im Team der Internationalen Jugendbegegnung mit und ist inzwischen freier Mitarbeiter des Max Mannheimer Studienzentrums.

Fotografiert wurden die beiden übrigens von der derzeitigen ASF-Freiwilligen Sara Brunner.

(5.4.23. Foto: Sara Brunner; IS)

Acht neue Gedächtnisblätter. Bericht von der Jahrespräsentation 2023

Am 90. Jahrestag der Errichtung des Konzentrationslagers Dachau am 22. März 2023 fand die Jahrespräsentation des Gedächtnisbuchs statt. Acht neue Biographien von Dachau-Häftlingen erarbeiteten ehrenamtliche Autorinnen und Autoren für das Gedächtnisbuch, davon vier über polnische Häftlinge.

„Nach Dachau wurden mehr als 40000 Polen deportiert, wo sie unter besonders grausamen Bedingungen litten.“, informiert Projektleiterin Sabine Gerhardus in ihrer Einleitung. Im Gedächtnisbuch gab es bisher nur zwölf Lebensgeschichten polnischer KZ-Häftlinge. Nicht zuletzt das 2022 angelaufene deutsch-polnische Erasmusprojekt des Gedächtnisbuchs mit der Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz/Oświęcim ermöglichte es, hier einen Schwerpunkt bei der Erarbeitung neuer Gedächtnisblätter zu setzen.

Wacław Fogler

Władysława Lorych, die Tochter von Wacław Fogler, verfasste das Gedächtnisblatt über ihren Vater Wacław Fogler. Leider konnte sie zur diesjährigen Präsentation aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen. Jan Kwiatkowski sprang in die Bresche und referierte die Lebensgeschichte von Fogler. Der 1890 geborene Friseur aus Ostrzeszów war von April 1940 bis zu seiner Befreiung am 29. April 1945 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.

Kwiatkowski richtete dem Publikum Grüße der Verfasserin aus, das Gedenken an ihren Vater sei ihr ein großes Anliegen.

Johann Baptist Hugl

Hedi Bäuml, die gerade am Dachauer Taschner-Gymasium ihr drittes W-Seminar im Rahmen des Gedächtnisbuchs betreut, stellte mit Johann Baptist Hugl einen Mann aus ihrer oberpfälzischen Heimatstadt Pfreimd in den Mittelpunkt ihrer Recherchen. Hans Hugl war als sogenannter „Arbeitszwang-Häftling“ von Mai 1940 bis zum 8.5.1945 in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Neuengamme, Dachau, Lublin, Auschwitz und Mauthausen inhaftiert.

Als Quelle konnte Hedi Bäuml unter anderen einen Erfahrungsbericht von Hugl heranziehen, den der Verfasser in der Nachkriegszeit im Selbstverlag veröffentlicht hat. Was findet die Verfasserin des Gedächtnisblatts an der Lebensgeschichte von Johann Baptist Hugl besonders bemerkenswert? „Für mich persönlich grenzt es an ein Wunder, dass er die Strapazen und Torturen – die drei B im Konzentrationslager Bock, Baum, Bunker – überstanden hat. Das gelang ihm sicher nur mit eisernem Willen und dafür zolle ich ihm meinen Respekt.“

Grußwort von Vera Zolotar

Die Biographie von Vera Zolotars Vater Wladimir Dschelali sollte am 22. März 2020 auf der Präsentation des Gedächtnisbuchs vorgestellt werden. Die Veranstaltung entfiel und, besonders tragisch, Wladimir Dschelali starb noch 2020 an Covid-19.

Seine Tochter Vera Zolotar, die inzwischen im Landkreis Dachau lebt, trat mit einem flammenden Anliegen an das Rednerpult: „Ich möchte den Wunsch vieler Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Religionen und Altersgruppen laut aussprechen: Wir wollen das lang ersehnte Ende des Krieges! Wir wollen, dass Russland aufhört, die ukrainischen Städte und das Leben der ukrainischen Menschen zu zerstören! Und bitte: Nie wieder!“

Franz Brückl/ Franciszek (Franz) Przybylski

Monika Lücking stellte mit Franz Brückl einen Menschen in den Mittelpunkt ihrer Biographie, den sie selbst bei vielen Zeitzeugengesprächen erlebt hat. Der 1910 in Posen/Poznań geborene Franciszek/Franz Przybylski erlitt die Zeit von März 1940 bis zur Befreiung am 29. April 1945 in den Konzentrationslagern Fort VII Posen und Dachau. Nach dem Krieg blieb er in München, erwarb die deutsche Staatsangehörigkeit, heiratete und nahm den Mädchennamen seiner Frau an.

„Lange Zeit schwieg er über seine Erlebnisse.“, berichtete Monika Lücking. „Aber als Rentner fand er eine neue Aufgabe. Unermüdlich setzte er sich ein für Versöhnung und Erinnerung und Gedenken.“

Stefan Wincenty Frelichowski

Hania Fedorowicz würdigte in ihrer Präsentation den polnischen Priester Stefan Wincenty Frelichowski. „Für mich war das ein Mensch mit einem großen Herz und großer Lebenslust.“, erläuterte die Referentin, die in der Uniform der polnischen Pfadfinder vor das Publikum trat.

Frelichowski war in Fort VII bei Toruń, dann in den Konzentrationslagern Stutthof, Sachsenhausen und Dachau inhaftiert. Nachdem er sich um an Typhus erkrankte Mithäftlinge gekümmert hatte, starb er im Februar 1945 selbst an dieser Krankheit. Papst Johannes Paul II. sprach Stefan Wincenty Frelichowski 1999 selig, seit 2003 ist Frelichowski Schutzpatron der polnischen Pfadfinder.

„Im Rahmen dieses Projekts habe ich einen einfachen Priester kennengelernt, der vom außerordentlichen Gefühl erfüllt war, in unmenschlichen Zeiten das Böse mit dem Guten zu überwinden. Sein Lebenszeugnis ist nach wie vor ein Aufruf an unsere Generation.“, stellte Hania Fedorowicz am Ende ihres Vortrags fest.

Karl Frey

Maria Rauscher mit drei Schülern aus der Gruppe „Courage“

Die Schülergruppe Courage der Johann-Turmair-Realschule Abensberg unter der Leitung von Lehrerin Maria Rauscher widmete ihr Gedächtnisblatt dem Neustädter KPD-Mitglied Karl Frey, der mit einer kurzen Unterbrechung die gesamte NS-Zeit in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen verbringen musste. Drei Tage vor der Befreiung gelang ihm die Flucht aus dem Außenlager Gestapo München.

Die fünf Schülerinnen und Schüler trugen ihre Recherche-Ergebnisse gemeinsam vor. Ihr Resümee: „Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass eine so lange Haftzeit nicht mit 12 Jahren einfach vorbei war, sondern ein Leben dauerhaft prägt.“

Grußwort von Alexander Frey

Was möchte Alexander Frey, der Sohn von Karl Frey, den jungen Leuten, die sich so intensiv mit der Biographie seines Vaters auseinandergesetzt haben, gerne mit auf den Weg geben? Diese Frage stellte Lehrerin Maria Rauscher an Frey, der nach der Schülergruppe ans Rednerpult trat.

Alexander Frey plädierte für ein aktives und entschlossenes Eintreten für die Demokratie: „Demokratie ist keine Staatsform, die immer und ewig besteht.“ Der Redner weist auf rechte Tendenzen hin, die es zurzeit überall gibt, in Kirchen, in Wohlfahrtsverbänden, in Sportvereinen, in den Gewerkschaften, in der Kultur, einfach überall. „Passen wir auf, es liegt an uns allen, wir dürfen nicht nachlassen!“

Leo Kahn

Die Autorin des Gedächtnisblatts über Leo Kahn, die ASF-Freiwillige Ioanna Taigacheva, konnte leider nicht selbst vortragen, so dass Projektleiterin Sabine Gerhardus in die Bresche sprang.

Leo Kahn war ein jüdischer Religions- und Volksschullehrer, den die Nazis nach der Reichspogromnacht einen Monat lang im KZ Dachau einsperrten und schikanierten. Emigrationsversuche der Familie Kahn scheiterten, lediglich ein Neffe Leo Kahns konnte als Teilnehmer eines Kindertransport in der Schweiz überleben. Leo Kahn wurde 1942 mit seiner Frau und seiner 8-jährigen Tochter ins Ghetto Izbica deportiert und ermordet.

Was fand die Verfasserin des Gedächtnisblatts besonders bemerkenswert? „Es ist die blutrünstige Pedanterie, mit der alles bürokratisch erfasst wurde. Wie diese Maschinerie der Massenvernichtung funktioniert hat. Dass von einer ganzen Familie nur ein Mensch überleben konnte, der zu diesem Zeitpunkt Glück hatte.“

Otto Beer

„Lebensgeschichten, die mit Konzentrationslagern verbunden sind, werden oft vom Ende her erzählt. Es gab aber immer ein Leben davor, das oft zu schnell aus dem Blick gerät.“ Diese Bemerkung stellte Klaus Schultz, Gründer und ständiger Begleiter des Gedächtnisbuchs seit den Anfängen des Projekts 1999, der Biographie Otto Beers voraus.

Bereits als Schüler war Otto Beer dem FC Bayern beigetreten, ab 1926 verantwortete er als Jugendfunktionär den Aufbau einer Schülerabteilung. In der NS-Zeit wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft aus dem Verein ausgeschlossen. Vom 10. November 1938 bis zum 12. Dezember 1938 war er Häftling im Konzentrationslager Dachau. In der Zeit danach scheiterten Auswanderungsversuche. Otto Beer, seine Frau Nelly und die Söhne Ernst Rudolf und Kurt Gustav wurden 1941 aus München nach Kaunas deportiert und am 25. November 1941 ermordet.

Teodor Makieła

Mehrere Angehörige von Teodor Makieła waren zur Präsentation angereist. Der Enkel Tomasz Makieła präsentierte das von seinem ebenfalls anwesenden Vater Marek Makieła erstellte Gedächtnisblatt. Der im Gedächtnisblatt porträtierte Teodor Makieła lebte als Besitzer eines Friseursalons in Ostrzeszów und wurde nach der Denunziation eines Kunden im Mai 1940 in das KZ Dachau eingewiesen, wo er bis zum im Mai 1941 inhaftiert war.

Im Anschluss an Tomasz Makieła ergriff Marek Makieła das Wort. Er berichtete, dass sich im Frühjahr 2020 die Massenverhaftung durch die deutsche Besatzungsmacht in Ostrzeszów zum  80. Mal jährte. 1940 waren etwa 140 Personen aus Ostrzeszów und Umgebung in das Konzentrationslager Dachau verschleppt worden. Zu diesem Jahrestag organisierte der Heimatverein und Regionalmuseum Ostrzeszów ein Treffen der Familienangehörigen ehemaliger Häftlinge.

„Gleichzeitig begannen wir mit Archivrecherchen in Polen und Deutschland, um eine vollständige Liste dieser Menschen zu erstellen und möglichst viele Informationen über sie zu finden.“, berichtete Marek Makieła. Bisher konnten 40 Familien der Deportierten ausfindig gemacht werden. Zwei Biographien der in Dachau inhaftierten Menschen wurden in der Veranstaltung dem Publikum vorgestellt, weitere Häftlingsbiographien sind in Arbeit.  

Marek Makieła überbrachte ein Geschenk des Regionalmuseums Ostrzeszów und überreichte Sabine Gerhardus ein Foto, das Gefangene zeigt, die von deutschen Polizisten 1940 in Ostrzeszów zum Bahnhof geführt werden.

(29.3.2023; Irene Stuiber)

Studienfahrt Auschwitz/ Oświęcim: Gute Gründe für einen Besuch der Gedenkstätte Auschwitz

Einer zufälligen Begegnung beim Stadtrundgang haben es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise zu verdanken, dass Pfarrer Manfred Deselaers den Weg in die abendliche Besprechung zur Vorbereitung des Gedenkstättenbesuchs findet.

Manfred Deselaers lebt seit vielen Jahren in Oświęcim und ist Theologe, Buchautor und Mitarbeiter des katholischen Zentrums für Dialog und Gebet in Oświęcim. „Ich bin hiergeblieben, denn die Menschen sind hier alle sehr offen und alle sehr betroffen. Als Seelsorger ist man in den Gesprächen sehr schnell bei wesentlichen Fragen.“ Manfred Deselaers berichtet, dass er viele ehemalige Häftlinge kennengelernt hat. Deren Vermächtnis will er weitergeben. Ein wichtiger Satz sei für ihn geworden: „Hitler darf hier nicht das letzte Wort haben.“

„Denn Auschwitz ist ja passiert“, betont Deselaers. „So etwas kann also wieder passieren. Auschwitz spricht davon, wie groß unsere Verantwortung ist.“ Seine Erfahrung aber sei, dass eine starke positive Energie von Auschwitz ausgehen könne und solle.

Manfred Deselaers gibt den Studienreisenden das mit auf den Weg, was er von vielen ehemaligen Häftlingen gehört hat: „Ihr könnte die Vergangenheit nicht ändern, aber ihr könnte dafür sorgen, dass die Zukunft besser wird.“

Ähnlich argumentierte der Auschwitz-Überlebende Marian Turski in seiner Rede zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz. Auf youtube kann dieses Video gestreamt werden, das sich die Teilnehmer der Studienreise am Vorbereitungsabend für den Besuch der Gedenkstätte noch anschauen. „Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen“, heißt es da.

Link zum youtube-Video
https://www.youtube.com/watch?v=KsBLE_95_P8

(24.4.23; IS)