„Jedes Mal ist es ein bisschen anders.“ – Interview mit Jan Kwiatkowski, Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen in Dachau

Jan Kwiatkowski hat als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ein Jahr lang ein bis drei Tage in der Woche am Gedächtnisbuchprojekt mitgearbeitet. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörte Organisatorisches rund um die Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs. An seinem letzten Arbeitstag Ende August konnte ich Jan einige Fragen zu seiner Tätigkeit im Projekt stellen.

Was gefällt dir am Gedächtnisbuchprojekt?

Es gefällt mir, dass es sich mit individuellen Schicksalen beschäftigt. Und die Arbeit mit der Ausstellung gefällt mir auch. Jedes Mal ist es ein bisschen anders. Zu jeder Ausstellung muss ich überlegen, was genau dieser Aussteller an der Ausstellung interessant finden wird. Es ist nicht langweilig, aber es ist auch eine ruhige, angenehme Arbeit.

Hast du Vorschläge, was man im Projekt anders machen könnte?

Vielleicht wäre es eine Idee, Ansprechpartner in anderen Ländern zu finden. Ich finde, es gibt viele Biographien aus Deutschland und vielleicht aus Frankreich und ganz wenige zum Beispiel aus Polen oder etwa aus dem ehemaligen Jugoslawien. Das sind nur Beispiele. Ein Ansprechpartner vor Ort könnte das ändern.

Du arbeitest selbst an einer Biographie für das Gedächtnisbuch. Kannst du etwas darüber erzählen?

Dieser Mann heißt Czeslaw Kordylewski und ich habe ihn persönlich kennengelernt. Er war damals zu jung, um ein Widerstandskämpfer zu sein. Aber er war ein Pfadfinder, und eine Gruppe Pfadfinder hat ein Radio gebaut, weil es im besetzten Polen verboten war, ein Radio zu haben. Sie haben Radio gehört, die Nachrichten der BBC. Sie haben das aufgeschrieben, was sie gehört haben, und die kopierten Zettel haben sie weitergegeben. Nicht öffentlich, sondern diese Zettel haben sie zum Beispiel in bestimmte Briefkästen gelegt und deswegen wurden sie arrestiert. Czeslaw Kordylewski wurde im April 1941 arrestiert und ist bis zum Ende des Krieges in verschiedenen Konzentrationslagern geblieben. Zuerst Posen, dann das Gefängnis Wronki in der Nähe von Posen, danach wurde er nach Auschwitz geschickt, dann war er zwei Monate in Flossenbürg. Er ist schließlich zwei Jahre in Dachau geblieben. Bis zur Befreiung arbeitete er in der Munitionsfabrik in Augsburg.

Dein Blatt ist noch nicht ganz fertig. Wann wird das soweit sein?

Bis jetzt habe ich ganz viele Materialien gesammelt und ich habe Herrn Kordylewski dreimal interviewt. Ich hoffe, dass ich das Blatt Anfang Oktober abschließen kann. Dann habe ich Zeit dafür.

 

 

 

„Erinnern-erkennen-handeln. Warum beschäftigen wir uns mit der regionalen Geschichte?“ – Einladung zur Veranstaltung

Unter dem Titel

Erinnern-erkennen-handeln
Warum beschäftigen wir uns mit der regionalen Geschichte?
wird Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler auf der Veranstaltung des Dachauer Forums am
Dienstag, den 9.9.2014, um 19.30 Uhr
 
im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau, Augsburgerstr. 23,ein etwa 20minütiges Impulsreferat halten und anschließend drei Thesen zur Diskussion stellen.

Für die Teilnehmer der Veranstaltung gibt es außer einer hoffentlich anregenden Diskussion das neue Programmheft des Dachauer Forums und ein Glas Sekt. Die Eintrittsgebühr beträgt 9 Euro.
Das Dachauer Forum ist einer der Träger des Gedächtnisbuchs, das Thema der Veranstaltung betrifft ein Grundanliegen des Projekts.
 

 

 

 

„Kaum vorzustellen, was hier geschehen ist!” – Zehn holländische Schüler starten ihre Recherche für das Gedächtnisbuch

Am Sonntag, dem 31. August, besuchten zehn holländische Schüler die KZ Gedenkstätte Vught. Damit begannen die Recherchen für fünf neue Gedächtnisblätter über Holländer, die im KZ Dachau waren. März 2015 sollen die neuen Gedächtnisblätter fertig sein. Wenn alles läuft wie geplant, werden sie bei der jährlichen Veranstaltung am 22. März in das Gedächtnisbuch in Dachau aufgenommen. Ein Überlebender, über den die Schüler schreiben, hat bereits angekündigt, dass er gerne zur Veranstaltung mitfahren möchte.

Vier von den fünf ehemaligen Häftlingen, über die die Schüler schreiben, sind über Vught (KZ Herzogenbusch) nach Dachau gekommen. Im Het Baarnsch Lyceum schreiben Jeannot und Fedde über den im Niederländisch-Indien geborenen und jetzt hundertjährigen Djajeng Pratomo. Für das Gedächtnisblatt von Lies Buenick werden Tess und Jurre ein Interview mit seiner Tochter führen. Lies Buenick kam von Vught über Ravensbrück ins Dachauer Außenlager Agfa Kamerawerk und ist 2009 verstorben. Im Rotterdamer Emmauscollege arbeiten Valerie und Thijs an einem Gedächtnisblatt über den jetzt 89-jährigen Dingenis Sinke, der im Natzweiler Außenlager Markich war und im Dachauer Außenlager Allach befreit wurde. Joshua und Hannah, Schüler des Cartesius Lyceums in Amsterdam, schreiben über Nico Peeters. Dafür werden sie ein Interview mit seiner jetzt 91-jährigen Tochter führen, die mit ihrem Vater im kommunistischen Widerstand war. Nico Peeters ist nicht mehr heimgekommen, er starb Februar 1945 in Dachau. Der einzige, der nicht in Vught war, ist Henk van de Water, über den Ischa und Jelle schreiben. Der heute 90-jährige war als Zwangsarbeiter in Deutschland und kam wegen Flucht und Sabotage ins KZ Dachau.

In Vught haben die Schüler eine Führung durch die Gedenkstätte und eine Führung über das ehemalige SS Gelände mitgemacht. Die Gebäude im ehemaligen SS-Bereich werden heutzutage als Kasernen benutzt. Außerdem gibt es auf dem ehemaligen KZ-Gelände ein Wohnviertel und ein modernes Gefängnis. „Das macht es noch schwieriger, sich vorzustellen, was sich hier alles abgespielt hat und was Herr Sinke hier erleben musste.“, sagte Valerie. „Aber dieser Besuch hat mich auch neugierig gemacht auf das Interview mit ihm. Wir werden jetzt bestimmt mehr von dem verstehen, was er uns erzählen wird.“

(Text: Jos Sinnema)

 

Recherchieren in München: Das erzbischöfliche Archiv

Ins Archiv des Erzbistums München und Freising führte mich heute die Endredaktion des Gedächtnisblattes zu dem in Altomünster geborenen Pfarrer Johann Baptist Neumair. Der stellvertretende Leiter Michael Volpert hat mich dort sehr kompetent und sehr nett beraten – herzlichen Dank dafür!

Für Gedächtnisblätter relevant sind häufig Personalakten des Erzbistums, die das Archiv verwahrt. Ein weiterer hochinteressanter Bestand: Zu Kriegsende gab es eine Umfrage in den Pfarreien zur Verfolgung Geistlicher während der NS-Zeit.

Eine weitere Umfrage betraf die Geschehnisse in den Pfarreien zu Kriegsende. Sie liegt gedruckt vor und wurde von Archivleiter Peter Pfister herausgegeben:  Das Ende des Zweiten Weltkriegs im
Erzbistum München und Freising. 2 Bände, Regensburg Schnell & Steiner, 2005
(=Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising; Bd.8). 
Ebenfalls gedruckt liegt die Publikation Blutzeugen der Erzdiözese München und Freising – Die Märtyrer des Erzbistums München und Freising in der Zeit des Nationalsozialismus. Regensburg Schnell & Steiner 1999 vor, Herausgeber ist wiederum Archivleiter Peter Pfister.

„Ich hatte mir ihre Geschichte anders vorgestellt“ – Artikel im Jahresbericht des Freisinger Camerloher Gymnasiums

„Ich fand die Recherche über Renny und ihr Leben sehr spannend, weil ich mir ihre Geschichte anders vorgestellt hatte.“, schreibt Henriette Schulze über ihre Erfahrungen im W-Seminar „Biografien von Dachau-Häftlingen und in der NS-Zeit repressierten Lehrern“. Der Artikel wurde im Jahresbericht 2013/2014 des Camerloher Gymnasiums veröffentlicht.
Henriette Schulze berichtet über ihre Recherche zur Biografie der holländischen Widerstandskämpferin Renny van Ommen. Die Recherche umfasste nicht nur Archivarbeiten: Für ein Interview mit einem der Söhne Renny van Ommens, Jan van Ommen, fuhr die W-Seminar-Teilnehmerin nach Hamburg. Ihre Arbeit am Gedächtnisblatt führte sie bis nach Holland, hier erhielt sie Unterstützung durch Jos Sinnema. Sie schreibt: „Er besuchte für mich Archive in Amsterdam und prüfte, ob verwendbare Dokumente vorlagen oder nicht. Er führte mich auch durch die KZ-Gedenkstätte Herzogenbusch (Vught) und gab mir Tipps, wie ich meinen Urlaub in Amsterdam mit geschichtlicher Recherche wie den Besuch des Widerstandsmuseums kombinieren konnte.“
Was hat Henriette Schulze besonders beeindruckt? Sie schreibt: „Für den Zusammenhalt der Frauen war wohl auch die Religion verantwortlich, sie spielte aber vor allem für Renny eine große Rolle für die Bewältigung der Hafterfahrungen. Da ich selbst den Ethikunterricht besuche und keiner Religion angehöre, fand ich gerade diesen Aspekt sehr interessant.“

Den gesamten Artikel bitte bei Interesse per Mail anfordern bei irene.stuiber@googlemail.com.

 

Lynn Williams über ihren Freiwilligendienst im Gedächtnisbuch-Team: I am grateful that I can remain involved in the future

 

Lynn Williams, deren ASF-Freiwilligendienst in Dachau jetzt endet, war so nett, uns einige Zeilen zu ihrer Mitarbeit im Gedächtnisbuchprojekt zu schreiben. Die deutsche Übersetzung findet sich im Anschluss an den englischen Text. Danke, Lynn!

I arrived in Dachau in September, 2012, to begin my service as a volunteer with Action Reconciliation Service for Peace.  Part of my assignment was to work with the “Remembrance Book Project” and the companion exhibition, “Names Instead of Numbers.”  I had no idea about what this would entail.

Under the leadership of Sabine Gerhardus, I soon found out.  A new group of students was just beginning to explore biographical research.  I learned right along side of them at the seminars which Frau Gerhardus held concerning archival research, interview techniques, writing strategies and page design.  I am happy to report that I have also been able to write the biography of a former prisoner.  I am beginning to work on a second biography, which I will complete when I go home to Milwaukee, WI, in August, 2014.

I also gained experience in scheduling exhibitions of “Names Instead of Numbers” in North America.  I will continue to support this when I go home by making sure that the exhibit is kept in good condition and gets from location to location in a timely manner.

I am grateful that I had the opportunity to be a part of this project, and that I can remain involved in the future.

 

Im September 2012 kam ich in Dachau an, um meinen Freiwilligendienst bei der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste zu beginnen. Zu meinen Aufgaben gehörte die Mitarbeit am Gedächtnisbuch und bei der begleitenden Ausstellung „Namen statt Nummern“. Ich hatte keine Ahnung, worum es genau ging.

Unter der Leitung von Sabine Gerhardus fand ich das schnell heraus. Gerade begann eine neue Gruppe von Studenten mit ihrer biographischen Recherche. Ich lernte zusammen mit ihnen in den Seminaren von Frau Gerhardus Archivrecherche, Interviewtechniken, Schreibstrategien und Layout. Mich freut es, berichten zu können, dass ich auch eine Biographie eines ehemaligen Dachau-Häftlings geschrieben habe. Gerade beginne ich mit einer zweiten Biographie, die ich daheim in Milwaukee, Wisconsin, im August des Jahres fertigstellen werde.

Ich konnte auch Erfahrungen mit der Durchführung der Ausstellung „Namen statt Nummern“  in Nordamerika sammeln. Diese Ausstellung kann ich daheim weiter unterstützen, in dem ich dafür sorge, dass sie gut erhalten und rechtzeitig zum nächsten Ausstellungsort kommt.

Ich bin dankbar, dass ich Teil dieses Projekts sein durfte und freue mich, dass ich auch in Zukunft weiter mitmachen kann.

 

 

(Foto: BLLV)

 

Wer macht was? Erstes Arbeitstreffen im Grafinger W-Seminar

Schon ziemlich zur Sache ging es am 17. Juli  bei einem Arbeitstreffen mit den Schülerinnen und Schülern aus Grafing, die das W-Seminar Gedächtnisbuch ab dem kommenden Schuljahr belegen wollen. Die Schüler hatten Gelegenheit, ihre Erwartungen und Interessen zu schildern, damit ihnen am Anfang des Seminars passende Biographie-Projekte vorgelegt werden können. Diese Projekte betreffen dann entweder das Gedächtnisbuch für Dachauer Häftlinge oder das BLLV-Projekt „Jüdische Lehrer und Lehrerinnen in Bayern“. Sabine Gerhardus, Projektleiterin, meint: „Wenn das Interesse an der Person gegeben ist, schaffen das die meisten gut!“

 

 

(Foto: BLLV)

 

Unterzeichnung des BLLV-Gedächtnisblatts für Friedrich Reuß

Am 19. Juli wurde das BLLV- Gedächtnisblatt für Friedrich Reuß in München unterzeichnet. Mit dabei waren die Verfasserin des Gedächtnisblatts aus Bamberg, Christina Ther, ihre Mutter und die Enkel des politisch verfolgten Lehrers Friedrich Reuß. Christina Ther hatte die Biographie im Rahmen eines W-Seminars in Bamberg verfasst.

Sabine Gerhardus, Projektleiterin des Gedächtnisbuchs, schreibt dazu: Es war ein schöner Abschluss für alle Beteiligten nach einer sehr engagierten und aufwändigen Recherche zu einer ganz ungewöhnlichen Biographie. Reuß war ein intellektueller Freigeist, christlich, mit einer jüdisch-russischen Frau verheiratet, der in Bamberg in den 1920er Jahren philosophische Gesprächskreise veranstaltete und sich für die russische Kultur und Sprache interessierte. Das und seine familiären Verhältnisse waren für die Nazis Grund genug für eine Inhaftierung bereits 1933. Reuß floh anschließend mit Frau und Kind über Berlin nach Moskau, wo er wenige Jahre später aus ungeklärten Umständen starb. Seine Frau starb in der Verbannung, die Tochter kam als Flüchtling mit ihrer Familie wieder zurück nach München, wo die Enkel heute noch leben.

 

V.r.n.l.: Jan Kwiatkowski, Anne Katrin Scheffbuch, Klaus Schultz, Lynn Williams

ASF-Freiwillige berichten über ihre Erfahrungen im Team des Gedächtnisbuchs

Anne Katrin Scheffbuch, Koordinatorin des Deutschlandprogramms von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF),  besucht zum ersten Mal die Einsatzorte der Freiwilligen in Dachau, hier im Büro des Gedächtnisbuch-Projekts beim Dachauer Forum. Im Gespräch mit Lynn Williams, USA, und Jan Kwiatkowski, Polen, der Projektleiterin des Gedächtnisbuch-Projekts Sabine Gerhardus (nicht im Bild) und dem Diakon der Evangelischen Versöhnungskirche, Klaus Schultz, geht es darum, die Erfahrungen der Freiwilligeneinsätze auszuwerten. (SG)