Kriegsende und Nachkriegszeit
im Landkreis Dachau

Ausstellung der Geschichtswerkstatt in Markt Indersdorf

Die Geschichtswerkstatt Indersdorf präsentiert ihre Forschungsergebnisse ab dem 22.5.2015 in der Wanderausstellung des Landkreis-Projektes „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau (1945-1949)“. Bilder, Dokumente, Zeitzeugenberichte und Objekte aus dieser Zeit veranschaulichen die schwierigen Lebensumstände der Menschen in der Nachkriegszeit. Ein besonderer Aspekt der Ausstellung ist das Lager Wagenried, in dem nach dem Krieg Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht waren.

Eröffnet wird die Ausstellung am 22.5.2015 um 19 Uhr. Es sprechen Bürgermeister Franz Obesser, Anton Jais, der Vorsitzender des Dachauer Forum und Kurator Hans Kornprobst. Eine Einführung in die Ausstellung übernimmt
Annegret Braun.

Ausstellungsdauer: 22.5.-20.9.2015
Ort: Augustiner Chorherren Museum, Marienplatz 1-3, Markt Indersdorf
Öffnungszeiten: Freitag und Samstag jeweils 13 – 16 Uhr, Sonntag 13 – 17 Uhr

Veranstaltung: Heimkehr 1945 – Der schwierige Weg der befreiten KZ-Häftlinge

Gerd Modert, Historiker und Referent des Dachauer Forums, spricht am 19.5.2015 um 19.30 Uhr in der Versöhnungskirche über die Herausforderungen, denen sich die Überlebenden der Konzentrationslager nach der Befreiung stellen mussten. Nähere Informationen finden sich auf der Website der Versöhnungskirche: http://versoehnungskirche-dachau.de/angebote/pages/Veranstaltungen.php .

Wer will, kann bei dieser Veranstaltung im Gedächtnisbuch blättern, das im Veranstaltungsraum der Versöhnungskirche ausliegt.

 

 

Stationenweg 70. Jahrestag des Todesmarsches

Evangelische Versöhnungskirche und Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte veranstalteten am 26. April den Stationenweg am 70. Jahrestag des Todesmarsches aus dem KZ Dachau. Zu den Mitveranstaltern gehörte das Dachauer Forum. Alle drei Organisationen sind Trägern des Gedächtnisbuchs. Zum Auftakt in der Versöhnungskirche sprach neben anderen Rednern Max Mannheimer.
Unser Foto zeigt die Station „Nie wieder Rassismus!“. Jutta Neupert vom Arbeitskreis Asyl berichtete über die elende Situation der in Deutschland und speziell der in Dachau lebenden Flüchtlinge. Sie formulierte eine eindrückliche Forderung an die Politik: Schafft endlich Unterkünfte in Dachau mit Sozialwohnungsniveau.

Titelseite der Broschüre Geistliche im KZ Dachau

29.4.2015: Gedenken an polnische Geistliche in der Gedenkstätte Dachau

Die Pressestelle des Erzbistums München und Freising teilt mit:

„Am Mittwoch, 29. April, und damit genau am 70. Jahrestag der Befreiung des KZ, reist eine Delegation der Polnischen Bischofskonferenz nach Dachau. Nach Angaben der Polnischen Bischofskonferenz werden bis zu 1000 Pilger aus Polen und Deutschland erwartet, darunter zahlreiche Bischöfe, Priester und weitere Kleriker. Um 12 Uhr findet in der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Eucharistiefeier unter der Leitung des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, Stanislaw Gadecki, statt. Der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, konzelebriert.

Nach der Eucharistiefeier ist eine Kranzniederlegung am Bronzerelief „Christus im Elend“ an der Rückseite der Kapelle geplant, das an die vielen in Dachau zu Tode gemarterten Polen erinnert. Mit rund 40.000 Inhaftierten bildeten die Polen die größte Gruppe von Gefangenen im Konzentrationslager Dachau, 8332 von ihnen starben, darunter war rund jeder Zehnte ein Geistlicher. Dass die Opferzahlen höher sind als unter allen anderen Nationalitäten, liegt daran, dass die Nationalsozialisten gegen die polnische Geistlichkeit als einflussreiche Vertreter der Führungsschicht ihres Landes mit besonderer Härte vorgingen und internierte Geistliche ab Ende 1940 aus anderen Lagern nach Dachau deportierten.

Um 16 Uhr feiern Gadecki und Marx eine Andacht im Dom zu Freising, bevor die Delegation der Polnischen Bischofskonferenz ihre Abreise antritt.“

Es gibt einige Gedächtnisblätter, die verfolgten polnischen Priestern gewidmet sind. Die Gedächtnisbuch-Ausstellung „Geistliche im KZ Dachau“ enthält einige dieser Biographien. Biographische Texte dazu finden sich auch in der zugehörigen Broschüre, die gegen einen Unkostenbeitrag beim Dachauer Forum (info@dachauer-forum.de) erhältlich ist.

 

Annalena Elsner referiert über Pfarrer Paul Lachawietz

 

 

Großes Interesse – Ausstellungseröffnung in Altomünster

Andrang im Museum Altomünster war größer als erwartet bei der Ausstellungseröffnung der beiden Ausstellungen „Die Stadt und das Lager“ und „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau“ am 7. März. Eilends wurde die Bestuhlung aufgestockt.
Wilhelm Liebhart, Vorsitzender des Museumsvereins, Historiker und Professor an der Hochschule Augsburg, fand in seiner Eröffnungsrede eine direkte kommunale Anwendungsmöglichkeit der präsentierten Fakten: Er regte an, eine Straße im Ortsteil Pipinsried der Gemeinde Altomünster nach Jakob Schmid zu benennen. Denn die Ausstellung „Die Stadt und das Lager“ zeigt, dass der Sozialdemokrat und Dachau-Häftling aus eben diesem Ort stammt.
Neben Jakob Schmid präsentiert die Ausstellung noch die Lebensgeschichten zweier weiterer Dachau-Häftlinge, die einen engen Bezug zu Altomünster haben: Über den letzten Pfarrer von Sittenbach, Paul Lachawietz, referierte Annalena Elsner. Sie schrieb seine Gedächtnisbuch-Biographie im Rahmen eines W-Seminars. Die beiden Nichten des Pfarrers haben erste vor kurzem von der Erwähnung ihres Angehörigen in der Ausstellung erfahren, beide waren anwesend. Als Kinder haben sie oft ihre Ferien bei ihrem Onkel verbracht, im Dorf nannte man sie die „Pfarrerskinder“. Mit ihrer Hilfe konnte eine Vitrine der Ausstellung mit Tagebücher und Predigtmanuskripten bestückt werden.

Über den in Altomünster geborenen Schuhmacherssohn Pfarrer Johann Neumair gibt eine Lesemappe Auskunft: Neumair geriet in die Mühlen der NS-Justiz, weil ein prominentes Mitglied des Kreisauer Kreises in seiner Gemeinde untergetaucht war. Stationen seiner Haft sind Dachau und das Berliner Gefängnis Plötzensee. Nur die Geschehnisse zu Kriegsende verhinderten einen Prozess vor dem Volksgerichtshof. In der Mappe finden sich auch weitere Biographien von Dachau-Häftlingen aus dem Landkreis.
Die zweite Ausstellung „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau“ beschäftigt sich mit der unmittelbaren Nachkriegszeit in Altomünster. Auch hier zieht das Museum praktischen Nutzen aus den Erkenntnissen der Geschichtswerkstatt: Die Tracht der Heimatvertriebenen soll künftig in der Trachtenstube Altomünster präsentiert werden, so Liebhart.
Bürgermeister Anton Kerle würdigte in seiner Anspache, dass nun nach 70 Jahren eine wertfreie Betrachtung der Geschehnisse der NS-Zeit und der Nachkriegszeit möglich sei.
Anton Jais, Vorsitzender des Dachauer Forums, freute sich über den großen Erfolg, den die Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau gefunden hat. Er betonte die Ambivalenz der Nachkriegsjahre: Der Antisemitismus sei nicht über Nacht verschwunden, die Zeit der Verdrängung begann mit dem alliierten Einmarsch.
Annegret Braun, Projektleiterin der Geschichtswerkstatt, wies auf die Veränderungen der Sozialstruktur in der unmittelbaren Nachkriegszeit hin: Plötzlich gab es viele Flüchtlinge im Ort, die oft nicht mit offenen Armen empfangen wurden. Ein weiteres Novum für die Gemeinde: Viele von ihnen waren Evangelische und Sozialdemokraten. Und 1946 kam in Altomünster das erste Besatzungskind zur Welt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 19. April im Museum Altomünster zu sehen: http://www.museum-altomuenster.de/ .

Ein Bericht über die Ausstellungseröffnung findet sich auch auf
Merkur-online.de:
http://www.merkur-online.de/lokales/dachau/altomuenster/doppelausstellung-feiert-premiere-4799666.html

Präsentation des Gedächtnisblatts zu Lachawietz (hier in Odelzhausen)

 Das Lager und der Landkreis: Ausstellungseröffnung in Altomünster

Die Ausstellungen „Das Lager und der Landkreis“ sowie „Kriegsende und Nachkriegszeit in Altomünster (1945-1949) werden am Samstag, den 7. März, um 19 Uhr im Museum Altomünster eröffnet. Beide Ausstellungen erarbeitete die Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau.
Die Ausstellung „Das Lager und der Landkreis“ stellt Lebensgeschichten von ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau vor, die aus dem Landkreis Dachau stammen. Die Ausstellung wurde im Rahmen des Gedächtnisbuchprojekts unter
Leitung von Sabine Gerhardus erarbeitet. Recherchiert haben Schülerinnen
und Schüler aus Dachau und Heimatforscher vor Ort.
Unter anderem geht es in der Ausstellung um Paul Lachawietz, langjähriger Kaplan in Altomünster und letzter Pfarrer von Sittenbach. Erst vor kurzem erfuhr eine seiner Nichten zufällig davon, dass ein Banner der Ausstellung ihrem Onkel gewidmet ist. Sie stellte der Geschichtswerkstatt Fotos, Tagebücher und Predigten zur Verfügung, die Ausstellung präsentiert einen Teil dieser Stücke in einer Vitrine.
Die ersten Jahre nach dem Krieg nimmt die Austellung „Kriegsende und Nachkriegszeit in Altomünster“ in den Blick: Ein einschneidendes Datum zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Altomünster ist der 26. April 1945 mit einem Luftangriff auf den Bahnhof. Am 28. April rückte die US-Armee ein. In den Folgemonaten und Jahren veränderte sich die Einwohnerstruktur von Altomünster entscheidend, nicht zuletzt weil viele Flüchtlinge und Vertriebene in die Gemeinde zogen – auch dies wird in der Ausstellung gezeigt.
Am Samstag, den 21. März, um 14 Uhr findet im Museum ein Erzählcafé statt.

Ausstellungseröffnung: Samstag, 7. März 2015, 19, Museum Altomünster, St.-Birgittenhof 6
Erzählcafé: Samstag 21. März, 14 Uhr im Museum (Veranstalter Dachauer Forum)
Ausstellungsdauer: 7. März bis 19. April 2015
Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag.: 13 bis 16 Uhr, Sonntag: 13 bis 17 Uhr

Annegret Braun (links), Sabine Gerhardus (rechts)

„Es waren mehr Personen aus dem Landkreis Dachau im KZ inhaftiert, als wir gedacht haben“ – Ergebnisse der Geschichtswerkstatt

Wie alle Beteiligten des Pressegesprächs zum Ende der LEADER-Förderperiode der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau zog auch Sabine Gerhardus, die das Biographieprojekt der Geschichtswerkstatt geleitet hatte, ein positives Resümee: „Die Biographiearbeit zu Verfolgten des NS-Regimes ist nun auch im Landkreis angekommen. Ein Ergebnis des Projekts ist: Es waren wesentlich mehr Personen aus dem Landkreis im KZ Dachau inhaftiert, als wir gedacht haben.“

Auch Norbert Göttler, Bezirksheimatpfleger, Schirmherr und Initiator der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau, hätte sich einen besseren Verlauf gar nicht vorstellen können: „Die Geschichtswerkstatt war ein Quantensprung für die Heimatforschung im Landkreis Dachau. Und das Schöne am heutigen Abschlussgespräch ist: Es kann weiter geforscht werden, der Weiterbestand der Geschichtswerkstatt ist gesichert.“

Am Pressegespräch am 26. November 2014 teil nahmen Vertreter der Institutionen, die die Geschichtswerkstatt möglich gemacht haben: Anton Jais, 1.Vorsitzender des Dachauer Forums, Annerose Stanglmayr, Geschäftsführerin des Dachauer Forums, und Ksenija Pointner, Geschäftsführerin der Vhs Dachau Land vertraten die beiden Träger. Für Dachau AGIL war Julia Gamperl anwesend, für den Landkreis Dachau saß Wolfgang Reichelt am Tisch. Die konkrete Projektarbeit repräsentierten Projektkoordinator Thomas Vötter, Projektleiterin Teilprojekt 2 Annegret Braun und Projektleiterin Teilprojekt 3 Sabine Gerhardus.

Die bei dieser Gelegenheit vorgestellte Broschüre „Geschichtswerkstatt. Vom Projekt zur Bürgerbewegung“ stellt die drei abgeschlossenen Teilprojekte der Geschichtswerkstatt ausführlich und mit vielen Illustrationen dar: Der Lehrgang für Zeitgeschichte, Teilprojekt 1, gab vielen Heimatforschern das nötige Rüstzeug für die Beteiligung an der Geschichtswerkstatt. Das Teilprojekt 2 dokumentierte in vielen Ausstellungen das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit im Landkreis Dachau. Teilprojekt 3 erforschte in enger Zusammenarbeit mit dem Gedächtnisbuch für Häftlinge des KZ Dachau die Biographien von Landkreisbewohnern, die im KZ Dachau inhaftiert waren.

Norbert Göttler (links), Wolfgang Reichelt (rechts)

Wolfgang Reichelt, Vertreter des Landkreis Dachaus, übermittelte gute Nachrichten für die Geschichtswerkstatt: „Der Landkreis wird die Geschichtswerkstatt weiter unterstützen, die Geschichtswerkstatt kann bestehen bleiben.“

6000 Besucher zählten die Ausstellungen in den verschiedenen Landkreisgemeinden. Die große Resonanz, die die Geschichtswerkstatt verzeichnen kann, stand keineswegs zu Projektbeginn fest. Anton Jais berichtet: „Ich war neu im Amt, als das auf mich zukam. 75 000 Euro Fördermittel der EU – ich dachte nur, hoffentlich geht das gut. Gottseidank, es ist gut gegangen. Ein großes Dankeschön an alle, die mitgetragen haben und die vor Ort dabei waren!

Annegret Braun betreute die Ausstellungen vor Ort und meint: „Das ist eine gute Basis für die Weiterarbeit, viele Seiten der Ortsgeschichte konnten in den Ausstellungen dargestellt werden. Das alles wird in der Broschüre dokumentiert.“ Annerose Stanglmayr betont die identitätsstiftende Funktion der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau. Für Thomas Vötter ist die Geschichtswerkstatt ein großes Dach, unter dem jeder seine Ergebnisse gut präsentieren kann.

Für Ksenija Pointner von der Vhs Dachau Land ist die verbesserte Zusammenarbeit der beiden Erwachsenenbildungseinrichtungen ein wesentliches Ergebnis des Projekts: „Die Zusammenarbeit mit dem Dachauer Forum war für uns wichtig. Das hat neue Möglichkeiten geschaffen und die Kommunikationswege sind kürzer geworden.“ Dachau AGIl sieht einen großen Vorzug des Projekts Geschichtswerkstatt darin, dass eine gemeinde-, partei- und institutionenübergreifende Arbeit möglich ist.

Wer sich für die Ergebnisse der Geschichtswerkstatt interessiert, kann die Broschüre „Geschichtswerkstatt. Vom Projekt zur Bürgerbewegung“ beim Dachauer Forum bestellen: Telefon 08131 – 996 88-0, E-Mail info@dachauer-forum.de. Eine ausführliche und ständig wachsende Sammlung der Projektergebnisse findet sich auch unter www.geschichtswerkstatt-dachau.de .

 

Ludwig Schmidinger im Gespräch mit Erwin Schild (6.11.14, Foto Hedi Bäuml)

Erwin Schild in Dachau: eine Stimme des Friedens

Anlass für diesen Beitrag gab die Gedenkveranstaltung mit Rabbi Erwin Schild zur Reichspogromnacht in Dachau am 6.11.2014 im Rathaus. Eingeladen hatten der Trägerkreis Reichpogromnacht (Evangelische Versöhnungskirche in der KZ Gedenkstätte Dachau, Dachauer Forum e.V., Katholische Seelsorge an der KZ Gedenkstätte Dachau, Kulturamt der Stadt Dachau, KZ Gedenkstätte Dachau, Verein „Zum Beispiel Dachau“). Erwin Schild ist im Gedächtnisbuchprojekt kein Unbekannter: Ein Gedächtnisblatt über sein Leben wurde 2005 erstellt, ein Banner zu seiner Biographie gibt es in der Ausstellung „Geistliche im KZ Dachau“ und in der englischen Version der Internationalen Wanderausstellung „Namen statt Nummern“. Den nachfolgenden Text schrieb Sabine Gerhardus.

Baut Brücken statt Mauern! Mauern trennen, grenzen aus, schotten ab, und sie hindern Flüchtlinge davor, den rettenden Zufluchtsort zu erreichen. Die Erfahrung der Monate dauernden Flucht vor den Nazis, die Angst, an der Grenze wieder zurück geschickt zu werden und den Mördern endgültig ausgeliefert zu sein, hat Erwin Schild tief geprägt. Er war Student der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg, ein paar Monate nur, in denen er eine enge Bindung an die jüdische Kultur erfuhr und sein Glaube an Kraft und Reichtum gewann – bevor im November 1938 ein Inferno über sein Leben hereinbrach. In den Schlafsälen wurden die jungen Studenten von Nazischergen überfallen, sie zerschlugen Fenster, zerstörten die Betten, Koffer, alle Habseligkeiten und ließen die Jungen verängstigt und verloren zurück – am nächsten Morgen fanden sie ihr Seminar besetzt, die Bücher in Flammen und die Stadt in der Hand eines brutalen Mobs. Schließlich wurden sie ins Gefängnis und dann ins KZ Dachau gebracht. Dass Erwin Schild dieses Pogrom überleben würde, schien kaum möglich.

Am 6. November 2014 erzählt Erwin Schild, inzwischen 94 Jahre alt, im Rathaus der Stadt Dachau von seinen Erinnerungen. Er berichtet von den schlimmsten Stunden seines Lebens, als er seinen Vater in Dachau traf, in einem Moment, als dieser von dem Gruppenältesten gestoßen wurde. Aber geprägt ist seine Erzählung von einer ganz anderen Kraft – von der Kraft seines Glaubens an einen Gott der Versöhnung, der keinen Unterschied macht zwischen den Menschen. Jeder Flüchtling hat das Recht Zuflucht zu finden – bei jedem von uns. Statt Mauern sollen wir Brücken bauen. Das sind keine hohlen Worte, es ist ein lebendiger, ein kraftvoller Appell: Wir dürfen nicht die Hoffnung aufgeben, dass die Menschheit doch lernen kann, sich vom Hass abzuwenden, jeder von uns kann dazu beitragen, statt Mauern Brücken bauen und helfen, einen Weg des Zusammenlebens zu finden.

Erwin Schild ist nicht umsonst Rabbiner geworden, ein Lehrender, der sich seit Jahren schon für den jüdisch-christlichen auch den jüdisch-deutschen Dialog einsetzt. Seine Offenheit reicht weit über die christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften hinaus. „Keine Gruppe, keine Religion  hat eine exklusive Verbindung mit dem Herrn der Welt.“ (Aus Erwin Schilds Rede vor evangelischen Christen am Reformationstag 1988 in seiner Heimatstadt Köln: Die Welt durch mein Fenster. Einsichten und Wegweisung eines kanadischen Rabbiners deutscher Herkunft für das Leben in unserer Zeit, Köln 1996.) Auch in der Begegnung in Dachau spürt man seinen Appell, den Menschen in Liebe, Güte zu begegnen, Mitleid, Demut und Opfergeist zu zeigen, den Dialog zu suchen – eben, Brücken zu bauen.

Einen Weg in eine friedliche Welt können wir finden, wenn wir „Verantwortung für unsere Umwelt annehmen, unser Brot mit den Hungrigen teilen, ein verschmachtendes Kind als eine unerträgliche Blasphemie unseres göttlichen Ebenbildes empfinden.“ (Die Welt durch mein Fenster, Köln 1996) Erwin Schilds Appell an die Menschlichkeit hat bis heute – leider – nichts von seiner Dringlichkeit verloren. In einer Zeit, in der wir von Nachrichten über Terror, Hass und Rassismus überflutet werden, könnte man verzweifeln angesichts dessen, was Menschen einander antun.  Es tut gut, zu sehen, welche innere Ruhe und versöhnliche Kraft Erwin Schild ausstrahlt. Mit seiner Aufmerksamkeit und seinem großen Herzen verzaubert er die Zuhörer in Dachau. Möge er die Menschen noch lange erreichen und sie mit seiner Güte anstecken. Eine Stimme des Friedens, leise, aber kraftvoll genug um Hoffnung und Mut zum Handeln zu machen. Stimmen wie Deine brauchen wir sehr, lieber Erwin – ich danke Dir!

Erwin und Laura Schild in Ottawa 2012
Gunnar Richter, der Leiter der Gedenkstätte, führt durch die Gedenkstätte

 

Gedenkstättenfahrt nach Breitenau,Wewelsburg und Trutzhain

Breitenau, eine ehemalige Benediktinerabtei, weist vom 19. Jahrhundert bis in die Bundesrepublik eine Kontinuität als Haftstätte einerseits, als Kirche andererseits auf. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Abtei zum „Arbeitshaus“. Die Nazis machten den Ort zum KZ, bis in die 1970er Jahre befand sich hier ein Mädchenerziehungsheim. Die Gedenkstätte thematisiert vor allem die NS-Zeit: Der Zufallsfund eines großen Aktenkonvoluts gab den Anstoß zur wissenschaftlichen Erforschung der NS-Geschichte des Orts und zur Gründung der Gedenkstätte.

Der Künstler Stephan von Borstel gestaltete die Ausstellung der Gedenkstätte Breitenau
Rundgang durch die Wewelsburg

Einen ganzen Tag beschäftigten sich die Exkursionsteilnehmer mit der Wewelsburg: Ganz gewiss nicht zu den NS-Stararchitekten gehörte Hermann Bartels, der im Auftrag Himmlers die Wewelsburg zu einem Zentrum der SS umbauen sollte. Ausführen mussten die Arbeiten Häftlinge eines eigens eingerichteten Konzentrationslager. Das einstige Renaissanceschloss sollte das Gepräge einer mittelalterlichen Burg erhalten. Das Ergebnis von Bartels architektonischen Bemühungen wirkt eher unbeholften.

SS-Porzellan aus Allach

Ein von den Nazis verlegtes Bodenmuster der sogenannten „Schwarzen Sonne“ erschien den Teilnehmern der Gedenkstättenfahrt unspektakulär. Nichtsdestotrotz ist es bis heute Mittelpunkt einer ganzen Reihe rechter esoterischer Vorstellungen. Die Exkursionsteilnehmer machten es sich auf dem Emblem mittels bereitgestellter Sitzsäcke bequem und bestaunten diese Gepflogenheiten.
Ein Teil der Ausstellung auf der Wewelsburg beschäftigt sich mit der Geschichte der SS. Gekonnt präsentieren die Ausstellungsmacher hier viele Aspekte der Tätergeschichte auf dem neuesten Stand der Forschung. Immer wieder werden Verbindungen zum zentralen SS-Standort Dachau deutlich – an einer Stelle symbolisiert durch in der Porzellanmanufaktur Allach von Dachauer Häftlingen gefertigte Ausstellungsstücke.
Der letzte Tag der Gedenkstättenfahrt widmete sich der Gedenkstätte Trutzhain. Langjährige Leiterin der Gedenkstätte war Waltraud Burger, nunmehr pädagogische Leiterin in der Gedenkstätte Dachau.

Blick in eine Trutzhainer Straße

Die Nazis installierten das STALAG IX A Ziegenhain im heutigen Trutzhain auf einer unbebauten Wiese, in der Nachkriegszeit wurde daraus ein Internierungslager für Nazis, später ein DP-Lager. Den hier schließlich einquartierten Flüchtlingen und Heimatvertriebenen wurden die von ihnen bewohnten Baracken schließlich gegen einen geringen Geldbetrag zum Kauf angeboten. Daraus entwickelte sich eine städtische Wohnstruktur, die bis heute größtenteils aus den umgebauten Baracken des Häftlingslagers besteht. Auch der Blick in das Innere einer weitgehend originalerhaltenen Baracke war möglich, sie wird heute als Lager einer Textilfabrik genutzt.

Fabriklager in einer ehemaligen Häftlingsbaracke

Organisiert wurde die diesjährige Gedenkstättenfahrt von drei Trägerorganisationen des Gedächtnisbuchs, dem Dachauer Forum, der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau.