Pim Reijntjes liest im Gedächtnisbuch (2011)

 

Pim Reijntjes ist gestorben

Trauer um Pim Reijntjes: Soeben erreichte uns die Nachricht, dass Pim Reijntjes am Morgen des 26. November 2014 nach kurzer Krankheit gestorben ist.

Pim Reijntjes war 2010 der erste ehemalige Häftling, der niederländischen Schülerinnen (Lieke Beemster und Ledmia Baghdadi) ein Interview für das Gedächtnisbuch gegeben hat. Er war so begeistert von ihrer Arbeit, dass er am 22. März 2011 zur jährlichen Veranstaltung in Dachau mitgefahren ist, wo Lieke und Ledmia seine Biographie präsentierten.

Im niederländischen Fernsehen. Foto Hans Vink Quelle: @ Max
Pim Reijntjes wuchs in Amsterdam auf. Er erlebte im Mai 1940 als Soldat den deutschen Luftangriff auf Rotterdam, bei dem die historische Altstadt zerstört wurde und hunderte Menschen ihr Leben verloren. Später schloss er sich dem Widerstand an. 1943 versuchte er zusammen mit seinem Bruder Loek und sechs weiteren Kameraden, mit einem Fischerboot von IJmuiden nach England überzusetzen, um sich dort den niederländischen Streitkräften anzuschließen. Die Gruppe flog auf und wurde verhaftet. Die Brüder kamen in das berüchtigte Gefängnis Oranjehotel in Scheveningen und dann in die Konzentrationslager Vught, Amersfoort, Natzweiler und schließlich nach Dachau, wo sie am 29. April 1945 befreit wurden. Von den acht Verhafteten überlebten nur die beiden Brüder den Terror der Nationalsozialisten. Pim Reijntjes setzte sich für die Erichtung eines nationalen Dachau-Denkmals in Amsterdam ein, das 1996 eröffnet wurde, und er war der erste Vorsitzende der Stiftung National Denkmal Dachau.

Pim, Lieke und Ledmia in Dachau 2011
Pim stand am Anfang des Projekts Gedächtnisbuch in den Niederlanden. Am Vorabend ihrer gemeinsamen Reise nach Dachau im März 2011 waren Pim, Lieke und Ledmia zusammen im niederländischen Fernsehen und haben über das Gedächtnisbuchprojekt erzählt. Pim Reijntes´Unterstützung brachte einen Stein ins Rollen: seitdem gaben auch andere ehemalige Häftlinge in den Niederlanden Schülern ein Interview. Inzwischen ist es schon Tradition geworden, dass jedes Jahr Schüler von Holland aus nach Dachau fahren, um neue Biographien über ehemalige niederländische Häftlinge zu präsentieren. Bis jetzt ist jedes Jahr zumindest einer der Überlebenden mitgefahren.

 

(Text: Sabine Gerhardus und Jos Sinnema)

Schreibklausur auf Niederländisch und Deutsch

Zwei anstrengende, lange Tage liegen hinter uns. Aber es hat sich gelohnt: Der Artikel über das Niederlande-Projekt, der nächstes Jahr zusammen mit allen Biographien über niederländische Häftlinge in einem Buch erscheinen soll, ist fertig. Viele der Schüler und Schülerinnen, die sich an den Recherchen beteiligt haben, werden in diesem Buch zu Wort kommen und von ihren Projekterfahrungen erzählen. Und für uns waren diese beiden Tage eine gute Gelegenheit, sich über die unterschiedlichen Lese- und Schreibgewohnheiten in Deutschland und den Niederlanden auszutauschen.  Wir finden: Es macht Spaß, immer wieder voneinander zu lernen.

 (Text: Jos Sinnema und Sabine Gerhardus)

 

Auf den Spuren Nico Rosts

Ende Oktober war Karen Tessel, Kuratorin des Amsterdamer Widerstandsmuseums, in Dachau. Sie berichtet:
 
21. Oktober 2014
 

Wir essen im Hotel Fischer zu Mittag: Jos Sinnema, Sabine Gerhardus, Andreas Kreutzkam und ich. Jos und ich sind drei Tage in der Gedenkstätte für Recherchearbeit.  Zusammen arbeiten wir am Projekt Geen nummers maar namen – Namen statt Nummern. Jos begleitet Schüler, die für ihre Facharbeit und im Rahmen des Projektes Gedächtnisbuch Biographien über Holländer schreiben, die im KZ Dachau waren. Diese Biographien sind die Grundlage für eine Ausstellung im Amsterdamer Widerstandsmuseum, die Ende April 2015 eröffnet wird. In dieser Ausstellung möchte ich persönliche Objekte, Fotos und Dokumente von holländischen politischen Häftlingen zeigen und ihre Lebensgeschichte erzählen.

Sabine und Andreas vertreten das Projekt Gedächtnisbuch. Es ist schön, sie kennenzulernen. Auch die Mitarbeiter der Gedenkstätte  treffe ich zum ersten Mal und das Treffen ist auch gut und angenehm.

Sabine zeigt uns eine Kopie. Es ist die Titelseite eines Buches Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke. Es steht ein Stempel drauf: ‘Lager Bücherei’. Beim Antiquar Cornelius Wittmann in der Altstadt hat Sabine dieses Buch in den Händen gehabt. Ist es wirklich ein Buch, das in der Häftlingsbibliothek im KZ Dachau gewesen ist? Das wäre etwas Besonderes. Ich erwäge, in der Ausstellung an Nico Rost zu erinnern. In seinem Buch Goethe in Dachau hat Rost eindrucksvoll über seine Erfahrung im Lager geschrieben. Er schrieb auch über die Lagerbibliothek, und erzählt, wie Freundschaft und Literatur ihm Unterstützung und Trost boten. Ein Buch aus der Lagerbibliothek könnte seine Geschichte in der Ausstellung sehr schön unterstützen.

Später am Tag überprüfen wir, ob Rost auch etwas über Rilke geschrieben hat. Das hat er tatsächlich! Auf Seite 241 lesen wir:

„25. Februar 1945

 Rheinhardt ist heute Nacht gestorben.  […]
Als ich soeben das Bändchen Rilke zur Hand nahm, das ich mir vor einigen Monaten von Rheinhardt geborgt habe, stieß ich auf eine Zeile, die er mit Bleistift unterstrichen hat:  ‚Wirsterben alle unseren eigenen Tod!‘
Ob er bei diesen Worten geahnt hat, dass er hier sterben würde? “

Zwei Tage später notierte Nico Rost:

 „27. Februar 1945
Um nicht dauernd nur an die Toten und die Sterbenden denken zu müssen und um meine Gedanken zu etwas anderem zu zwingen, habe ich einige Gedichte von Rilke aus seinen Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus gelesen.“

(Aus: Nico Rost: Goethe in Dachau. Ein Tagebuch, Übersetzung aus dem Niederländischen,  München 2001.)

 Rost hat also nicht nur über Rilke geschrieben, sondern tatsächlich genau über dieses Buch, die Duineser Elegien! Ob das Buch, das Antiquar Cornelius Wittmann im Besitz hat, vielleicht sogar dasselbe Exemplar
ist? Also das mit den von Rheinhardt mit Bleistift unterstrichenen Sätzen? Das wäre großartig für die Ausstellung!
 
22. Oktober 2014
Albert Knoll, Archivar in der Gedenkstätte schaut sich die Kopie der Titelseite an und bestätigt, dass
es sich um ein Buch aus der Lagerbücherei handelt.

Am Nachmittag gehen wir erwartungsvoll zu Wittmann. Er holt einige Bücher hervor, alle aus der Lagerbücherei.  Ein braunes, in Leder

gebundenes Exemplar trägt den Titel Duineser
Elegien
. Jos schlägt das Buch auf. Da ist der Stempel. Fieberhaft blättert er hindurch, auf der Suche nach den Bleistiftstreifen von Rheinhardt. Aber leider… wir finden diese nicht.
Wir verabschieden uns mit vielen Fragen im Kopf. Woher hatte Rheinhardt sein Buch? Wie hat er es bei
sich halten können? Hat Rost es nach der Befreiung vielleicht mit nach Hause genommen? Und wo könnte es sich dann jetzt befinden? Vielleicht in der Universitätsbibliothek in Leiden, wo Rosts Literatur-Nachlass aufbewahrt wird. Da muss ich schnell hin, sobald ich wieder zuhause bin!

Holland: Gedenkstättenbesuch und Zeitzeugeninterview

 

Anfang September haben Valerie van Reeuwijk und Thijs de Dood, Schüler des Emmauscolleges in Rotterdam, die Gedenkstätte Natzweiler besucht. Der Besuch war Teil der Recherche für ihre Biographie über den niederländischen Widerstandskämpfer Dingenis Sinke. Valerie und Thijs haben in Natzweiler auch an einer internationalen Gedenkfeier teilgenommen. Hierüber schreibt Thijs:

Eine Fackelwacht stand nach dem Abendessen auf dem Programm. Nach einer Busfahrt durch das Dunkel, durch Nebel und ziemlich schweren Regen tauchte plötzlich das Denkmal auf. Ein wenig weiter stiegen wir aus und sind dann im strömenden Regen zum Denkmal gelaufen, dessen Spitze in Nebel gehüllt war. Bevor die Zeremonie anfangen konnte, mussten wir auf die Norweger warten, deshalb waren wir ziemlich starr vor Kälte und fast völlig durchnässt, als die Feier endlich anfing. Ich selbst hatte die Ehre, eine Fackel tragen zu dürfen. Dieser Teil ist mir deshalb besonders gut in Erinnerung.  Es war eine schöne Zeremonie, begleitet von einer Militärkapelle und der Fackelwacht. Das Wetter war schlecht, aber die Gedenkfeier war deswegen bestimmt eindrucksvoller, wegen der Atmosphäre, die dadurch entstand.

Dingenis Sinke war im KZ Vught, im KZ Natzweiler und wurde im KZ Dachau befreit. Inzwischen haben Valerie und Thijs ein Interview mit ihm geführt. Darüber schreiben sie:

Es war merkwürdig, Abschied von ihm zu nehmen, nachdem er uns gerade seine ganze Lebensgeschichte erzählt hatte. Wir denken, dass er ein gutes Gefühl wegen des Interviews hat, weil er die Kriegszeit abschließen möchte, indem er seine Geschichte zum ersten Male mit jemandem teilt. Das war für uns etwas sehr Besonderes.  Das Interview ist unserer Meinung nach gut verlaufen. Herr Sinke hat uns sehr viel erzählt. Es war schon anstrengend, denn das Interview hat zweieinhalb Stunden gedauert. Aber es war auch eine besondere Erfahrung. Das Interview war leichter als erwartet, weil Herr Sinke sehr ausführlich erzählt hat.  Wir sind wirklich ins Gespräch mit ihm gekommen.

(Text: Jos Sinnema)

 

Bericht von Gijs Berendse in KLEIO

Holländischer Projektteilnehmer berichtet in Magazin für Geschichtslehrer

KLEIO, eine niederländische Zeitschrift für Geschichtslehrer, hat in ihrer Septemberausgabe den Erfahrungsbericht eines holländischen Teilnehmers am Gedächtnisbuch, Gijs Berendse, veröffentlicht. Zusammen mit einer weiteren Facharbeit wurde die Arbeit von Gijs von der Zeitschrift damit als besonders herausragend gewürdigt. Hier eine deutsche Übersetzung seines Berichts.

Die Geschichte hinter der Nummer

Mit meiner Facharbeit habe ich einen Beitrag geleistet für das Gedächtnisbuchprojekt ‘Namen statt Nummern’ in Dachau. Im Rahmen dieses Projektes schreiben Schüler Kurzbiographien über ehemalige Häftlinge, die in diesem Konzentrationslager waren. Nach einem Interview-Workshop führt man selbstständig ein Interview mit dem ehemaligen Häftling oder seinen Verwandten. Auch sammelt man in Archiven möglichst viele Dokumente, die das Erzählte unterstützen und ergänzen können.

 

Zur Vorbereitung habe ich Primo Levi‘s Buch ‚Ist das ein Mensch’ gelesen. In diesem Buch beschreibt Levi das Leben im KZ und wie Menschen sich unter extremen Umständen verhalten. Ich fand es sehr nützlich, dieses Buch zu lesen, weil Levi die ‚Wir‘-Perspektive nutzt, womit er die ehemaligen Häftlingen meint. Levi schreibt, dass es für die ehemaligen Häftlinge schwierig ist, mit Jugendlichen ins Gespräch zu gehen, aber umso mehr betont er, wie wichtig dies ist. Erst als ich das gelesen habe, wurde mir wirklich klar: Ich werde mit jemanden sprechen, der ähnliche Erfahrungen hat.

Jan van Kuik ist der ehemalige Häftling, über den ich geschrieben habe. Er war über drei Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Majdanek und Natzweiler inhaftiert, bis er letztendlich in Dachau befreit wurde. Am 22. März 1942 wurde er an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz verhaftet. Jan erzählte mir, dass er nach Großbritannien fliehen und sich dort den alliierten  Streitkräften anschließen wollte. Jan war damals achtzehn Jahre alt, genauso alt wie ich jetzt bin. Das ist für mich ein unerquicklicher Gedanke. Die Lebensjahre zwischen 18 und 21 sind ihm für immer genommen worden.

Das Sammeln von Dokumenten in Archiven fand ich eigentlich eine nutzlose Tätigkeit. Journalisten hatten Jans Lebensgeschichte schon mehrmals rekonstruiert und beschrieben. Warum nicht einfach dieses Material als Quelle nutzen? Und wenn noch etwas fehlt, so dachte ich, dann rufe ich Jan an und frage ihn selbst danach. Archive können wenig Neues bringen, so meinte ich. Diese Meinung musste ich aber ändern, als ich Informationen aus einem Archiv in Österreich bekam. Darunter ein Brief, den Jan kurz nach seiner Verhaftung vom Gefängnis aus an seine Mutter geschrieben hatte. Zitat:

„Ich glaube Mutter, dass wir ein halbes Jahr bekommen. […] In etwa einem Monat kommen wir vor Gericht. […] Schreibst du bald? Das ist das einzige, was ich brauche, um die Zeit durchzustehen.“ 

Dieser Brief wurde von den Deutschen nie aufgegeben. Ich konnte lesen, wie Jan sich gleich nach Beginn seiner Haft gefühlt hat. Auch konnte ich den Brief nach mehr als 70 Jahren an die Familie geben. Das war für mich ausschlaggebend: Archivarbeit ist wichtig. An dieser Stelle habe ich dazugelernt.

Jan erklärt sein Überleben meistens aus der Perspektive einer wunderlichen Rettung oder durch ein außerordentliches Zusammentreffen von glücklichen Umständen. Stets betont er, wieviel Glück er in bestimmten Momenten gehabt hat. Nie schreibt er sein Überleben sich selbst zu. Dadurch ist er meiner Ansicht nach äußerst solidarisch mit seinen Freunden, die das KZ nicht überlebt haben.

 

Gijs Berendse, Cartesius Lyceum Amsterdam
(Übersetzung von Jos Sinnema)

 

 

 

„Kaum vorzustellen, was hier geschehen ist!” – Zehn holländische Schüler starten ihre Recherche für das Gedächtnisbuch

Am Sonntag, dem 31. August, besuchten zehn holländische Schüler die KZ Gedenkstätte Vught. Damit begannen die Recherchen für fünf neue Gedächtnisblätter über Holländer, die im KZ Dachau waren. März 2015 sollen die neuen Gedächtnisblätter fertig sein. Wenn alles läuft wie geplant, werden sie bei der jährlichen Veranstaltung am 22. März in das Gedächtnisbuch in Dachau aufgenommen. Ein Überlebender, über den die Schüler schreiben, hat bereits angekündigt, dass er gerne zur Veranstaltung mitfahren möchte.

Vier von den fünf ehemaligen Häftlingen, über die die Schüler schreiben, sind über Vught (KZ Herzogenbusch) nach Dachau gekommen. Im Het Baarnsch Lyceum schreiben Jeannot und Fedde über den im Niederländisch-Indien geborenen und jetzt hundertjährigen Djajeng Pratomo. Für das Gedächtnisblatt von Lies Buenick werden Tess und Jurre ein Interview mit seiner Tochter führen. Lies Buenick kam von Vught über Ravensbrück ins Dachauer Außenlager Agfa Kamerawerk und ist 2009 verstorben. Im Rotterdamer Emmauscollege arbeiten Valerie und Thijs an einem Gedächtnisblatt über den jetzt 89-jährigen Dingenis Sinke, der im Natzweiler Außenlager Markich war und im Dachauer Außenlager Allach befreit wurde. Joshua und Hannah, Schüler des Cartesius Lyceums in Amsterdam, schreiben über Nico Peeters. Dafür werden sie ein Interview mit seiner jetzt 91-jährigen Tochter führen, die mit ihrem Vater im kommunistischen Widerstand war. Nico Peeters ist nicht mehr heimgekommen, er starb Februar 1945 in Dachau. Der einzige, der nicht in Vught war, ist Henk van de Water, über den Ischa und Jelle schreiben. Der heute 90-jährige war als Zwangsarbeiter in Deutschland und kam wegen Flucht und Sabotage ins KZ Dachau.

In Vught haben die Schüler eine Führung durch die Gedenkstätte und eine Führung über das ehemalige SS Gelände mitgemacht. Die Gebäude im ehemaligen SS-Bereich werden heutzutage als Kasernen benutzt. Außerdem gibt es auf dem ehemaligen KZ-Gelände ein Wohnviertel und ein modernes Gefängnis. „Das macht es noch schwieriger, sich vorzustellen, was sich hier alles abgespielt hat und was Herr Sinke hier erleben musste.“, sagte Valerie. „Aber dieser Besuch hat mich auch neugierig gemacht auf das Interview mit ihm. Wir werden jetzt bestimmt mehr von dem verstehen, was er uns erzählen wird.“

(Text: Jos Sinnema)

 

 

Holland: Ausstellung und Theater mit biographischem Blickwinkel

Jos Sinnema, ehrenamtlich für das Gedächtnisbuch in den Niederlanden aktiv, erzählt im Interview von der geplanten Ausstellung und den Plänen für eine Theateraufführung.

Jos, du hast ein neues Projekt mit nach Dachau gebracht. Kannst du uns etwas darüber erzählen?

Die genauen Einzelheiten kann ich noch nicht sagen – die Öffentlichkeitsarbeit beginnt erst nach den Ferien. Aber ich darf schon sagen, dass es in Holland eine Ausstellung geben wird:

Es wird eine Ausstellung über niederländische Häftlinge in Dachau geben, bei der die Biographiearbeit der Schüler im Rahmen des Gedächtnisbuchs ein wesentlicher Bestandteil sein wird. Ohne die Schüler würde es die Ausstellung nicht geben. Sie wird einen biographischen Blickwinkel haben, biographisch aufgebaut sein.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation, eine Sammlung der Biographien über holländische Häftlinge, die bis jetzt für das Gedächtnisbuch geschrieben worden sind, mit einer Einführung über holländische Häftlinge in Dachau. Die Biographien stammen sowohl von holländischen als auch von deutschen Schülern und die Einführung schreibe ich zusammen mit Sabine Gerhardus.

Gibt es Veranstaltungen, die die Ausstellung begleiten?

Wir planen eine Aufführung in einem bekannten Theater in Amsterdam. Bei dieser Aufführung präsentieren die Schüler die von ihnen erarbeiteten Biographien auf der Bühne. Unter ihnen sind auch zwei deutsche Schülerinnen, die über einen Holländer geschrieben haben. Das wird am 4. Mai sein, an diesem Tag ist die nationale Totengedenkfeier überall im Land. In Amsterdam ist der König mit dabei, abends um 20 Uhr, auf dem Dam. Das Projekt heißt „Theater nach dem Dam“. Auf dem Dam ist die Nationalgedenkfeier. Und „Theater nach dem Dam“ sind die Aufführungen im ganzen Land, Theater, die etwas zu tun haben mit dem Zweiten Weltkrieg.

Was ist die Grundidee dieser Theateraufführung?

Der rote Faden ist die Musik. Die Schüler präsentieren ihre Biographien und eine bekannte professionelle Theaterregisseurin übernimmt die Regie. Der Grundgedanke ist, dass Musik, die im Leben von ehemaligen Häftlingen eine Rolle gespielt hat, die Verbindung sein wird, um die Biographien zu erzählen. Zum Beispiel hört man „Dona nobis pacem“, das heißt „Schenk uns Frieden“. Das ist ein Lied, das die Frauen, die 200 holländischen Frauen im Münchner Agfa-Kommando, sehr oft gesungen haben. Dieses Lied hat ihnen Kraft gegeben. Sie haben sehr viel gesungen, auch andere Lieder, aber das war ein wichtiges Lied. Dieses Lied hört man und es ist der Anhaltspunkt, um die Lebensgeschichte von Willemijn Petroff, einer Agfa-Frau, zu erzählen, sie zu präsentieren.

Oder man hört eine Trompete, und der Zuschauer erfährt, dass das die Trompete ist, die Jaap van Mesdag mitgenommen hat, als er in einem Kanu nach England fahren wollte, um sich dort den alliierten Streitkräften anzuschließen. Er kam mit seinem Freund in schlechtes Wetter und hat diese Trompete benutzt, um das SOS-Signal abzugeben. Deshalb wurden sie gerettet, das heißt, ein Schiff der Kriegsmarine holte sie aus dem Wasser – und dann sperrte man sie ins KZ. Die Trompete war das einzige, was er von zu Hause mitgenommen hat. Er war ein leidenschaftlicher Trompeter, er spielte Jazz und Swing. Und so gibt es eigentlich in jeder Biographie Anhaltspunkte für Musik und es finden sich auch manchmal bei den Jugendlichen Anhaltspunkte für Musik. Zum Beispiel haben zwei Schüler einen Rap über Dachau geschrieben.

 

 

Holland: Gedächtnisbuchpräsentationen in Rotterdam und in Amsterdam

Bitte beachten Sie unseren Aufruf zur Ukraine – siehe die nachfolgenden Posts!

Emmauscollege Rotterdam

Die Biographie von Velo Biermann konnten die Schüler Wouter Tullenaar und Meander Fabels am 5. März in einem Klassenraum des Emmauscolleges in Rotterdam präsentieren. Gleichzeitig wurde die Wanderausstellung zum Gedächtnisbuch gezeigt. Etwa 20 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten der Präsentation.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme konnte Velo Biermann leider nicht anwesend sein. Die beiden Schüler und der holländische Mitarbeiter des Gedächtnisbuchs, Jos Sinnema, besuchten ihn zuhause. Hier unterzeichnete Velo Biermann das Gedächtnisblatt.

Cartesius Lyceum Amsterdam

Mehrere Programmpunkte umfasste die Präsentation am Cartesius Lyceum in Amsterdam am 12. April 2014: Der Schüler Gijs Berendse präsentierte die von ihm erarbeitete Biographie Jan von Kuiks. Die Erarbeitung dieser Biographie war von der Schülerin Lissy-Anne Denkers in einem Dokumentarfilm festgehalten worden – sie präsentierte ihren Film hier der Öffentlichkeit.

Parallel wurde die Wanderausstellung gezeigt. Ihr konnten zwei neue Banner hinzugefügt werden, Skippy de Vaal und Karel Witmond gewidmet. An der Enthüllung der Banner nahmen Angehörige der Gewürdigten teil und auch die Verfasserinnnen der zugehörigen Biographien.

Etwa 65 Personen waren bei der Präsentation anwesend, darunter auch Familienangehörige der ehemaligen Dachau-Häftlinge.

(Foto: Simon Knappstein)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Präsentation in Holland: Mit viel Leidenschaft über ganz besondere Menschen erzählt

Neues vom Gedächtnisbuchprojekt in Holland: Im Ernst Sillem Hoeve in Den Dolder präsentierten am 11. April die Verfasserinnen Tess Meerding und Sydney Weith ihr Gedächtnisblatt zu Ernst Sillem. Gleichzeitig wurde die Ausstellung zum Gedächtnisbuch eröffnet.

Jos Sinnema, ehrenamtlicher und sehr umtriebiger Gedächtnisbuchmitarbeiter in Holland, freut sich besonders über das engagierte Publikum und die vielen Fragen aus dem Publikum. Von der Begeisterung der Anwesenden zeugen auch stolze 24 Einträge im Gästebuch. Ernst Sillems Schwester schrieb: „Was für eine besondere Erfahrung, von dieser jungen Generation die Geschichte von Ernst zu hören, meinem ältesten Bruder. Vielen Dank! Loukie B. Sillem.“ Ein Klassenkamerad der Referentinnen meinte: „Wow, was für eine Leistung. Ihr habt uns lachen lassen, habt uns gerührt und mit viel Leidenschaft erzählt über ganz gesondere Menschen.“ Von einem erwachsenen Besucher der Veranstaltung stammt folgender Eintrag: „Ihr schreibt buchstäblich Geschichte mit diesen biographischen Porträts. Ein wunderschönes Projekt. Danke für euren Einsatz und Durchhaltevermögen.“

(Foto: Simon Knappstein)

Anwesend waren etwa 120 Besucher, darunter Ernst Sillem und weitere drei ehemalige KZ-Häftlinge, der Bürgermeister von Baarn, Mitglieder von Organisationen ehemaliger Häftlinge, darunter auch des Comité International de Dachau. In den Lokal- und Regionalzeitungen und -radios wurde breit über die Veranstaltung berichtet.

Das Ernst Sillem Hoeve gehört dem YMCA. Der Vater von Ernst Sillem, Albert Sillem, hat das Haus für den YMCA gekauft und es nach seinem Vater benannt, der auch Ernst Sillem hieß.