10. April 2015
|
Ehrengäste: Henk van de Water und Frau van de Water |
Diese Vergangenheit ist ihre Gegenwart – Pressetext zur Projektpräsentation am 22.3.2015
Henk van de Water, 91jähriger Überlebender des KZ Dachau, reiste eigens aus Holland an, um die Präsentation seiner Lebensgeschichte durch holländische Schüler zu hören. „Henk erzählte uns, dass er nicht überlebt hätte, wenn sich die Befreiung des Lagers noch einige Tage hingezogen hätte.“, berichteten die Schüler. Van de Water hat glücklicherweise überlebt und nutzte die Gelegenheit des Schlussworts, um seiner Frau eine öffentliche Liebeserklärung zur bevorstehenden Goldenen Hochzeit zu machen
Noch weitere zwölf Lebensgeschichten von Häftlingen des KZ Dachau präsentierten Teilnehmer des Gedächtnisbuchprojekts am 22. März in der Kirche des Karmel Heilig Blut in Dachau. Annegret Braun von der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau erzählte über den Beginn ihrer Recherchen: „Ich komme aus Sulzemoos wie Jakob Hartmann und habe bei meinen Recherchen über ein anderes Projekt immer wieder gehört: „Da war einer, der hat im Wirtshaus etwas gegen den Nationalsozialismus gesagt und der kam dann nach Dachau.““ Hartmann trat schon vor der Machtergreifung gegen die Nazis ein: Er störte mit Josef Baumgartner, dem späteren bayerischen Landwirtschaftsminister, nationalsozialistische Versammlungen. „Mit Jakob Hartmann haben wir wieder einen Häftling gefunden, der in den Unterlagen des Archivs der Gedenkstätte nicht erfasst war. Es gibt aber noch viele andere Menschen, die in Vergessenheit geraten sind. Ihre Biografien zu erforschen, wird auch in Zukunft unsere Aufgabe sein.“, fasste die Referentin zusammen.
Max Günther, in der Nachkriegszeit sehr engagiert in der Gedenkstätte in Dachau, stand im Mittelpunkt des Vortrags von Sophia Maier. Die Studentin aus Augsburg schrieb ihre Biographie für das Gedächtnisbuch als Abiturientin am Ignaz-Taschner-Gymnasium. Der von ihr porträtierte Max Günther arbeitete 1933 bei MAN in Nürnberg. Seine Widerstandstätigkeit führte bereits 1933 zu einer ersten Verhaftung: Günther organisierte verbotene Treffen der KPD und druckte und verteilte Flugblätter gegen die Nazis. Ein Gericht sprach ihn wegen Mangels an Beweisen frei. Doch bereits im Herbst des Jahres folgte die zweite Verhaftung und viele Jahre KZ-Haft. Gesundheitlich schwer angeschlagen überlebte Max Günther. Spätfolgen der Lagerzeit waren körperliche und seelische Leiden.
Häufig telefoniert Christina Kranz, Abiturientin am Josef-Effner-Gymnasium, mit Otto Schimmel. Der aus Ungarn stammende jüdische Holocaust-Überlebende lebt in den Vereinigten Staaten und wäre gerne zur Präsentation angereist, gesundheitliche Gründe hinderten ihn daran. 1944, nach der Besetzung Ungarns, geriet die Familie Schimmel in die deutsche Vernichtungsmaschinerie: Seine Mutter, seine Schwester und seine Großmutter wurden in Auschwitz ermordet. Otto Schimmel überlebte Auschwitz und das Dachauer Außenlager Mühldorf. Noch heute berichtet Schimmel in Schulen über seine Erlebnisse während des Holocaust. Denn wie er sagt: „It could happen again.“
Klaus Schultz, Diakon der Versöhnungskirche, brachte in seiner Ansprache die Gefühle vieler Veranstaltungsbesucher auf den Punkt: „Wir können das Gehörte aber auch zurücklassen – uns anderen Dingen widmen. Die Menschen, die man in die Konzentrationslager verschleppte, können ihre Geschichte nicht zurücklassen – nicht einfach wegstellen und sich nicht mehr mit ihr beschäftigen. Diese Vergangenheit ist ihre Gegenwart. Nicht immer, aber doch sehr oft.“