Ökumenische Trauerfeier für Mirjam Ohringer und Hermann Scheipers

Am Sonntag, den 12. Juni 2016, findet um 11 Uhr eine ökumenischen Trauerfeier für Mirjam Ohringer und Hermann Scheipers in der Versöhnungskirche auf dem Gelände der Gedenkstätte Dachau statt.

Uns erreichte dazu folgende Ankündigung:

 

Kirchen trauern um die Zeitzeugen Mirjam Ohringer und Hermann Scheipers – Gottesdienst in der KZ-Gedenkstätte Dachau

Vor wenigen Tagen sind mit Mirjam Ohringer und Hermann Scheipers zwei Zeitzeugen des Widerstands gegen das NS-Regime gestorben, die eng mit Dachau verbunden waren. Beide haben hier und international viele Menschen tief geprägt. Die Evangelische Versöhnungskirche und die Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte laden am Sonntag, 12. Juni 2016, 11 Uhr zu einer ökumenischen Trauerfeier in der Versöhnungskirche auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers ein.

Das Team der Versöhnungskirche hatte – wie viele andere – auf weitere Begegnungen mit den beiden gehofft. Doch die Trauer über den unwiederbringlichen Verlust verbindet sich mit dankbaren Erinnerungen an die unkonventionell jüdisch-kommunistische Holländerin („Ich bin die mit Marx und Moses“) und den charismatisch-humorvollen katholischen Priester aus dem Münsterland („als Christ zum geistigen Widerstand verpflichtet“). Und diese Erinnerungen sollen auch bei der Trauerfeier im Mittelpunkt stehen.

Mirjam Ohringer wird am 26. Oktober 1924 als Kind jüdischer Emigranten aus Galizien in Amsterdam geboren. Schon früh erfährt sie durch die eigene Familie viel über Schicksale rassistisch und politisch Verfolgter, von denen nicht wenige seit 1933 in den Niederlanden Zuflucht suchen. Rückblickend sagt sie bei einer Rede 2008: „Sie waren illegal und mussten sich verstecken, von uns versteckt und am Leben gehalten werden. So jung wie ich war, habe ich daran teilgenommen, weil das für meine Eltern, für den Kreis, in dem ich aufgewachsen bin, selbstverständlich war. Ich erwähne diese Menschen, denn sie waren in meinen Augen das Beste, was Deutschland zu bieten hatte. Ihre Lehren, ihr Wissen darüber, wie man sich zu verhalten hatte, woran gedacht werden musste, um Widerstand gegen die Nazis zu leisten, diese Lehren haben uns geholfen zu überleben.“ Obwohl sie nach der deutschen Überfall auf ihre Heimat im Mai 1940 als Jüdin selbst gefährdet ist, beteiligt sie sich als Gymnasiastin am kommunistischen Widerstand, organisiert Papier für Flugblätter, tippt Nachrichten, schmuggelt illegale Zeitungen. Ihr Freund Ernst Josef Prager wird im Juni 1941 verhaftet und im KZ Mauthausen ermordet. Mirjam lebt selbst seit 1942 im Untergrund bis zur Befreiung 1945. Nach dem Krieg gründet Mirjam mit einen Holländer eine Familie und bekommt vier Kinder. Zudem engagiert sie sich in der Friedensbewegung. 1982 fährt sie zum ersten Mal nach Mauthausen. Sie wird Gründungsmitglied des Niederländischen Mauthausen-Komitees, dessen Vorsitzende sie zuletzt auch ist. Mirjam Ohringer kämpft ihr Leben lang gegen Nationalsozialismus und Faschismus, für Menschenrechte und für die Freiheit. Sie setzt sich dafür ein, das Erlebte nachfolgenden Generationen zu vermitteln. Fast 30 Jahre tut sie das auch jeden Sommer bei der Internationalen Jugendbegegnung in Dachau (IJB). 2009 erhält sie den Preis für Zivilcourage der Stadt Dachau. Über Jahrzehnte begleitet sie junge deutsche Freiwillige von „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ in den Niederlanden. 2013 wirkt sie als Zeitzeugin beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg mit – und bezeichnet in ihrer humorvoll-respektlosen Art eine Abendandacht als „komischen christlich-jüdischen Mischmasch“, der ihr aber gefalle. Am 29. Mai stirbt Mirjam Ohringer nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren in Amsterdam. Bei der Trauerfeier wird die Pädagogin Gisela Joelsen, die über viele Jahre zum IJB-Team gehörte, an die Verstorbene erinnern.

Als Hermann Scheipers am 24. Juli 1913 in Ochtrup/Westfalen geboren wird, regiert noch Kaiser Wilhelm II. Scheipers kommt als junger Priester der Diözese Meißen in Konflikt mit dem NS-Staat. Weil er seine Kirche auch für polnische Zwangsarbeiter öffnet, wird er 1940 verhaftet. Als er betont, dass Polen für ihn genauso Menschen sind wie Deutsche, bringt man ihn nach einem Gefängnisaufenthalt 1941 nach Dachau. Die Haft wird für ihn zur prägendsten Erfahrung seines Lebens. Erlebnisse, wie etwa die geheime Priesterweihe von Karl Leisner sind für ihn der Beweis, dass Gott die Inhaftierten auch in der Hölle von Dachau nicht vergessen hat. „Noch nie war ich Gott so nah, wie im KZ“, kommentierte er die Jahre hinter Stacheldraht. Nach seiner Flucht vom Todesmarsch bei Starnberg Ende April 1945 fährt er mit dem Fahrrad zunächst in seine Heimat Münster. 1946 kehrt er in sein Bistum Meißen zurück, um weiter als Seelsorger zu arbeiten. Mit der Gründung der DDR gerät Scheipers erneut in Konflikt mit einem politischen System. Weil er sich den Mund nicht verbieten lässt, entgeht er nur knapp der Verhaftung. Als er als Ruheständler 1983 ins Münsterland zurückkehrt, wird er zu einem geschätzten Zeitzeugen. Unermüdlich reist er durch das Land, hält Vorträge, besucht Schulklassen, um ihnen zu vermitteln und zu bezeugen, was er erlebt hat. Hunderte Teilnehmer des Münchner Ökumenischen Kirchentages 2010 erleben in der KZ-Gedenkstätte Dachau den charismatischen Zeitzeugen, der auch über seine Freundschaft mit evangelischen Mithäftlingen berichtet. Für sein Engagement wird er mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter das Bundesverdienstkreuz und der polnische Kavaliersorden. Johannes Paul II. ernennt ihn zum Päpstlichen Ehrenprälaten. Am 2. Juni stirbt er in einem Altenheim in seiner Geburtsstadt wenige Wochen vor seinem 103. Geburtstag. Pastoralreferent Ludwig Schmidinger, Bischöflicher Beauftragter für KZ-Gedenkstättenarbeit, der Hermann Scheipers 2010 in Dachau intensiv kennenlernte, wird an ihn erinnern.

Pfarrer Dr. Björn Mensing, Theologe und Historiker und Diakon Klaus Schultz
Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Alte Römerstraße 87, 85221 Dachau

Ludwig Schmidinger
Bischöflicher Beauftragter für KZ-Gedenkstättenarbeit
in der Erzdiözese München und Freising
Fachbereichsleiter (EOM 5.4.1.3)Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau
Alte Römerstraße 75, 85221 Dachau