Nachricht von Wassyl Wolodko aus Kiew

Dem Maximilian-Kolbe-Werk ist es gelungen, den 97-jährigen Dachau-Überlebenden Wassyl Wolodko zu erreichen. Er wohnt mit Frau und Tochter 20 km außerhalb von Kiew.

Gedächtnisblatt für Wassyl Wolodko (Ausschnitt)

Über Wassyl Wolodko wurde 2007 ein Gedächtnisblatt veröffentlicht. Seine Biographie erscheint auch in der Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs.

Das Maximilian-Kolbe-Werk berichtet auf seiner Website:
„Er erzählt von starken Bombardements einer Luftwaffenbasis im Umkreis von 10 km. „Die Detonationen waren so gewaltig, dass unsere Fensterscheiben bebten.“ Von Raketen getroffen wurde außerdem eine Ölraffinerie. „Das Feuer und der schwarze Rauch waren zwei Tage lang zu sehen.““

Wolodko sei es nach Beginn des Krieges zunächst sehr schlecht gegangen, berichtet das Kolbe-Werk.

Link zur Website des Maximilian-Kolbe-Werks
https://www.maximilian-kolbe-werk.de/unsere-arbeit/helfen/krieg-in-der-ukraine-wir-helfen/

Weitere Informationen im Verzeichnis der Gedächtnisblätter
https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisblaetter/?f=W&gb=11792

Die Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau widmete Wassily Wolodko das Gebet am 4. März 2022.

(8.3.2022; IS)

 

 

 

Großes Interesse an Häftlingsbiografien

Elisabeth Fink arbeitet seit Oktober 2021 als pädagogische Mitarbeiterin im Team des Max Mannheimer Studienzentrums, einem der Träger des Gedächtnisbuchs. In ihrer pädagogischen Arbeit nutzt sie die Biographien des Gedächtnisbuchs.

Wir haben Elisabeth Fink gebeten, sich unseren Leserinnen und Lesern kurz vorzustellen. Sie schreibt:

„Ich habe in Frankfurt am Main Geschichte und Politikwissenschaft studiert und in der Bildungsstätte Anne Frank e.V. gearbeitet. Nach dem Studium war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich „Gender und Postkoloniale Studien“ an der Goethe-Universität und promovierte in Politikwissenschaften. Die letzten zwei Jahre arbeitete ich in der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau. Gemeinsam mit einer Kollegin habe ich dort zwei Augmented Reality-Projekte auf den Weg gebracht: „Die Befreiung“ (dahinter stand maßgeblich der Bayerische Rundfunk) und „ARt. Das KZ Dachau in Zeichnungen“. „Die Befreiung“ ist als Web-Tour nutzbar (diebefreiung.br.de) und ARt ist gegenwärtig als App auf dem Gedenkstättengelände verfügbar.

Im Max Mannheimer Studienzentrum bin ich für die Studientage zuständig. Es ist beeindruckend zu sehen, mit welch großem Interesse und Engagement die Schüler*innen sich während ihrer Studienaufenthalte in Dachau mit den Biografien der KZ-Häftlinge auseinandersetzen. Zum Teil recherchieren sie dabei mit hohem zeitlichem Aufwand nach bislang unerschlossenen Quellen und stellen Kontakte zu Hinterbliebenen der ehemaligen Gefangenen her. Es freut mich sehr, mit den Gedächtnisblättern ein Format zeigen zu können, in dem die Arbeit der Jugendlichen gewürdigt sowie die Erinnerung an die Häftlinge und ihre Lebenswege wachgehalten werden kann.“

(6.3.22; Elisabeth Fink/IS)

Einladung zur Vorstellung neuer Gedächtnisblätter

Das Gedächtnisbuch lädt zur Vorstellung der neuen Gedächtnisblätter am 22. März 2022 ein. Die Präsentation findet um 19:30 Uhr im Theatersaal des ASV Dachau statt.

Schüler und Schülerinnen des Ignaz-Taschner-Gymnasiums Dachau und weitere Ehrenamtliche stellen neue Gedächtnisblätter aus dem Gedächtnisbuch Dachau und dem Projekt Erinnern des BLLV vor.

Auf dem Programm stehen Präsentationen zur Biographie folgender Personen: Die beiden Augsburger Karl Nolan und Josef Pröll wurden ab 1933 verfolgt. Karl Nolan starb 1937 im KZ Dachau, Josef Pröll überlebte Dachau, Natzweiler und Buchenwald. Fast zwölf Jahre in politischer Haft erlitt der Kaufmann Ernst Jetter aus Pforzheim. Georg Wagner wohnte vor der Verhaftung in den Baracken der Deutschen Werke Dachau, dem Ort, an dem 1933 das KZ errichtet wurde. Im Zuge der reichsweiten Pogrome im November 1938 im Zuge inhaftierten die Nationalsozialisten die jüdischen Lehrer Ernst Fränkl und Alfred Grünebaum und den Anwalt und Sprachlehrer Josef Gunzenhäuser. Die katholischen Geistlichen Leonhard Roth und Pater Petrus Mangold mussten in Dachau Zwangsarbeit auf der sogenannten Plantage verrichten. Kritisch äußerte sich der Katholik Xaver Kinateder 1935 über den Nationalsozialismus, dies hatte KZ-Haft zur Folge. Den Niederländer Nico Staal verfolgten die deutschen Besatzer, weil er Juden in seiner Wohnung versteckt hatte.

Die Veranstalter bitten um Anmeldung unter
https://www.dachauer-forum.de
oder telefonisch unter 08131 99688-0,
um einen Nachweis entsprechend den aktuell geltenden Hygieneregeln, und darum, mit Maske zu kommen.

Einladung und Programm als PDF (300 KB)

W-Seminar bereitet Präsentationen für den 22. März 2022 vor

Teilnehmende des W-Seminars am Ignaz-Taschner-Gymnasium trafen sich in ihrer Freizeit mit Sabine Gerhardus, um die Präsentation der von ihnen erarbeiteten Biografien am 22. März 22 vorzubereiten.

Das W-Seminar ist beendet, aber sieben Schülerinnen und ein Schüler kamen trotzdem, um die Präsentation ihrer Biografien am 22. März im Theatersaal des ASV Dachau zu planen. Sabine Gerhardus erzählt: „Alle Anwesenden waren am 25. Oktober 2021 bei der Vorstellung von Gedächtnisblättern im ASV-Theatersaal dabei gewesen. Wir haben dann zuerst in die Film-Präsentation vom letzten Jahr reingesehen.“ Alle hatten damit schon einen guten Eindruck davon, wie die Präsentation in diesem Jahr ablaufen kann.

Ein Schüler regte an, auch in der Präsenzveranstaltung Kerzen für die ehemaligen Häftlinge zu entzünden. Dieses rituelle Gedenken aus der Filmpräsentation hat den Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern so gut gefallen, dass sie es gerne in die diesjährige Veranstaltung übernehmen würden. „Wir sind noch am Überlegen, ob und wie das möglich sein wird.“, meint Sabine Gerhardus.

Alle hoffen nun, dass im März die Gedächtnisblätter vor Publikum vorgestellt werden können. Falls die Pandemie-Bedingungen das wider Erwarten verhindern sollten, überlegt das Gedächtnisbuch, wieder eine filmische Präsentation anzubieten.

(16.2.22; Sabine Gerhardus/IS)

 

Interview mit Judith Einsiedel

Als katholische Seelsorgerin an der KZ-Gedenkstätte Dachau ist Judith Einsiedel Mitglied im Trägerkreis des Gedächtnisbuchs. Sie stellt sich in unserem Interview vor.

Darf ich Sie nach Ihren bisherigen beruflichen Stationen fragen?

Das hier ist, wenn man so will, meine dritte Stelle als Pastoralreferentin. Ich bin in Würzburg geboren, habe dort in der Nähe Abitur gemacht und war dann ein Jahr als Au-pair in Rom. Danach habe ich Lehramt Englisch und Latein studiert und als drittes Fach auch ein paar Semester Theologie. Meine Einsatzschulen während des Referendariats waren alle in München. In der Referendariatszeit habe ich dann gemerkt, dass es mich beruflich doch woanders hinzieht, dass die Schule auf Dauer doch nicht so mein Platz ist, und so habe ich als Zweitstudium die Theologie im Diplom gewählt.

Die Ausbildung zur Pastoralreferentin ist ja sehr umfassend, man macht viele praktische Kurse neben dem Studium, Exerzitien, geistliche Begleitung, Gesprächsführung, alles Mögliche. Danach wird man in verschiedenen Pfarreien eingesetzt. Ich war dann zwei Jahre im Pfarrverband Sendling und dann war ich nochmal zwei Jahre im Pfarrverband Mittersendling als Seelsorgerin.

Wie kommt es, dass Sie sich auf die Stelle als Seelsorgerin in der Gedenkstätte Dachau beworben haben?

Mein Interesse an der Thematik beginnt schon in Würzburg, wir hatten dort ja auch das Nagelkreuz, diese Versöhnungsinitiative mit Coventry. Ich habe in Würzburg ehrenamtlich in der Bahnhofsmission gearbeitet und wir hatten in der Bahnhofsmission ein Jahr lang das Wandernagelkreuz. Ich war auch einmal selbst in Coventry. Auch die Auseinandersetzung mit der Würzburger Stadtgeschichte spielt eine Rolle, die Zerstörung am 16. März 1945 und so weiter.

Dann bin ich einmal über einen Kirchentag auf Aktion Sühnezeichen gestoßen und war schließlich zweimal im Einsatz für Aktion Sühnezeichen, einmal im Landesbüro in Israel und dann in den USA, im dortigen Landesbüro in Philadelphia. Auch da habe ich gemerkt, wie mich das Thema, diese Friedens- und Versöhnungsarbeit doch immer innerlich bewegt hat. Ich habe gemerkt, das bedeutet mir etwas, ich kann mich damit identifizieren. Gerade in Israel durfte ich noch viele Shoah-Überlebende kennenlernen.

Während des Theologiestudiums, und das war sicher auch ein wichtiger Baustein, kam dann die Auseinandersetzung mit dem Judentum dazu. Für Theologiestudierende gibt es dieses Programm des DAAD in Jerusalem, an der Dormitio-Abtei, und da kann man für einige Monate als Theologiestudent, katholisch oder evangelisch, studieren. Und das habe ich gemacht. Dort hatten wir auch jüdische und muslimische Dozentinnen und Dozenten. Diese Begegnung mit dem heutigen Judentum und dem interreligiösen Dialog war sehr wichtig.

Und natürlich spielt auch das Interesse an Bildungsarbeit eine Rolle. Ich bin im Verein Freunde Abrahams e.V. Mitglied, da geht es ja um das Organisieren interreligiöser und religionsgeschichtlicher Veranstaltungen. Das ist auch etwas, was ich gerne mache. Aus alldem zusammen kam dann diese Bewerbung hervor.

Wissen Sie schon, wo Sie besondere Schwerpunkte als Seelsorgerin in Dachau setzen wollen?

Wenn ich so überlege – eigentlich bin ich noch gut damit beschäftigt, alle verschiedenen Bereiche kennenzulernen, alles zum ersten Mal zu machen. Jetzt gerade bin ich damit beschäftigt, das Programm für das erste Halbjahr 2022 abzuschließen, dann kommt der Befreiungstag, wir hatten im November den ersten ökumenischen Gottesdienst, dann geht es um die ersten Rundgänge, in denen ich Gruppen über das Gelände begleiten werde und noch vieles andere.

Natürlich, Dachau ist primär ein geschichtlicher historischer Ort, aber es gibt auch unsere religiösen Erinnerungsorte. Ich finde es sehr wichtig, dass dieser Aspekt des Seelsorgerischen und Theologischen auch eine  Rolle spielt, vielleicht sogar erweitert werden kann, mit den evangelischen Kollegen zusammen, auch hin zur interreligiösen Dimension. So hat mir vor kurzem eine befreundete Muslima gesagt, sie würde gern mit muslimischen Jugendlichen aus der Moscheegmeinde die Gedenkstätte besuchen. Das muss man dann vielleicht anders angehen, als wenn eine durchschnittliche bayerische Schulklasse kommt. Diese weitergedachte interreligiöse Komponente wäre mir schon eine Freude.

Was ist für Sie das Besondere am Gedächtnisbuch?

Am eindrücklichsten war für mich das Engagement junger Menschen, das hat mir die Präsentation des Gedächtnisbuchs im Oktober gezeigt. Die Schülerinnen und Schüler haben sich ja in das Thema sehr vertieft, Kontakte geknüpft mit den Angehörigen, sie waren so richtig mit Kopf und Herz dabei. Das ist nochmal eine ganz andere Ebene als der Geschichtsunterricht. Und auch ganz grundsätzlich wird dieses biografische Arbeiten immer wichtiger, da es ja immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gibt.

Was wünschen Sie dem Gedächtnisbuch?

Geld natürlich, das heißt eine gesicherte Finanzierung. Es wäre schön, wenn die jetzige Arbeit gesichert wäre. Und man könnte mit mehr Ressourcen alles auch ein Stück weit ausbauen, mehr Menschen die Mitarbeit ermöglichen, mehr im internationalen Bereich tätig werden.

(9.2.22; IS)

Filmdokumentation: Gedenken an Familie Endress

Eine Gedenkveranstaltung der Versöhnungskirche an die ermordeten Mitglieder der Sinti-Familie Endress dokumentiert ein Film von Anna Zhukovets.

 

Im engen Austausch mit dem 1948 geborenen Dachauer Künstler Alfred Ullrich, dessen Mutter Katharina Endress die Konzentrationslager Ravensbrück und Buchenwald überlebt hatte, recherchierte Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Versöhnungskirche, das Verfolgungsschicksal der katholischen Familie.

Eine wichtige Grundlage dafür waren die Gedächtnisblätter von Lena Richter und Diana Unger über die drei Onkel von Alfred Ullrich, die ins KZ Dachau verschleppt worden waren: Rudolf, Otto und Theodor Endres(s). Neun Familienmitglieder wurden vermutlich vor 80 Jahren im Januar 1942 im deutschen Vernichtungslager Kulmhof im besetzten Polen ermordet.

Eine schlichte Andacht im kleinsten Kreis erinnerte am 16. Januar in der Versöhnungskirche daran. Die Teilnehmenden gingen danach gemeinsam zum Block 25, in dem Onkel von Alfred Ullrich interniert waren.

Begleitet wurde das Gedenken von Anna Zhukovets, seit 2018 Studentin an der Hochschule für Fernsehen und Film München und freiberufliche Journalistin, Regisseurin und Fotografin. Die Filmemacherin selbst kam als kleines Kind vor 20 Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland.

Anna Zhukovets sagt zu ihrem gut halbstündigem Schwarz-Weiß-Film: „Ich habe das Gedenken in der Versöhnungskirche so gefilmt, dass man immer wieder die Reaktion von Herrn Ullrich beobachten kann. Das fand ich sehr emotional.“

Der Film ist auf dem YouTube-Kanal der Versöhnungskirche verfügbar: https://youtu.be/NDCjKDvTADY 

(26.1.22; PM/IS)

Trägerkreis: Finanzen und Veranstaltungsplanung

Am 12. Dezember 2022 traf sich der Trägerkreis des Gedächtnisbuchs zum ersten Mal in diesem Jahr. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Finanzen und die Veranstaltungsplanung für 2022/23.

Die schon immer nicht einfache finanzielle Situation des Gedächtnisbuchs spitzt sich aufgrund der Folgen der Corona-Krise zu. Das Defizit des Projekts hat sich zu einem strukturellen Problem entwickelt. Der Trägerkreis sammelte Idee und überlegte Wege, wie sich diese Situation kurz-, mittel- und langfristig verbessern lässt. Nicht zuletzt soll verstärkt darauf hingewiesen werden, dass sich das Gedächtnisbuch-Projekt über jede Spende freut.

Auch die Veranstaltungsplanung für das laufende Jahr stand auf der Tagesordnung. Aufgrund der Corona-Situation ist fraglich, ob am 22. März 2022 tatsächlich eine Präsenzveranstaltung stattfinden kann. In dieser Veranstaltung würden 11 Autorinnen und Autoren des Gedächtnisbuchs ihre neuen Gedächtnisblätter vorstellen. Alternativ erwägt der Trägerkreis eine filmische Präsentation wie schon 2021.

Link zum Präsentationsfilm 2021
https://vimeo.com/667848540

Spendenkonten
Unsere Konten für Spenden (Empfänger Dachauer Forum):
Sparkasse Dachau IBAN: DE68 7005 1540 0380 9352 62, BIC: BYLADEM1DAH

Volksbank Raiffeisenbank Dachau IBAN: DE05 7009 1500 0000 0155 55, BIC: GENODEF1DCA

Bitte mit dem Vermerk: Spende Gedächtnisbuch

(23.1.22; Foto: Sabine Gerhardus, IS)

Gedenkstättenseminar: viele Möglichkeiten

Eine beachtliche Bandbreite an Möglichkeiten bieten die Blended-Learning-Seminare des Dachauer Forums, die sich in vielen Bereichen auf Gedächtnisblätter beziehen. Falls nötig, lässt sich das ganze Seminar online durchführen.

Schulklassen und Gruppen können eigene Termine für die Gedenstättenseminare des Dachauer Forums vereinbaren. Themen sind

  • Häftlingsschicksale – Leben und Leiden im KZ-Dachau
  • Jüdische Häftlingsschicksale – Leben und Leiden jüdischer Gefangener im KZ Dachau
  • Antisemitismus – Geschichte und Gegenwart judenfeindlicher Vorurteile und Gewalt
  • Meine Geschichte? – Identität und nationale Geschichte(n) in der Migrationsgesellschaft
  • Glaube in der Diktatur – Religion und Kirche im Nationalsozialismus

In der ursprünglichen Fassung enthalten alle Seminare neben Online-Terminen einen Rundgang über die Gedenkstätte Dachau. Auch die komplett digitale Durchführung der einzelnen Angebote ist möglich, sofern dies erforderlich ist. In Absprache mit den Referentinnen und Referenten lassen sich die Seminare an die Bedürfnisse der einzelnen Gruppen anpassen.

Weitere Informationen zu den Seminaren finden sich hier:
https://www.dachauer-forum.de/themen/gesellschaft-geschichte/fuehrungen-kz-gedenkstaette-dachau/

(16.1.22; Foto: Dachauer Forum; IS)

Geschichtswerkstatt: Ausstellung zeigt Textilfabrik Bardtke & Scherer

Dem Dachauer Georg Scherer war bereits 2019 ein Gedächtnisblatt und eine Ausstellung gewidmet. Nun nimmt eine Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau zum Thema „Arbeitswelten – Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe“ seine Textilfabrik Bardtke & Scherer in den Blick.

„Mit 100 Nähmaschinen aus der Stadtschneiderei und Stoffen starten Georg Scherer und der Schneidermeister Ernst Bardtke ihre Unternehmerkarriere im April 1946.“, heißt es im von Kerstin Cser, Jessica Scherer und Rudolf Scherer verfassten Gedächtnisblatt zu Georg Scherer. Das Unternehmen beschäftigte zeitweise über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nicht nur um diese Fabrik geht es in der Ausstellung der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau, die sich unter dem Titel „Arbeitswelten – Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe“  mit dem Wandel der Berufe beschäftigt. So wird über Schneiderinnen erzählt, die noch auf die Stör gingen und sehr viele Aufträge hatten, so dass sie fast Tag und Nacht gearbeitet haben. Andererseits war auch schon ein Rückgang des Schneiderhandwerks spürbar. Die industrielle Textilproduktion wuchs.

Die ehrenamtlichen Forscher und Forscherinnen der Geschichtswerkstatt haben im Landkreis recherchiert, nach Fotos gesucht und Interviews geführt und stellen ihre Ergebnisse erstmals im Bezirksmuseum Dachau aus. Gezeigt wird, wie sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Wie sah die Arbeit des Schuhmachers oder der Schneiderin aus, als sie noch auf die Stör gingen? Wie wurde aus dem Handwerk des Webens ein Kunsthandwerk? Und wie veränderte sich der Beruf des Apothekers bis zum Zeitalter des Online-Handels? Kehren die neuen Unverpackt-Läden zur Tradition des Kramerladens zurück?

Berufe, die jahrhundertelang den ländlichen Alltag prägten, sind selten geworden oder ganz verschwunden. Manche haben auch neue Formen gefunden. Das zeigt die Geschichtswerkstatt anhand von zehn Berufen aus Handwerk und Gewerbe. Die Ausstellung mit Texten, Fotos, Objekten und einer Hörstation ergänzt die Dauerausstellung des Bezirksmuseums.

Im Mittelpunkt stehen Menschen, die den Wandel der Berufe erlebt haben. Die Schneiderin Rosmarie Henkel aus Pipinsried erzählt von ihren Erfahrungen, als sie auf die Stör ging, der Schuhmacher Adi Heinzinger aus Sulzemoos erzählt, wie die Arbeit in der Werkstatt nachließ und er in einer Schuhfabrik arbeitete. Der Apotheker Max-Peter Lernbecher berichtet über die Anfänge der ersten Apotheke in Dachau und Paul Sessner erzählt über den Wandel der Fotografie, wie sein Vater die Anfänge erlebt hat und der Sohn die modernen Entwicklungen mitgestaltet hat. Die Geschichte wird anhand der Geschichten lebendig. Eine Ausstellungsbroschüre mit Berichten, Fotos und Lebensgeschichten gibt einen tieferen Einblick in den Wandel von Handwerk und Gewerbe.

Noch bis 18. September 2022 ist die Ausstellung im Dachauer Bezirksmuseum zu sehen. Weitere Infos finden sich hier:
https://dachauer-galerien-museen.de/category/bezirksmuseum/derzeit-zu-gast/

Das Gedächtnisblatt zu Georg Scherer und auch die Broschüre zur Ausstellung 2019 lassen sich hier nachlesen:
https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisblaetter/?f=S&gb=9616

(3.1.2022; Geschichtswerkstatt Annegret Braun/IS)