W-Seminar Grafing: Werkstattordner und Vorschlagslisten

Die Ausgabe von Werkstattordnern stand auf dem Programm des Grafinger W-Seminars am 2. Oktober 2014. Der spannendste Programmpunkt waren aber die Vorschlagslisten: Aus einer Namensliste mit kurzen biographischen Stichworten können die Schüler nun die Person wählen, der sie sich in ihrer Seminararbeit und ihrem Gedächtnisblatt biographisch-forschend nähern wollen. Zur Auswahl stehen jüdische Lehrerinnen und Lehrer für das BLLV-Projekt und Personen, die während der NS-Zeit im KZ Dachau inhaftiert waren.

Gedächtnisbuch-Ausstellungen am Petersberg

 

Im Oktober sind die Ausstellungen „Namen statt Nummern“, „Geistliche im KZ Dachau“ und „Das Lager und der Landkreis Dachau“ in der Katholischen Landvolkshochschule Petersberg zu sehen. Zur Ausstellungseröffnung am 1. Oktober sprachen Projektleiterin Sabine Gerhardus und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler. Die Tafeln der Ausstellung hängen verteilt in den Tagungshäusern der Volkshochschule.

(Fotos MB/KS)

 

Ausstellungen im Dreierpack

Im Oktober zeigt die Katholische Landvolkshochschule Petersberg alle drei Ausstellungen rund ums Gedächtnisbuch. Zu sehen sind die 25 Banner der Ausstellung „Namen statt Nummern“ sowie die Ausstellungen „Geistliche im KZ Dachau“ und „Das Lager und der Landkreis Dachau“.

Am 1. Oktober wird die Ausstellung mit einer Veranstaltung eröffnet: Um 18.00 Uhr findet eine Vesper in der romanischen Basilika statt, anschließend wird Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler gegen 18.30 Uhr im Bischof-Neuhäusler-Saal im Unteren Haus eine kurze Einführung in die Ausstellung geben.

Wer an der Veranstaltung am 1. Oktober teilnehmen will, wird gebeten, sich unter der Mailadresse klvh@der-petersberg.de anzumelden.

 

 

Bericht von Gijs Berendse in KLEIO

Holländischer Projektteilnehmer berichtet in Magazin für Geschichtslehrer

KLEIO, eine niederländische Zeitschrift für Geschichtslehrer, hat in ihrer Septemberausgabe den Erfahrungsbericht eines holländischen Teilnehmers am Gedächtnisbuch, Gijs Berendse, veröffentlicht. Zusammen mit einer weiteren Facharbeit wurde die Arbeit von Gijs von der Zeitschrift damit als besonders herausragend gewürdigt. Hier eine deutsche Übersetzung seines Berichts.

Die Geschichte hinter der Nummer

Mit meiner Facharbeit habe ich einen Beitrag geleistet für das Gedächtnisbuchprojekt ‘Namen statt Nummern’ in Dachau. Im Rahmen dieses Projektes schreiben Schüler Kurzbiographien über ehemalige Häftlinge, die in diesem Konzentrationslager waren. Nach einem Interview-Workshop führt man selbstständig ein Interview mit dem ehemaligen Häftling oder seinen Verwandten. Auch sammelt man in Archiven möglichst viele Dokumente, die das Erzählte unterstützen und ergänzen können.

 

Zur Vorbereitung habe ich Primo Levi‘s Buch ‚Ist das ein Mensch’ gelesen. In diesem Buch beschreibt Levi das Leben im KZ und wie Menschen sich unter extremen Umständen verhalten. Ich fand es sehr nützlich, dieses Buch zu lesen, weil Levi die ‚Wir‘-Perspektive nutzt, womit er die ehemaligen Häftlingen meint. Levi schreibt, dass es für die ehemaligen Häftlinge schwierig ist, mit Jugendlichen ins Gespräch zu gehen, aber umso mehr betont er, wie wichtig dies ist. Erst als ich das gelesen habe, wurde mir wirklich klar: Ich werde mit jemanden sprechen, der ähnliche Erfahrungen hat.

Jan van Kuik ist der ehemalige Häftling, über den ich geschrieben habe. Er war über drei Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Majdanek und Natzweiler inhaftiert, bis er letztendlich in Dachau befreit wurde. Am 22. März 1942 wurde er an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz verhaftet. Jan erzählte mir, dass er nach Großbritannien fliehen und sich dort den alliierten  Streitkräften anschließen wollte. Jan war damals achtzehn Jahre alt, genauso alt wie ich jetzt bin. Das ist für mich ein unerquicklicher Gedanke. Die Lebensjahre zwischen 18 und 21 sind ihm für immer genommen worden.

Das Sammeln von Dokumenten in Archiven fand ich eigentlich eine nutzlose Tätigkeit. Journalisten hatten Jans Lebensgeschichte schon mehrmals rekonstruiert und beschrieben. Warum nicht einfach dieses Material als Quelle nutzen? Und wenn noch etwas fehlt, so dachte ich, dann rufe ich Jan an und frage ihn selbst danach. Archive können wenig Neues bringen, so meinte ich. Diese Meinung musste ich aber ändern, als ich Informationen aus einem Archiv in Österreich bekam. Darunter ein Brief, den Jan kurz nach seiner Verhaftung vom Gefängnis aus an seine Mutter geschrieben hatte. Zitat:

„Ich glaube Mutter, dass wir ein halbes Jahr bekommen. […] In etwa einem Monat kommen wir vor Gericht. […] Schreibst du bald? Das ist das einzige, was ich brauche, um die Zeit durchzustehen.“ 

Dieser Brief wurde von den Deutschen nie aufgegeben. Ich konnte lesen, wie Jan sich gleich nach Beginn seiner Haft gefühlt hat. Auch konnte ich den Brief nach mehr als 70 Jahren an die Familie geben. Das war für mich ausschlaggebend: Archivarbeit ist wichtig. An dieser Stelle habe ich dazugelernt.

Jan erklärt sein Überleben meistens aus der Perspektive einer wunderlichen Rettung oder durch ein außerordentliches Zusammentreffen von glücklichen Umständen. Stets betont er, wieviel Glück er in bestimmten Momenten gehabt hat. Nie schreibt er sein Überleben sich selbst zu. Dadurch ist er meiner Ansicht nach äußerst solidarisch mit seinen Freunden, die das KZ nicht überlebt haben.

 

Gijs Berendse, Cartesius Lyceum Amsterdam
(Übersetzung von Jos Sinnema)
V.l.n.r.: Sabine Gerhardus, Kat Semel und Mayya Bakulina

Die Neuen sind da! – Mayya und Kat unterstützen ab heute das Gedächtnisbuch

Die neuen ASF-Freiwilligen Mayya Bakulina (23) und Kat Semel (23) unterstützen ab Mitte September 2014 das Gedächtnisbuch-Team. Für beide ist Dachau ein Wunscheinsatzort.
Kat ist Amerikanerin. Die studierte Historikerin hat ihre Bachelor-Arbeit über „Vergangenheitsbewältigung in Berlin nach 1991“ geschrieben. Mayya kommt aus Moskau, hat Sozialwissenschaften studiert und ihre Abschlussarbeit über Personalrekrutierung geschrieben. Wir freuen uns auf ein spannendes Jahr!

„Jedes Mal ist es ein bisschen anders.“ – Interview mit Jan Kwiatkowski, Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen in Dachau

Jan Kwiatkowski hat als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ein Jahr lang ein bis drei Tage in der Woche am Gedächtnisbuchprojekt mitgearbeitet. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörte Organisatorisches rund um die Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs. An seinem letzten Arbeitstag Ende August konnte ich Jan einige Fragen zu seiner Tätigkeit im Projekt stellen.

Was gefällt dir am Gedächtnisbuchprojekt?

Es gefällt mir, dass es sich mit individuellen Schicksalen beschäftigt. Und die Arbeit mit der Ausstellung gefällt mir auch. Jedes Mal ist es ein bisschen anders. Zu jeder Ausstellung muss ich überlegen, was genau dieser Aussteller an der Ausstellung interessant finden wird. Es ist nicht langweilig, aber es ist auch eine ruhige, angenehme Arbeit.

Hast du Vorschläge, was man im Projekt anders machen könnte?

Vielleicht wäre es eine Idee, Ansprechpartner in anderen Ländern zu finden. Ich finde, es gibt viele Biographien aus Deutschland und vielleicht aus Frankreich und ganz wenige zum Beispiel aus Polen oder etwa aus dem ehemaligen Jugoslawien. Das sind nur Beispiele. Ein Ansprechpartner vor Ort könnte das ändern.

Du arbeitest selbst an einer Biographie für das Gedächtnisbuch. Kannst du etwas darüber erzählen?

Dieser Mann heißt Czeslaw Kordylewski und ich habe ihn persönlich kennengelernt. Er war damals zu jung, um ein Widerstandskämpfer zu sein. Aber er war ein Pfadfinder, und eine Gruppe Pfadfinder hat ein Radio gebaut, weil es im besetzten Polen verboten war, ein Radio zu haben. Sie haben Radio gehört, die Nachrichten der BBC. Sie haben das aufgeschrieben, was sie gehört haben, und die kopierten Zettel haben sie weitergegeben. Nicht öffentlich, sondern diese Zettel haben sie zum Beispiel in bestimmte Briefkästen gelegt und deswegen wurden sie arrestiert. Czeslaw Kordylewski wurde im April 1941 arrestiert und ist bis zum Ende des Krieges in verschiedenen Konzentrationslagern geblieben. Zuerst Posen, dann das Gefängnis Wronki in der Nähe von Posen, danach wurde er nach Auschwitz geschickt, dann war er zwei Monate in Flossenbürg. Er ist schließlich zwei Jahre in Dachau geblieben. Bis zur Befreiung arbeitete er in der Munitionsfabrik in Augsburg.

Dein Blatt ist noch nicht ganz fertig. Wann wird das soweit sein?

Bis jetzt habe ich ganz viele Materialien gesammelt und ich habe Herrn Kordylewski dreimal interviewt. Ich hoffe, dass ich das Blatt Anfang Oktober abschließen kann. Dann habe ich Zeit dafür.

 

 

 

„Erinnern-erkennen-handeln. Warum beschäftigen wir uns mit der regionalen Geschichte?“ – Einladung zur Veranstaltung

Unter dem Titel

Erinnern-erkennen-handeln
Warum beschäftigen wir uns mit der regionalen Geschichte?
wird Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler auf der Veranstaltung des Dachauer Forums am
Dienstag, den 9.9.2014, um 19.30 Uhr
 
im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau, Augsburgerstr. 23,ein etwa 20minütiges Impulsreferat halten und anschließend drei Thesen zur Diskussion stellen.

Für die Teilnehmer der Veranstaltung gibt es außer einer hoffentlich anregenden Diskussion das neue Programmheft des Dachauer Forums und ein Glas Sekt. Die Eintrittsgebühr beträgt 9 Euro.
Das Dachauer Forum ist einer der Träger des Gedächtnisbuchs, das Thema der Veranstaltung betrifft ein Grundanliegen des Projekts.
 

 

 

 

„Kaum vorzustellen, was hier geschehen ist!” – Zehn holländische Schüler starten ihre Recherche für das Gedächtnisbuch

Am Sonntag, dem 31. August, besuchten zehn holländische Schüler die KZ Gedenkstätte Vught. Damit begannen die Recherchen für fünf neue Gedächtnisblätter über Holländer, die im KZ Dachau waren. März 2015 sollen die neuen Gedächtnisblätter fertig sein. Wenn alles läuft wie geplant, werden sie bei der jährlichen Veranstaltung am 22. März in das Gedächtnisbuch in Dachau aufgenommen. Ein Überlebender, über den die Schüler schreiben, hat bereits angekündigt, dass er gerne zur Veranstaltung mitfahren möchte.

Vier von den fünf ehemaligen Häftlingen, über die die Schüler schreiben, sind über Vught (KZ Herzogenbusch) nach Dachau gekommen. Im Het Baarnsch Lyceum schreiben Jeannot und Fedde über den im Niederländisch-Indien geborenen und jetzt hundertjährigen Djajeng Pratomo. Für das Gedächtnisblatt von Lies Buenick werden Tess und Jurre ein Interview mit seiner Tochter führen. Lies Buenick kam von Vught über Ravensbrück ins Dachauer Außenlager Agfa Kamerawerk und ist 2009 verstorben. Im Rotterdamer Emmauscollege arbeiten Valerie und Thijs an einem Gedächtnisblatt über den jetzt 89-jährigen Dingenis Sinke, der im Natzweiler Außenlager Markich war und im Dachauer Außenlager Allach befreit wurde. Joshua und Hannah, Schüler des Cartesius Lyceums in Amsterdam, schreiben über Nico Peeters. Dafür werden sie ein Interview mit seiner jetzt 91-jährigen Tochter führen, die mit ihrem Vater im kommunistischen Widerstand war. Nico Peeters ist nicht mehr heimgekommen, er starb Februar 1945 in Dachau. Der einzige, der nicht in Vught war, ist Henk van de Water, über den Ischa und Jelle schreiben. Der heute 90-jährige war als Zwangsarbeiter in Deutschland und kam wegen Flucht und Sabotage ins KZ Dachau.

In Vught haben die Schüler eine Führung durch die Gedenkstätte und eine Führung über das ehemalige SS Gelände mitgemacht. Die Gebäude im ehemaligen SS-Bereich werden heutzutage als Kasernen benutzt. Außerdem gibt es auf dem ehemaligen KZ-Gelände ein Wohnviertel und ein modernes Gefängnis. „Das macht es noch schwieriger, sich vorzustellen, was sich hier alles abgespielt hat und was Herr Sinke hier erleben musste.“, sagte Valerie. „Aber dieser Besuch hat mich auch neugierig gemacht auf das Interview mit ihm. Wir werden jetzt bestimmt mehr von dem verstehen, was er uns erzählen wird.“

(Text: Jos Sinnema)

 

Recherchieren in München: Das erzbischöfliche Archiv

Ins Archiv des Erzbistums München und Freising führte mich heute die Endredaktion des Gedächtnisblattes zu dem in Altomünster geborenen Pfarrer Johann Baptist Neumair. Der stellvertretende Leiter Michael Volpert hat mich dort sehr kompetent und sehr nett beraten – herzlichen Dank dafür!

Für Gedächtnisblätter relevant sind häufig Personalakten des Erzbistums, die das Archiv verwahrt. Ein weiterer hochinteressanter Bestand: Zu Kriegsende gab es eine Umfrage in den Pfarreien zur Verfolgung Geistlicher während der NS-Zeit.

Eine weitere Umfrage betraf die Geschehnisse in den Pfarreien zu Kriegsende. Sie liegt gedruckt vor und wurde von Archivleiter Peter Pfister herausgegeben:  Das Ende des Zweiten Weltkriegs im
Erzbistum München und Freising. 2 Bände, Regensburg Schnell & Steiner, 2005
(=Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising; Bd.8). 
Ebenfalls gedruckt liegt die Publikation Blutzeugen der Erzdiözese München und Freising – Die Märtyrer des Erzbistums München und Freising in der Zeit des Nationalsozialismus. Regensburg Schnell & Steiner 1999 vor, Herausgeber ist wiederum Archivleiter Peter Pfister.