Spuren suchen – Berichte aus dem Treuchtlinger W-Seminar

Khrystyna Maksymljuk, ASF-Freiwillige im Gedächtnisbuch, berichtet für uns über das W-Seminar am Gymnasium der Senefelder-Gesamtschule, Treuchtlingen. Hier ihre Berichte über die beiden letzten Workshops.

Am 21. Oktober 2025 setzte das W-Seminar am Gymnasium der Senefelder-Gesamtschule in Treuchtlingen seine Arbeit im Rahmen des Projekts „Namen statt Nummern“ fort. Die Projektleiterin des Gedächtnisbuchs, Sabine Gerhardus, war zu Gast und besprach mit den Schülerinnen und Schülern den Zeitplan sowie die nächsten Schritte in der Forschungsarbeit.

Gemeinsam ging die Gruppe der Frage nach, was es bedeutet, Spuren eines Lebens zu suchen. In einer lebhaften Diskussion wurden Fragen gestellt wie: „Wie findet man Hinweise auf das Leben einer Person?“, „Welche Details können auf jemanden hinweisen?“ oder „Wo lassen sich heute noch Dokumente entdecken?“ Dabei zeigte sich, dass historische Forschung oft mit kleinen Details beginnt – einer alten Adresse, einem Eintrag in einem Register oder einem vergilbten Foto –, die den Zugang zu einer ganzen Lebensgeschichte eröffnen können.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Bedeutung des historischen Kontexts. Die Schülerinnen und Schüler erkannten, dass Fakten allein nicht genügen: Jede Biografie muss in die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Umstände der damaligen Zeit eingebettet werden. Nur so kann das Erinnern den Menschen gerecht werden, deren Spuren sie heute erforschen.

So geht das Seminar mit neuem Wissen und Motivation weiter. Jede und jeder Teilnehmende schlüpft in die Rolle eines Historikers oder einer Historikerin, fügt Puzzleteile zusammen und gibt vergessenen Menschen wieder eine Stimme.

 

Geschichte verstehen – Das W-Seminar erforscht historische Methoden

Am 11. November 2025 machte das W-Seminar am Gymnasium der Senefelder-Gesamtschule in Treuchtlingen weiter im Projekt „Namen statt Nummern“. Sabine Gerhardus sprach mit den Schülerinnen und Schülern über die nächsten Schritte ihrer Forschungsarbeit. Im Mittelpunkt stand diesmal die Bedeutung, den historischen Hintergrund jener Zeit zu verstehen – die gesellschaftlichen, politischen und behördlichen Strukturen, die das Leben der Menschen im Nationalsozialismus prägten.

Sabine Gerhardus regte die Teilnehmenden an, Hypothesen zu entwickeln und Ideen zu sammeln, wie sich Spuren zu den zu erforschenden Personen finden lassen.

Ein zentrales Thema war das Provenienzprinzip: Also die Frage, bei welcher Behörde ein Vorgang aktenkundig geworden sein könnte und auf welcher Verwaltungsebene. Gemeinsam überlegten die Schülerinnen und Schüler, ob Dokumente auf kommunaler, regionaler oder staatlicher Ebene entstanden sein könnten. Dieses Verständnis hilft ihnen, historische Quellen besser einzuordnen und die Entstehung von Akten nachzuvollziehen.

Abschließend sprachen sie über die verschiedenen Arten von Archiven und darüber, wie man das jeweils zuständige Archiv ermittelt – vom Stadt- oder Staatsarchiv bis hin zu kirchlichen oder militärischen Archiven. Schritt für Schritt lernen die Schülerinnen und Schüler so nicht nur die praktischen Methoden historischer Forschung kennen, sondern auch, wie man Historikerinnen und Historiker denken: fragend, verknüpfend und rekonstruktiv – um den Spuren der Vergangenheit neues Leben zu verleihen.

(12.11.2025; Khrystyna Maksymljuk)

Gedenkstättenfahrt nach Wittenberg, zur Lichtenburg und nach Torgau

Von Wittenberg aus führte die diesjährige Gedenkstättenexkursion zur KZ-Gedenkstätte Lichtenburg und nach Torgau. Veranstaltet wurde die Fahrt von den Trägern des Gedächtnisbuchs Dachauer Forum, Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau, Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und Lagergemeinschaft Dachau sowie der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Die alten Gemäuer der Lichtenburg haben eine lange Geschichte hinter sich. Sie wurde in der Renaissance als Schloss erbaut und diente später ab 1812 bis 1928 als Strafanstalt, zunächst als sächsisches, nach dem Wiener Kongress als preussisches Gefängnis.

In der Nazizeit gehörte die Lichtenburg zu den frühen KZs, bereits ab Juli 1933 brachten die Nationalsozialisten hier männliche Schutzhäftlinge unter. Das KZ für Männer wurde schließlich aufgelöst, die letzten männlichen Gefangenen brachten die Nazis im August 1936 in das KZ Buchenwald. Aus der Lichtenburg wurde ein Frauen-KZ, dessen Insassinnen deportierte die SS 1939 nach Ravensbrück. Im Anschluss daran diente das Schloss Lichtenburg als SS-Versorgungslager und SS-Hauptzeugamt. Von September 1941 bis zum Kriegsende existierte im Schloss ein KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen.

Ein Teil des großen Gebäudekomplexes ist  zur KZ-Gedenkstätte umgebaut worden. Weite Teile der Anlage stehen leer, werden gerade renoviert oder städtisch genutzt und waren den Exkursionsteilnehmern nicht zugänglich. Die Lichtenburg verblüffte durch ihre schiere Größe und die baulichen Spuren aus fünf Jahrhunderten.

 

Torgau

Amerikanische und sowjetische Soldaten reichten sich Ende April 1945 auf einer zerstörten Brücke bei Torgau auf der Elbe die Hand. Dieses Foto ging um die Welt – und die Geschichte hinter dem Bild erfuhren die Teilnehmer der Gedenkstättenfahrt am sowjetischen Mahnmal an der Elbe. Tatsächlich war Torgau nicht der Ort, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten zum ersten Mal aufeinandertrafen. Und das Foto wurde am 26. April 1945 gestellt, einem Tag nach dem Zusammentreffen der Soldaten in Torgau. Es wurde trotzdem zu einem weltberühmten ikonographischen Bild.

Vor der modernen Justizvollzugsanstalt Torgau im Fort Zinna stehen große Tafeln, die an das grausame Wirken der Wehrmachtsjustiz an diesem Ort erinnern. Genaueres über die historischen Vorgänge in der NS-Zeit erläuterte dann die Ausstellung „Mut und Ohnmacht“ im Schloss Hartenfels in der Stadt Torgau.

Die Ausstellung nimmt sowohl Opfer wie auch Täter in den Blick und zeigt auch manche ungebrochene Nachkriegskarriere eines Nazirichters. Ein weiterer Teil der Ausstellung beleuchtet das sowjetische Speziallager in Torgau ab 1945 bzw. die Umerziehungsjustiz der DDR, die an diesem Ort auch Jugendliche betraf.

 

Wittenberg

Am Unterkunftsort Wittenberg stand eine Stadtführung durch die malerische, allerdings jahreszeitlich bedingt etwas leere Altstadt auf dem Programm. Ein Nachmittag stand zur freien Verfügung. Die meisten Teilnehmenden nutzten diese Zeit, um Schlosskirche, Stadtkirche und Museen der Lutherstadt Wittenberg von innen zu sehen.

Ausdrücklich inbegriffen in die Stadtführung war die Darstellung der Judensau aus dem Jahr 1290 an der Stadtkirche samt Erläuterungstafel und modernem Mahnmal. Die Teilnehmenden der Gedenkstättenfahrt besuchten eine öffentliche Abendveranstaltung, die der Problematik der Judensaudarstellungen allgemein und speziell in Wittenberg auf den Grund ging.

 

Trauer um Brigitte Fiedler

Brigitte Fiedler nahm regelmäßig an Gedenkstättenfahrten teil, auch dieses Jahr wollte sie wieder mitfahren. Ihr Tod am 8. Oktober 2025 hat eine schmerzhafte Lücke in den Kreis der Exkursionsteilnehmer gerissen. Häufig wandten sich Gespräche und Gedanken ihr zu. Wir vermissen sie.

(3.11.2025; Irene Stuiber)

9. November: Erinnerung an die Opfer der Novemberpogrome

Am 9. November 2025 um 11 Uhr findet in der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt. Erinnert wird an Julius Kohn (1886-1943), der in Dachau wohnte, an Abraham Müller (1883-1938) und an Erwin Schild (1920-2024). Zu den beiden letztgenannten liegen Gedächtnisblätter vor.

Ausführliche Informationen zur Gedenkveranstaltung finden sich im Veranstaltungskalender rechts auf dieser Website bzw. auf der Website der Versöhnungskirche:
https://www.versoehnungskirche-dachau.de/gottesdienste

Hier geht es zu den Gedächtnisblättern:

Abraham Müller
Erwin Schild

(19.10.2025; Foto: Lisa Mainz, Ausschnitt, entnommen dem Gedächtnisblatt zu Abraham Müller; IS)

Neues W-Seminar „Namen statt Nummern“ startet in Treuchtlingen

Am 8. Oktober 2025 begann am Gymnasium der Senefelder-Gesamtschule in Treuchtlingen das neue W-Seminar des Gedächtnisbuchs. Neun Schüler*innen aus Treuchtlingen und der Umgebung nehmen am Projekt „Namen statt Nummern“ teil.

Im Laufe des Seminars erforschen die Schüler*innen Biografien von Opfern des Nationalsozialismus für das Gedächtnisbuch erforschen und dokumentieren sie. Begleitet wird das Seminar von Religionslehrerin Christine Venter und Deutschlehrerin Sigrid Meyer.

Zum Auftakt lud Sabine Gerhardus, Projektleiterin des Gedächtnisbuchs, zu einer Vorstellungsrunde. In einem offenen Gespräch diskutierten die Teilnehmenden ihre Beweggründe für die Teilnahme, ihre Erwartungen und auch persönliche Familiengeschichten rund um den Zweiten Weltkrieg. Schnell wurde deutlich: Dieses Seminar ist weit mehr als nur ein Schulprojekt – es ist eine persönliche Auseinandersetzung mit Geschichte und Erinnerung.

Viele Schülerinnen und Schüler erklärten, sie wollten sich mit dem Thema befassen, weil sie mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus und über Einzelschicksale erfahren wollen. Sie möchten den Opfern ihre Identität, ihr Gesicht und ihre Würde zurückgeben – aus anonymen Zahlen wieder Menschen machen. Andere reizt die kreative und forschende Arbeit in Archiven sowie die Möglichkeit, zu einem bewussteren Umgang mit der Vergangenheit beizutragen.

Mit ihrer Teilnahme an „Namen statt Nummern“ setzen die Jugendlichen ein Zeichen gegen das Vergessen.

Wir wünschen allen Teilnehmern einen guten Start und ein interessantes Seminar!

(12.10.25; Khrystyna Maksymljuk)

„Erinnerung ist eine gemeinsame Verantwortung“

Khrystyna Maksymljuk aus der Ukraine ist die neue Freiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste im Team der Versöhnungskirche. Sie wird das Gedächtnisbuch bis zum nächsten Sommer unterstützen. Im folgenden Interview stellt sie sich vor.

Khrystyna, du bist schon seit einigen Wochen in Dachau. Hast du dich schon ein bisschen umgeschaut?

Ich habe die Stadt ein bisschen erkundet. Ich weiß, dass viele berühmte Leute hier waren, viele Künstlerinnen und Künstler. Und die Geschichte insgesamt ist auch interessant.

Du sprichst sehr gut Deutsch.

Ich verstehe Deutsch besser, als ich es sprechen kann. Aber die Leute hier sind sehr geduldig und hilfsbereit und sie helfen mir, mein Deutsch zu verbessern. Ich muss Deutsch üben und viel sprechen.

Darf ich fragen, wie alt du bist?

Ich bin 21.

Wieso hast du dich für Dachau entschieden?

Ich mache das bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Sie waren sehr nett. Und ASF arbeitet mit der Versöhnungskirche in Dachau zusammen.

Für mich als Ukrainerin hat dieses Projekt eine besondere Bedeutung. Meine Heimat steht unter Angriff, und wir erleben erneut, wie Hass und Gewalt versuchen, Leben zu zerstören und Identität auszulöschen. Darum ist Erinnerung so wichtig: weil Vergessen Unrecht zurückkehren lässt. Hier lerne ich, wie Erinnerung in Handeln verwandelt werden kann – in Bildung, in Solidarität und in den Mut, die Würde des Menschen zu verteidigen.

Ich bin hier, weil ich glaube, dass Erinnern bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für die Vergangenheit, für die Gegenwart und für die Zukunft. Erinnerung ist eine gemeinsame Verantwortung. Keine Nation kann sie allein tragen; sie gehört uns allen. Und nur wenn wir gemeinsam handeln, können wir die Opfer der Vergangenheit wirklich ehren und die Lebenden in der Gegenwart schützen.

Was erhoffst du dir von dem Jahr in Dachau?

Ich hoffe, dass ich mit diesem Projekt nicht nur zum Erhalt dieser Gedenkstätte beitragen kann, sondern auch lerne, über Erinnerungen zu sprechen, sie mit anderen zu teilen und sie in Taten umzusetzen. Diese Erfahrung wird mir für meine zukünftige Arbeit in der Ukraine von Nutzen sein.

Was hast du direkt nach der Schule gemacht?

Ich habe Englisch-Ukrainisches Übersetzen und Dolmetschen an der Nationale Universität Lwiw „Iwan Franko“ in Lemberg studiert.

Ist Lemberg weit weg von deinem Heimatort?

Meine Familie wohnt im Ternopil-Gebiet. Lemberg ist ungefähr 140 Kilometer entfernt.

Ich wünsche dir ein schönes und interessantes Jahr in Dachau!

(7.10.25; IS)

Erinnerungskultur zwischen Fußball und Geschichte – Reise nach Litauen

Jakob von Borries nimmt am W-Seminar des Gedächtnisbuchs am Münchner Theodolinden-Gymnasiums teil. Inhaltlich eng damit verbunden war seine Ferienreise zu Erinnerungsorten in Litauen, von der er uns im Folgenden berichtet.

„Als Teilnehmer des W-Seminars „Namen statt Nummern“ beschäftige ich mich intensiv mit Erinnerungskultur. Meine Leidenschaft für den FC Bayern verbinde ich dabei direkt mit dem Gedächtnisblatt, an dem ich zurzeit arbeite. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ich die Gelegenheit hatte, an einer Gedenkreise nach Kaunas und Vilnius teilzunehmen – organisiert vom Fanprojekt München.

Unsere Reisegruppe bestand aus 20 Bayern-Fans verschiedensten Alters. Fünf Tage lang erkundeten wir Litauen: Wir besuchten Museen, Gedenkstätten und ehemalige Ghettos, tauschten uns in Reflexionsrunden aus und setzten uns intensiv mit den historischen Orten auseinander.

Warum gerade Kaunas?

In der Tötungsanstalt IX. Fort bei Kaunas wurden über 1000 Münchnerinnen und Münchner ermordet, die 1941 dorthin deportiert worden waren. Unter ihnen befanden sich auch Mitglieder des FC Bayern. Ihrer zu gedenken, machte die Reise für mich besonders bedeutsam.

Neben der Auseinandersetzung mit der schweren Geschichte Litauens habe ich auch das Land selbst sehr positiv erlebt: Die Menschen waren herzlich, offen und interessiert. Für mich war diese Reise nicht nur historisch lehrreich, sondern auch persönlich wertvoll – und ich kann einen Besuch in Litauen, egal in welchem Kontext, nur wärmstens empfehlen.“

(18.9.25; Jakob von Borries/IS)

 

Neue Aufgaben, neues Wissen und viele interessante Begegnungen

Marine, seit September 2025 Freiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Versöhnungskirche und im Gedächtnisbuch, verabschiedet sich mit einem ausführlichen Bericht über ihr Freiwilligenjahr. Den Text gibt es auf Deutsch und auf Französisch.

Meinen Freiwilligendienst bei der Versöhnungskirche und dem Gedächtnisbuch/Dachauer Forum habe ich als eine bereichernde Erfahrung erlebt. Ich habe inhaltlich und persönlich viel gelernt.

Durch die Recherche in verschiedenen Archiven für die Biografie von Justin Blanc konnte ich den Ablauf seines Lebens rekonstruieren und nachvollziehen. Dabei habe ich leidenschaftliche Menschen in Deutschland und Frankreich kennengelernt, die sich – freiwillig oder beruflich – für die Erinnerungskultur engagieren, um der Opfer zu gedenken.

Die inhaltliche und menschliche Unterstützung von Catherine und Joël Tallent ermöglichte mir, bedeutende Orte der Résistance zu besichtigen, spannende Erzählungen zu hören und sowohl den Historiker Jean-Marie Guillon als auch den Leiter der Datenbank Opération Dragoon kennenzulernen.

In einem weiteren Sinne bin ich dankbar für alle neuen Begegnungen in diesem Jahr – sowohl im Rahmen der Biografiearbeit als auch bei Konferenzen, Gedenkzeremonien und Feierlichkeiten. Besonders die Teilnahme an der 80-jährigen Befreiungsfeier war für mich eine lehrreiche Erfahrung: Ich konnte neue Aufgaben übernehmen, vor allem in der Betreuung von Gästen, Überlebenden und Besuchern. Durch den direkten Kontakt zu den Mitarbeitenden der Gedenkstätte, mit denen ich in einer offenen und flachen Hierarchie zusammenarbeiten durfte, habe ich viele Einblicke in die interne Verwaltungsarbeit und Kooperation gewonnen. Auf akademischer Ebene war der Freiwilligendienst ein wertvoller Rahmen, um die Entwicklung hin zur nationalsozialistischen Herrschaft und deren Verhaftungssystem besser zu verstehen.

Neben der Ausbildung zur Referentin, die ich in den ersten sechs Monaten besucht habe, sowie der Arbeit mit den Ausstellungen der Versöhnungskirche auf der Gedenkstätte konnte ich mein Wissen durch weitere Besuche vertiefen – etwa bei der Ausstellung der Weißen Rose im Münchner Justizpalast, im NS-Dokumentationszentrum München, im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg sowie in den Gedenkstätten Flossenbürg, Auschwitz I und II und am Obersalzberg. All diese Eindrücke haben meine Kenntnisse ergänzt und mir geholfen zu verstehen, wie die damalige Gesellschaft gleichgeschaltet wurde und wie das Recht als offizielles, legales Instrument von den Nationalsozialisten missbraucht wurde.

Besonders die persönliche Begegnung mit Besuchern hat meinen Blick erweitert, vor allem zu Themen, die ich vorher kaum kannte und über die ich mich weiter informiert habe (z. B. Kriegsrecht, Kirchenpolitik, juristische Mittel zur Verfolgung von Sinti und Roma, Illegalität der Homosexualität in der Weimarer Republik, Vorbeugungshaft usw.). All dies half mir, das Thema zu entmystifizieren und es in einer rationaleren Weise zu betrachten. Mir wurde immer klarer, wie schnell und einfach durch legale Mittel und institutionelle Kooperation eine Demokratie in ein autoritäres System umschlagen kann.

Ich bin allen Mitarbeitern der Versöhnungskirche und des Gedächtnisbuchs/Dachauer Forums dankbar, die es mir ermöglicht haben, diese Erfahrungen zu machen. Ich danke ihnen für ihre Geduld, ihre Hilfsbereitschaft und ihre Sympathie. Ein besonderer Dank gilt ASF für die Unterstützung während des ganzen Jahres.

Version française

Mon expérience en tant que volontaire à l’Église de la Réconciliation et au Forum de Dachau fut cette année enrichissante. J’y ai beaucoup appris, tant sur le plan académique et professionnel que sur le plan personnel.

Grâce aux recherches dans diverses archives pour la biographie de Justin Blanc, j’ai pu reconstituer et comprendre son parcours. Ce faisant, j’ai rencontré des personnes passionnées en Allemagne et en France, engagées – bénévolement ou professionnellement – dans le travail de mémoire et la commémoration des victimes. Le soutien de Catherine et Joël Tallent m’a permis de visiter des sites marquants de la Résistance sur le canton de Fayence, d’entendre des anecdotes passionnantes et de rencontrer l’historien Jean-Marie Guillon et le responsable de la base de données de l’Opération Dragoon.

Plus largement, je suis reconnaissante pour toutes les nouvelles rencontres faites cette année, tant dans le cadre du travail biographique que lors de conférences, de cérémonies commémoratives et de célébrations organisées par l’Eglise, le Forum et le Mémorial. Participer au 80e anniversaire de la Libération a été une expérience particulièrement enrichissante pour moi : j’ai pu assumer de nouvelles responsabilités, notamment dans l’accompagnement des invités, des survivants et des visiteurs. Grâce au contact direct avec le personnel du mémorial, j’ai acquis une connaissance approfondie du fonctionnement administratif interne. Sur le plan académique, le Service civique m’a fourni un cadre précieux pour mieux comprendre l’évolution du régime nazi et de son système d’arrestation.

Outre la formation suivie au cours des six premiers mois et la participation aux événements du mémorial, j’ai pu approfondir mes connaissances lors de visites complémentaires, notamment à l’exposition de la Rose Blanche au Palais de justice de Munich, au Centre de documentation de l’histoire du national-socialisme de Munich, au Centre de documentation du parti nazi à Nuremberg, ainsi qu’aux mémoriaux de Flossenbürg, d’Auschwitz I et II et d’Obersalzberg.

Toutes ces impressions ont enrichi mes connaissances et m’ont aidé à comprendre comment la société de l’époque s’était conformée et comment la loi, en tant qu’instrument juridique officiel, a pu être détournée par les nationauxsocialistes. Les rencontres personnelles avec les visiteurs, en particulier, ont élargi ma perspective, notamment sur des sujets que je connaissais déjà bien et que j’ai approfondis grâce à leur curiosité (par exemple, les moyens légaux de persécution des gens du voyage, l’illégalité de l’homosexualité sous la République de Weimar, la détention préventive, la loi martiale et la politique ecclésiastique sous le Reich, etc.). Tout cela m’a aidé à démystifier le sujet et à l’aborder de manière plus rationnelle.

J’ai mieux compris avec quelle rapidité et quelle facilité une démocratie peut basculer vers un système autoritaire par le biais de moyens juridiques et de la coopération institutionnelle.  Je remercie l’ensemble du personnel de l’Église de la Réconciliation et du Forum de Dachau qui ont rendu cette expérience possible. Je les remercie pour leur patience, leur disponibilité et leur sympathie. Un merci tout particulier à Aktion Sühnezeichen Freiwilligendienste pour son soutien tout au long de l’année.

(13.9.25; Marine/IS)

 

Die Erinnerung weitergeben

Noémie Hernandez Bernard verabschiedet sich hier mit einem Text über die wichtigsten Erfahrungen ihres Freiwilligenjahrs, das sie seit September 2024 im Gedächtnisbuch und an der Versöhnungskirche absolviert hat. Wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute!

Mein Name ist Noémie Hernandez Bernard und ich war ein Jahr lang Freiwillige bei ASF in Dachau. Es war die schönste und bereicherndste Erfahrung, die ich bisher gemacht habe, ein Jahr, in dem ich enorm gewachsen bin.

Für mich war es aus mehreren Gründen wichtig, hier zu sein, vor allem wegen der Pflicht zur Erinnerung. Seit langem interessiere ich mich besonders für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Dieser Freiwilligendienst hat es mir ermöglicht, mein Wissen zu vertiefen und gleichzeitig dazu beizutragen, diese Erinnerung weiterzugeben.

Im Laufe dieses Jahres hatte ich das Glück, großartige Menschen aus sehr unterschiedlichen Bereichen kennenzulernen. Durch diesen Austausch habe ich viel gelernt, nicht nur in historischer Hinsicht, sondern auch in menschlicher Hinsicht: zuzuhören, zu kommunizieren und andere zu verstehen.

Unter all meinen Erinnerungen werden mir die Befreiungszeremonie und meine Begegnung mit Jean Lafaurie in Paris, den ich interviewen durfte, wohl am meisten in Erinnerung bleiben. Diese Momente werde ich immer in Erinnerung behalten.

Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei allen bedanken, die mich während dieses Jahres begleitet und unterstützt haben. Ihre Freundlichkeit und Hilfe haben diese Erfahrung noch wertvoller gemacht.

(4.9.25; Noémie Hernandez Bernard/IS)

 

Gedächtnisblatt über Justin Blanc

Die Fertigstellung eines Gedächtnisblatts innerhalb eines Freiwilligenjahrs ist oft ein Wettlauf gegen die Zeit. Immer wieder entstehen Wartezeiten, bis der nächste Schritt getan werden kann. Von Marine gibt es kurz vor ihrer Abreise aus Dachau gute Nachrichten, auf Deutsch und Französisch.

Marine teilt uns mit:
„Die endgültige Version von Justin Blancs Biografie habe im Juli fertiggestellt und gemeinsam mit meiner Betreuerin Sabine Gerhardus korrigiert. Catherine Tallent und Jean-Marie Guillon haben die Biografie außerdem inhaltlich auf Französisch geprüft. Die endgültige Version konnte ich am 26. August 2025 unterschreiben. Sie wird nun in das Gedächtnisbuch integriert.“

Version Française

J’ai terminé la rédaction de la biographie de Justin Blanc en juillet et l’ai corrigée avec ma responsable, Sabine Gerhardus. Catherine Tallent et Jean-Marie Guillon ont également relu la biographie en français. J’ai pu signer la version finale le 26 août 2025 Elle sera désormais incluse dans le Livre commémoratif, Gedächtnisbuch.“

(28.8.25; IS)