Zeitzeugengespräch mit Riccardo Goruppi
Riccardo Goruppi berichtete am 2. November 2018 in einem Zeitzeugengespräch in der Risiera di San Sabba in Triest von dem, was er als Gefangener in deutschen Konzentrationslagern erleiden musste.
Hier geht’s zur italienischen Übersetzung: Dialogo con Riccardo Goruppi
Als Partisan bekämpft der 1927 in Prosecco (Triest) geborene Riccardo Goruppi schon als junger Mann das faschistische und nationalsozialistische Regime. Ende November 1944 werden er und sein Vater denunziert und verhaftet. Im Gefängnis werden sie geschlagen und danach ins Konzentrationslager Dachau deportiert.
Vierzig Tage bleiben beide in Dachau, dann überstellt man sie ins das Außenlager Leonberg des KZ Natzweiler. Unter übelsten Bedingungen und Schikanen fertigen hier Häftlinge im Engelberg-Tunnel die Tragflächen des Messerschmitt Düsenjägers Me 262.
Goruppis Vater stirbt im Februar 1945 an einer Lungenentzündung. Riccardo erkrankt an Typhus. Als das Lager evakuiert wird, müssen die Häftlinge, die in der Lage dazu sind, zu Fuß ins Lager Dachau zurückkehren. Sie müssen mehr als zweihundert Kilometer zu Fuß zurücklegen. Goruppi dagegen wird, wie alle anderen Kranken, mit dem Zug transportiert.
Das Lager Dachau ist überfüllt und Goruppi wird nach Mühldorf und Kaufering gebracht, beides Außenlager des KZ Dachau. Der Hunger der Häftlinge ist unbeschreiblich.
Riccardo wird schließlich wiederum auf einen Zug geladen. Dieser Zug dient als Schutzschild für einen anderen gepanzerten Zug, der an der Front schießt. Die Alliierten nehmen den Häftlingszug unter Maschinengewehrfeuer, ohne zu wissen, dass es in ihm nur unschudige Menschen gibt. Schließlich wird der Zug angehalten und Goruppi kann sich verstecken. Nach einem oder zwei Tagen findet ihn ein amerikanischer Soldat und bringt ihn ins Kloster St. Ottilien.
Als er sich ein bisschen besser fühlt, wird er zu einem DP-Lager nach München begleitet. Dort bekommt er einen Ausweis, mit dem er abreisen kann. Wegen einiger Fehler in den Papieren wird er in Ljubljana angehalten. Hier muss er mehr als zwanzig Tage bleiben. Dann begegnet er einem Bekannten, der ihm hilft. Jetzt kann er endlich nach Triest zurückkehren.
Seine Mutter rät ihm, alles zu vergessen und nicht über seine furchtbare Erlebnisse zu sprechen. Goruppi entscheidet sich aber, seine Geschichte zu erzählen und Zeitzeuge dieser entsetzlichen Ereignisse zu sein. Er will damit der unschuldigen Opfer gedenken und Jugendlichen zeigen, dass Hass nur zu mehr Hass führt. Eine Entscheidung, der er bis heute treu bleibt.
Unterzeichnung des Gedächtnisblatts
Drei ehrenamtliche Autorinnen haben die Lebensgeschichte von Riccardo Goruppi in einem Gedächtnisblatt aufgezeichnet. Zwei von ihnen, Luisa Ferrero-Heinz und Maurizia I. Puglia, waren Teilnehmerinnen der Studienreise nach Triest. Nach dem Zeitzeugengespräch präsentierten sie Goruppi das Gedächtnisblatt zur Unterschrift.
Klaus Schultz, Trägerkreisvertreter der Versöhnungskirche, lädt Riccardo Goruppi zur Präsentation der neuen Gedächtnisblätter am 22. März 2019 nach Dachau ein. Wir freuen uns sehr darauf, Riccardo Goruppi im März in Dachau begrüßen zu dürfen!
(5.12.2018; Foto: Irene Stuiber)