„Namen statt Nummern“ mit neuen Bannern in Oosterbeek

Jan van Kuik

Die Bernulphuskerk Oosterbeek zeigte vom 23.5.-30.5.2015 die Ausstellung „Namen statt Nummern“. Es wurden dort die neuen Banner von Jan van Kuik und Velo Biermann enthüllt. Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann schickte ein Grußwort. Wir dokumentieren den Wortlaut.

„Sehr geehrte Gäste der Ausstellungseröffnung, liebe Freunde aus unserer Kulturpartnerstadt Renkum,

ich freue mich als Oberbürgermeister der Stadt Dachau sehr, dass die Ausstellung „Namen statt Nummern“ heute in der Bernulphuskerk Oosterbeek eröffnet werden kann.  Bereits 2008 war die Ausstellung schon einmal in Renkum zu Gast.

Die Ausstellung, die in vielen Sprachen bereits in vielen Ländern weltweit zu sehen war, ist für die Stadt Dachau eine zeitgeschichtliche Botschafterin geworden. Sie steht beispielhaft für die Lern- und Erinnerungsarbeit, der sich die Stadt Dachau gemeinsam mit zahlreichen zeitgeschichtlichen Institutionen und Vereinen in Dachau verpflichtet sieht.

Die Lern- und Erinnerungsarbeit ist – neben der Kunst- und Kulturgeschichte – auch das zentrale verbindende Element zwischen den Städten Renkum und Dachau. 2015 können wir auf 10 Jahre Kultur- und Zeitgeschichtspartnerschaft zurückblicken. Von Schulpartnerschaften über Erinnerungsprojekte bis hin zu politischen Begegnungen hat sich zwischen unseren beiden Städten viel entwickelt. Im Oktober werde ich selbst mit einer Delegation des Dachauer Stadtrats und der Stadtverwaltung für einige Tage in ihrer wunderschönen Stadt zu Gast sein, die ich bereits im letzten Jahr beim Airborne-Gedenken kennenlernen durfte. Ich bin mir sicher, dass wir auch in den nächsten Jahren viele Ideen gemeinsam verwirklichen werden und freue mich bereits auf diese Zusammenarbeit.

Der Ausstellung „Namen statt Nummern“ wünsche ich großen Erfolg und viele interessierte Besucher.

Ihr  Florian Hartmann, Oberbürgermeister der Stadt Dachau“

Bericht von Gijs Berendse in KLEIO

Holländischer Projektteilnehmer berichtet in Magazin für Geschichtslehrer

KLEIO, eine niederländische Zeitschrift für Geschichtslehrer, hat in ihrer Septemberausgabe den Erfahrungsbericht eines holländischen Teilnehmers am Gedächtnisbuch, Gijs Berendse, veröffentlicht. Zusammen mit einer weiteren Facharbeit wurde die Arbeit von Gijs von der Zeitschrift damit als besonders herausragend gewürdigt. Hier eine deutsche Übersetzung seines Berichts.

Die Geschichte hinter der Nummer

Mit meiner Facharbeit habe ich einen Beitrag geleistet für das Gedächtnisbuchprojekt ‘Namen statt Nummern’ in Dachau. Im Rahmen dieses Projektes schreiben Schüler Kurzbiographien über ehemalige Häftlinge, die in diesem Konzentrationslager waren. Nach einem Interview-Workshop führt man selbstständig ein Interview mit dem ehemaligen Häftling oder seinen Verwandten. Auch sammelt man in Archiven möglichst viele Dokumente, die das Erzählte unterstützen und ergänzen können.

 

Zur Vorbereitung habe ich Primo Levi‘s Buch ‚Ist das ein Mensch’ gelesen. In diesem Buch beschreibt Levi das Leben im KZ und wie Menschen sich unter extremen Umständen verhalten. Ich fand es sehr nützlich, dieses Buch zu lesen, weil Levi die ‚Wir‘-Perspektive nutzt, womit er die ehemaligen Häftlingen meint. Levi schreibt, dass es für die ehemaligen Häftlinge schwierig ist, mit Jugendlichen ins Gespräch zu gehen, aber umso mehr betont er, wie wichtig dies ist. Erst als ich das gelesen habe, wurde mir wirklich klar: Ich werde mit jemanden sprechen, der ähnliche Erfahrungen hat.

Jan van Kuik ist der ehemalige Häftling, über den ich geschrieben habe. Er war über drei Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Majdanek und Natzweiler inhaftiert, bis er letztendlich in Dachau befreit wurde. Am 22. März 1942 wurde er an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz verhaftet. Jan erzählte mir, dass er nach Großbritannien fliehen und sich dort den alliierten  Streitkräften anschließen wollte. Jan war damals achtzehn Jahre alt, genauso alt wie ich jetzt bin. Das ist für mich ein unerquicklicher Gedanke. Die Lebensjahre zwischen 18 und 21 sind ihm für immer genommen worden.

Das Sammeln von Dokumenten in Archiven fand ich eigentlich eine nutzlose Tätigkeit. Journalisten hatten Jans Lebensgeschichte schon mehrmals rekonstruiert und beschrieben. Warum nicht einfach dieses Material als Quelle nutzen? Und wenn noch etwas fehlt, so dachte ich, dann rufe ich Jan an und frage ihn selbst danach. Archive können wenig Neues bringen, so meinte ich. Diese Meinung musste ich aber ändern, als ich Informationen aus einem Archiv in Österreich bekam. Darunter ein Brief, den Jan kurz nach seiner Verhaftung vom Gefängnis aus an seine Mutter geschrieben hatte. Zitat:

„Ich glaube Mutter, dass wir ein halbes Jahr bekommen. […] In etwa einem Monat kommen wir vor Gericht. […] Schreibst du bald? Das ist das einzige, was ich brauche, um die Zeit durchzustehen.“ 

Dieser Brief wurde von den Deutschen nie aufgegeben. Ich konnte lesen, wie Jan sich gleich nach Beginn seiner Haft gefühlt hat. Auch konnte ich den Brief nach mehr als 70 Jahren an die Familie geben. Das war für mich ausschlaggebend: Archivarbeit ist wichtig. An dieser Stelle habe ich dazugelernt.

Jan erklärt sein Überleben meistens aus der Perspektive einer wunderlichen Rettung oder durch ein außerordentliches Zusammentreffen von glücklichen Umständen. Stets betont er, wieviel Glück er in bestimmten Momenten gehabt hat. Nie schreibt er sein Überleben sich selbst zu. Dadurch ist er meiner Ansicht nach äußerst solidarisch mit seinen Freunden, die das KZ nicht überlebt haben.

 

Gijs Berendse, Cartesius Lyceum Amsterdam
(Übersetzung von Jos Sinnema)