Kriegsende und Nachkriegszeit
im Landkreis Dachau

Ausstellung der Geschichtswerkstatt in Markt Indersdorf

Die Geschichtswerkstatt Indersdorf präsentiert ihre Forschungsergebnisse ab dem 22.5.2015 in der Wanderausstellung des Landkreis-Projektes „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau (1945-1949)“. Bilder, Dokumente, Zeitzeugenberichte und Objekte aus dieser Zeit veranschaulichen die schwierigen Lebensumstände der Menschen in der Nachkriegszeit. Ein besonderer Aspekt der Ausstellung ist das Lager Wagenried, in dem nach dem Krieg Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht waren.

Eröffnet wird die Ausstellung am 22.5.2015 um 19 Uhr. Es sprechen Bürgermeister Franz Obesser, Anton Jais, der Vorsitzender des Dachauer Forum und Kurator Hans Kornprobst. Eine Einführung in die Ausstellung übernimmt
Annegret Braun.

Ausstellungsdauer: 22.5.-20.9.2015
Ort: Augustiner Chorherren Museum, Marienplatz 1-3, Markt Indersdorf
Öffnungszeiten: Freitag und Samstag jeweils 13 – 16 Uhr, Sonntag 13 – 17 Uhr

Ehrengäste: Henk van de Water und Frau van de Water

Diese Vergangenheit ist ihre Gegenwart – Pressetext zur Projektpräsentation am 22.3.2015

Henk van de Water, 91jähriger Überlebender des KZ Dachau, reiste eigens aus Holland an, um die Präsentation seiner Lebensgeschichte durch holländische Schüler zu hören. „Henk erzählte uns, dass er nicht überlebt hätte, wenn sich die Befreiung des Lagers noch einige Tage hingezogen hätte.“, berichteten die Schüler. Van de Water hat glücklicherweise überlebt und nutzte die Gelegenheit des Schlussworts, um seiner Frau eine öffentliche Liebeserklärung zur bevorstehenden Goldenen Hochzeit zu machen

Noch weitere zwölf Lebensgeschichten von Häftlingen des KZ Dachau präsentierten Teilnehmer des Gedächtnisbuchprojekts am 22. März in der Kirche des Karmel Heilig Blut in Dachau. Annegret Braun von der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau erzählte über den Beginn ihrer Recherchen: „Ich komme aus Sulzemoos wie Jakob Hartmann und habe bei meinen Recherchen über ein anderes Projekt immer wieder gehört: „Da war einer, der hat im Wirtshaus etwas gegen den Nationalsozialismus gesagt und der kam dann nach Dachau.““ Hartmann trat schon vor der Machtergreifung gegen die Nazis ein: Er störte mit Josef Baumgartner, dem späteren bayerischen Landwirtschaftsminister, nationalsozialistische Versammlungen. „Mit Jakob Hartmann haben wir wieder einen Häftling gefunden, der in den Unterlagen des Archivs der Gedenkstätte nicht erfasst war. Es gibt aber noch viele andere Menschen, die in Vergessenheit geraten sind. Ihre Biografien zu erforschen, wird auch in Zukunft unsere Aufgabe sein.“, fasste die Referentin zusammen.

Max Günther, in der Nachkriegszeit sehr engagiert in der Gedenkstätte in Dachau, stand im Mittelpunkt des Vortrags von Sophia Maier. Die Studentin aus Augsburg schrieb ihre Biographie für das Gedächtnisbuch als Abiturientin am Ignaz-Taschner-Gymnasium. Der von ihr porträtierte Max Günther arbeitete 1933 bei MAN in Nürnberg. Seine Widerstandstätigkeit führte bereits 1933 zu einer ersten Verhaftung: Günther organisierte verbotene Treffen der KPD und druckte und verteilte Flugblätter gegen die Nazis. Ein Gericht sprach ihn wegen Mangels an Beweisen frei. Doch bereits im Herbst des Jahres folgte die zweite Verhaftung und viele Jahre KZ-Haft. Gesundheitlich schwer angeschlagen überlebte Max Günther. Spätfolgen der Lagerzeit waren körperliche und seelische Leiden.

Häufig telefoniert Christina Kranz, Abiturientin am Josef-Effner-Gymnasium, mit Otto Schimmel. Der aus Ungarn stammende jüdische Holocaust-Überlebende lebt in den Vereinigten Staaten und wäre gerne zur Präsentation angereist, gesundheitliche Gründe hinderten ihn daran. 1944, nach der Besetzung Ungarns, geriet die Familie Schimmel in die deutsche Vernichtungsmaschinerie: Seine Mutter, seine Schwester und seine Großmutter wurden in Auschwitz ermordet. Otto Schimmel überlebte Auschwitz und das Dachauer Außenlager Mühldorf. Noch heute berichtet Schimmel in Schulen über seine Erlebnisse während des Holocaust. Denn wie er sagt: „It could happen again.“

Klaus Schultz, Diakon der Versöhnungskirche, brachte in seiner Ansprache die Gefühle vieler Veranstaltungsbesucher auf den Punkt: „Wir können das Gehörte aber auch zurücklassen – uns anderen Dingen widmen. Die Menschen, die man in die Konzentrationslager verschleppte, können ihre Geschichte nicht zurücklassen – nicht einfach wegstellen und sich nicht mehr mit ihr beschäftigen. Diese Vergangenheit ist ihre Gegenwart. Nicht immer, aber doch sehr oft.“

 

Präsentation 2015: Bilder und Zitate – Teil 3


Valentin Gerhardus und Nils Kugelmann begleiteten die Veranstaltung musikalisch

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Maya Bakulina und Kat Semel

„Wie entstand unser Gedächtnisblatt zu Gustav Neustädter? Am Anfang mussten wir eine Person wählen, dessen Biographie wir schreiben wollen. Zuerst hatten wir zwei Personen im Sinn, Gustav Neustädter und einen anderen Mann. Durch eine kleine Recherche entdeckten wir, dass es im Staatsarchiv Würzburg sehr interessante Materialien über Gustav Neustädter sowie Gestapo-Akten gibt. Dies veranlasste uns, ihn auszuwählen.
Also sind wir nach Würzburg gefahren und haben dort etwa 3 Stunden im Archivverbracht. Danach hatten wir schon einen großen Stapel von Dokumenten. In den darauf folgenden Wochen haben wir alle Dokumente überprüft und klassifiziert, und wir haben angefangen, die Biographie zu schreiben. Heute können wir das Ergebnis unserer Arbeit präsentieren.“ (Maya Bakulina, Kat Semel)

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Annegret Braun

 

„Ich komme aus Sulzemoos wie Jakob Hartmann und habe bei meinen Recherchen über ein anderes Projekt immer wieder gehört: „Da war einer, der hat im Wirtshaus etwas gegen den Nationalsozialismus gesagt und der kam dann nach Dachau.“ Und als ich gebeten wurde, über Jakob Hartmann zu recherchieren, war mir klar. Es ist ein und derselbe Mann.“

„Mit der eidesstattlichen Erklärung von Jakob Hartmann haben wir wieder einen Häftling gefunden, der in den Unterlagen des Archivs der Gedenkstätte nicht erfasst war. Damit konnten wir eine Lücke schließen. Es gibt aber noch viele andere Menschen, die in Vergessenheit geraten sind. Ihre Biografien zu erforschen wird auch in Zukunft unsere Aufgabe sein.“  (Annegret Braun)

 

Annalena Elsner referiert über Pfarrer Paul Lachawietz

 

 

Großes Interesse – Ausstellungseröffnung in Altomünster

Andrang im Museum Altomünster war größer als erwartet bei der Ausstellungseröffnung der beiden Ausstellungen „Die Stadt und das Lager“ und „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau“ am 7. März. Eilends wurde die Bestuhlung aufgestockt.
Wilhelm Liebhart, Vorsitzender des Museumsvereins, Historiker und Professor an der Hochschule Augsburg, fand in seiner Eröffnungsrede eine direkte kommunale Anwendungsmöglichkeit der präsentierten Fakten: Er regte an, eine Straße im Ortsteil Pipinsried der Gemeinde Altomünster nach Jakob Schmid zu benennen. Denn die Ausstellung „Die Stadt und das Lager“ zeigt, dass der Sozialdemokrat und Dachau-Häftling aus eben diesem Ort stammt.
Neben Jakob Schmid präsentiert die Ausstellung noch die Lebensgeschichten zweier weiterer Dachau-Häftlinge, die einen engen Bezug zu Altomünster haben: Über den letzten Pfarrer von Sittenbach, Paul Lachawietz, referierte Annalena Elsner. Sie schrieb seine Gedächtnisbuch-Biographie im Rahmen eines W-Seminars. Die beiden Nichten des Pfarrers haben erste vor kurzem von der Erwähnung ihres Angehörigen in der Ausstellung erfahren, beide waren anwesend. Als Kinder haben sie oft ihre Ferien bei ihrem Onkel verbracht, im Dorf nannte man sie die „Pfarrerskinder“. Mit ihrer Hilfe konnte eine Vitrine der Ausstellung mit Tagebücher und Predigtmanuskripten bestückt werden.

Über den in Altomünster geborenen Schuhmacherssohn Pfarrer Johann Neumair gibt eine Lesemappe Auskunft: Neumair geriet in die Mühlen der NS-Justiz, weil ein prominentes Mitglied des Kreisauer Kreises in seiner Gemeinde untergetaucht war. Stationen seiner Haft sind Dachau und das Berliner Gefängnis Plötzensee. Nur die Geschehnisse zu Kriegsende verhinderten einen Prozess vor dem Volksgerichtshof. In der Mappe finden sich auch weitere Biographien von Dachau-Häftlingen aus dem Landkreis.
Die zweite Ausstellung „Kriegsende und Nachkriegszeit im Landkreis Dachau“ beschäftigt sich mit der unmittelbaren Nachkriegszeit in Altomünster. Auch hier zieht das Museum praktischen Nutzen aus den Erkenntnissen der Geschichtswerkstatt: Die Tracht der Heimatvertriebenen soll künftig in der Trachtenstube Altomünster präsentiert werden, so Liebhart.
Bürgermeister Anton Kerle würdigte in seiner Anspache, dass nun nach 70 Jahren eine wertfreie Betrachtung der Geschehnisse der NS-Zeit und der Nachkriegszeit möglich sei.
Anton Jais, Vorsitzender des Dachauer Forums, freute sich über den großen Erfolg, den die Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau gefunden hat. Er betonte die Ambivalenz der Nachkriegsjahre: Der Antisemitismus sei nicht über Nacht verschwunden, die Zeit der Verdrängung begann mit dem alliierten Einmarsch.
Annegret Braun, Projektleiterin der Geschichtswerkstatt, wies auf die Veränderungen der Sozialstruktur in der unmittelbaren Nachkriegszeit hin: Plötzlich gab es viele Flüchtlinge im Ort, die oft nicht mit offenen Armen empfangen wurden. Ein weiteres Novum für die Gemeinde: Viele von ihnen waren Evangelische und Sozialdemokraten. Und 1946 kam in Altomünster das erste Besatzungskind zur Welt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 19. April im Museum Altomünster zu sehen: http://www.museum-altomuenster.de/ .

Ein Bericht über die Ausstellungseröffnung findet sich auch auf
Merkur-online.de:
http://www.merkur-online.de/lokales/dachau/altomuenster/doppelausstellung-feiert-premiere-4799666.html