König Willem-Alexander eröffnet im Widerstandsmuseum in Amsterdam  die Ausstellung Namen statt Nummern – Niederländische politische Häftlinge im Konzentrationslager Dachau

Das Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau ist Ausgangspunkt für eine neue Sonderausstellung im Amsterdamer Widerstandsmuseum, die am 22. April von König Willem-Alexander eröffnet wurde. Zwischen 1941 und 1945 saßen über zweitausend Niederländer, vornehmlich politische Gefangene, im Konzentrationslager Dachau ein. Bei ihrer Ankunft bekamen sie eine Nummer; ihr Name spielte von da an keine Rolle mehr. Indem der König auf dem Ausstellungsplakat die Nummern von zwei ehemaligen Häftlingen durch ihre Namen ersetzte, gab er ihnen ihre Identität zurück und erklärte die Ausstellung für eröffnet.

Die heute 96-jährige ehemalige Gefangene Willemijn Petroff-van Gurp schrieb im Konzentrationslager ein Lieder- und Psalmen-Büchlein, das ihr die Kraft gab durchzuhalten. Ihre beiden jungen Biographen, Jelle Braaksma und Jop Bruin, die 2013 ihr Gedächtnisblatt in der Versöhnungskirche vorgestellt haben, hatten die Ehre die Ausstellung zusammen mit dem König zu eröffnen. Jop Bruin erzählte, seit dem Biographie-Projekt eine gute neue Freundin zu haben: „Willemijn lässt uns darüber nachdenken was im Leben wirklich wichtig ist.“

„Die Begegnung zwischen den Generationen macht Namen statt Nummern zu einem besonderen Projekt“, so heißt es in einer Presseerklärung des Widerstandsmuseums. Die Ausstellungskuratorin Karen Tessel erzählt, was sie besonders inspirierte: „Willemijn ist eine Art Adoptiv-Oma für Jop und Jelle geworden. Sie wollen sogar zusammen mit ihr nach Italien reisen, da sie fließend italienisch spricht. Dass ein Projekt über Lebensgeschichten von ehemaligen Dachau-Gefangenen zu so etwas führen kann, beeindruckte mich sehr.“

Das Verhältnis, das zwischen den jungen Biographen und den einst Inhaftierten, ihren Familienmitgliedern und dem Thema Zweiter Weltkrieg entsteht, so erläutert Tessel weiter, sei einer der wichtigen Gründe gewesen, dieses Projekt zu entwickeln. Es war auch der Grund, weshalb sich  König Willem-Alexander für das Projekt interessierte und die Ausstellung eröffnete. Er nahm sich viel Zeit für Gespräche mit den sechs anwesenden Überlebenden des Konzentrationslagers und den Schülern.

Den Ausstellungsmachern gelang es auf bewegende Art, die Begegnung zwischen den Generationen in den Mittelpunkt zu stellen und mit der Geschichte von 12 ehemaligen Häftlingen zu verbinden. In 12 Vitrinen erzählen Erinnerungsstücke aus dem Leben des ehemaligen Häftlings. Die Schüler erzählen in kurzen Videosequenzen die Geschichte, die dem Gegenstand seine Bedeutung gibt. In einigen Videos kann man die Jugendlichen im Gespräch mit dem ehemaligen Häftling sehen.

In Kooperation  mit Amnesty International zeigt das Widerstandsmuseum, dass auch heute, 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch Menschen aufgrund ihrer Meinung oder ihres Widerstands gefangen genommen werden. Ähnlich wie für das Gedächtnisbuch erarbeiteten Schüler  Biographien von drei aktuellen Gefangenen. Aster Fissehatsion unterzeichnete 2001 in Eritrea zusammen mit 14 anderen einen offenen Brief an den Präsidenten, in dem sie zu einem demokratischen Dialog aufriefen. Vier Monate später wurden die Unterzeichner verhaftet. Aster ist seitdem spurlos verschwunden. Ihr damals 15-jähriger Sohn flüchtete später in die Niederlande und half den Schülern bei ihrer Arbeit.

Die Zusammenarbeit mit dem Widerstandsmuseum kam zustande durch den ehrenamtlich engagierten Mitarbeiter des Gedächtnisbuchs in Amsterdam, Jos Sinnema. Sinnema hatte 2002 in einem Amsterdamer Briefmarkenladen einen Brief des Tschechen Karel Horais aus dem Konzentrationslager Dachau gefunden. Er war davon so fasziniert, dass er sich auf die Suche nach Horais´ Geschichte machte und schließlich seine Biographie für das Gedächtnisbuch schrieb. Diese Erfahrung ließ Sinnema nicht mehr los. Er fand einen interessierten Lehrer im Cartesius-Lyceum in Amsterdam, der bereit war, mit ihm zusammen ein Schüler-Projekt zu starten. Seit 2010 erstellen niederländische Schüler unter seiner Anleitung jährlich neue Biographien für das Gedächtnisbuch. Ihr Engagement  ist jetzt zur Grundlage für eine bewegende Ausstellung, eine Publikation, ein Theaterprojekt und eine Reihe von weiteren Veranstaltungen in den Niederlanden geworden.

Namen statt Nummern – Niederländische politische Häftlinge im Konzentrationslager Dachau ist bis zum 25. Oktober im Widerstandsmuseum in Amsterdam zu sehen. Die Ausstellung ist zweisprachig, englisch und niederländisch.

 (Text: Sabine Gerhardus)

 

 

Vorbereitungen für die Ausstellung in Amsterdam

Projektbesuch in den Niederlanden: Widerstandsmuseum in Amsterdam

Alle Projektbeteiligten in den Niederlanden stecken momentan mitten in den Vorbereitung für Ausstellungen und Veranstaltungen, die rund um den 70. Jahrestag der Befreiung von der deutschen Besatzung geplant sind. Am 5. März brachte ich der Kuratorin des Widerstandsmuseums Karen Tessel aus Dachau zwei Leihgaben für die Ausstellung in Amsterdam.

Karen konnte mir bereits Teile des Einführungsfilms und eine Videopräsentation von einer Station der Ausstellung zeigen. Für mich war es sehr spannend zu sehen, was alles geplant ist, welche Recherchen noch durchgeführt werden und mit welchem Enthusiasmus alle Beteiligten am Werk sind. Ich freue mich schon sehr darauf, die Ausstellung Ende April zu sehen und vor allem über die neuen Impulse, die sich – so viel kann ich schon sagen – aus dieser Zusammenarbeit für unser Projekt ergeben.

(Text: Sabine Gerhardus)

Ab April Ausstellung in Amsterdam: Politische Gefangene aus den Niederlanden im Konzentrationslager Dachau

PRESSEBERICHT
70 Jahre nach der Befreiung des
Konzentrationslagers Dachau – am 29. April 1945 – öffnet im Widerstandsmuseum
Amsterdam die Ausstellung
Namen statt Nummern
Politische Gefangene aus den
Niederlanden im Konzentrationslager Dachau

Zwischen 1941 und 1945 saßen über zweitausend Niederländer, vornehmlich politische Gefangene, im Konzentrationslager Dachau ein. Bei ihrer Ankunft bekamen sie eine Nummer; ihr Name spielte von da an keine Rolle mehr. In der vom 23. April bis 25. Oktober 2015 im Widerstandsmuseum Amsterdam gezeigten Ausstellung Namen statt Nummern – Politische Gefangene aus den Niederlanden im Konzentrationslager Dachau stehen die Personen hinter den Nummern im Mittelpunkt. Ausgangspunkt für die  Ausstellung sind die von Jugendlichen geschriebenen Biographien für das Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau in der Versöhnungskirche in der Gedenkstätte Dachau.

Das Widerstandsmuseum in Amsterdam zeigt anhand von Gegenständen, wie politische Gefangene – unter ihnen viele Widerstandskämpfer – im Konzentrationslager Dachau zu überleben versuchten. Jaap van Mesdag musizierte, Lies Bueninck-Hendrikse konnte ein Foto ihres Töchterchens versteckt halten, Willemijn Petroff-van Gurp schrieb ein Lieder- und Psalmen-Büchlein und dem Bildhauer Frits van Hall gelang es, kleine Reliefs anzufertigen.

Begegnung zwischen den Generationen.

In den vergangenen Jahren zeichneten Jugendliche für das Gedächtnisbuch in Dachau mehrere Geschichten von ehemaligen niederländischen Häftlingen auf. Sie forschten in Archiven, interviewten Überlebende des Konzentrationslagers oder ihre Hinterbliebenen und besuchten die Orte, an denen sie gefangen gehalten wurden. Die Geschichten haben viele Jugendliche enorm beeindruckt. „Wir haben, Dank dieses Projekts, eine Freundin hinzugewonnen! … Sie lässt uns darüber nachdenken, worum es im Leben wirklich geht“, sagt Jop Bruin über die ehemalige Gefangene Willemijn Petroff-van Gurp.

 

Interaktives Monument

Das Konzentrationslager Dachau wurde am 22. März 1933 als eines der ersten Konzentrationslager in Betrieb genommen. Es galt als Modell für alle später von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslager. Für viele Gefangene wurde Dachau zur Endstation. In der Ausstellung entsteht ein interaktives Monument für ehemalige Häftlinge aus den Niederlanden. Es soll dem Besucher Antworten auf u.a. folgende Fragen geben: Wie viele niederländische Gefangene haben das KZ Dachau überlebt? Wie viele niederländische Frauen wurden dort gefangen gehalten? Besucher können digital Informationen hinzufügen, sodass ein immer vollständigeres Bild entsteht.

Aktuelles Unrecht

Heute, 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, werden noch immer Menschen aufgrund ihrer Meinung oder ihres Widerstands gegen Machthaber gefangen gehalten. In Zusammenarbeit mit Amnesty International wird in der Ausstellung drei zurzeit Inhaftierten Aufmerksamkeit geschenkt: Raif Badawi (Blogger aus Saudi-Arabien, verurteilt zu u.a. eintausend Stockhieben), Aster Fissehatsion (Politikerin aus Eritrea, inhaftiert ohne Anklage oder Prozess) und Liu Xia (Dichterin und Künstlerin aus China, steht für unbestimmte Zeit unter Hausarrest).

 Publikationen und andere Veranstaltungen

Zu Namen statt Nummern erscheint eine holländische Publikation mit allen von Jugendlichen geschriebenen Biographien über ehemalige niederländische Häftlinge. Daneben werden im Rahmen des Projekts viele Veranstaltungen organisiert: u.a. eine Podiumspräsentation, an der auch zwei deutsche Jugendliche beteiligt sind, am 4. Mai im Theater Bellevue in Amsterdam, Präsentationen von Jugendlichen sowie kleine Ausstellungen an verschiedenen Orten in den Niederlanden, u.a. in der Gedenkstätte Amersfoort. Auch das Niederländische Dachau Komitee organsiert Veranstaltungen, u.a. eine Dachau-Lesung am 24. April im Rode Hoed, Amsterdam.

Siehe www.verzetsmuseum.org für weitere Informationen.

Anfragen zum Gedächtnisbuch bitte an info@gedaechtnisbuch.de.