Ludwig Kaumheimer in München und den USA: „Ein förmlicher, aber freundlicher deutscher Mann“

Das Schicksal des jüdischen Kinderarzts Ludwig Kaumheimer steht im Mittelpunkt der Gedenkfeier am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München am 27. Juli 2016. Über ihn sprechen sein Großneffe Robert Kay und Thomas Nowotny, der das Gedächtnisblatt zu Kaumheimer verfasst hat. Gedacht wird der über dreißig von den Nationalsozialisten verfolgten jüdischen Kinderärzte, die an dieser Universitätsklinik tätig waren.

Robert Kay, der Großneffe Ludwig
Robert Kay, der Großneffe Ludwig Kaumheimers

Fast dreißig Jahre bis zu dessen Schließung 1938 betreute der Kinderarzt Ludwig Kaumheimer die Kinder des jüdischen Antonienheims, dort lernte er auch seine künftige Ehefrau Hilde Rosenberg kennen. Nach seiner Promotion 1906 arbeitete Kaumheimer ein Jahr am Dr. von Haunerschen Kinderspital. 1912 eröffnete er eine Kinderarztpraxis in seinem Elternhaus in der Karlstraße. Trotz seiner Teilnahme am ersten Weltkrieg und der Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse wurde er nach der Reichspogromnacht 1938 ins KZ Dachau verschleppt. Nach Kaumheimers Freilassung gelang dem Ehepaar die Emigration zunächst nach London, schließlich in die USA.

 

Thomas Nowotny
Thomas Nowotny

„Entgegen seiner Hoffnung kann Dr. Ludwig Kaumheimer in den USA nicht als Arzt arbeiten.“, berichtet Thomas Nowotny in seinem Vortrag über den Lebensweg des leidenschaftlichen Kinderarzts. Ludwig Kaumheimer änderte  seinen Nachnamen in Kay und arbeitete als Pfleger in einem Krankenhaus in der Nähe von San Francisco.

Nowotny, ebenfalls Kinderarzt, war bei Recherchen zu seiner eigenen Familie über eine Notiz seiner Großmutter gestolpert. Sie hatte eine Bemerkung ihrer vierjährigen Tochter festgehalten, die gefragt hatte: „Gibt es in München auch eine Kaumheimerstraße?“ So beeindruckt war sie von ihrem Arzt. Diese Frage brachte Thomas Nowotny dazu, dem Schicksal Ludwig Kaumheimers nachzugehen und es in einem Gedächtnisblatt festzuhalten. Er meint: „Die Frage meiner Tante beschäftigt mich weiter. Es gibt immer noch keine Kaumheimer-Straße in München, aber vielleicht lässt sich das noch ändern.“ Wer Näheres zum Leben Ludwig Kaumheimers wissen will, findet hier den Vortrag von Thomas Nowotny als PDF zum Herunterladen:
redetext_tom_nowotny

Ein förmlicher, aber freundlicher alter deutscher Mann – so erinnert sich der Großneffe Robert Kay an Ludwig Kaumheimer. Robert Kay lebt in den USA und besucht während eines Europa-Aufenthalts auch München und Dachau und kann daher auf dieser Veranstaltung sprechen. In lebhafter Erinnerung ist ihm seine Großtante Hilde Kaumheimer, die ihren Mann bewunderte. „Während unserer Besuche redete sie immer über sein Mitgefühl für seine jungen Patienten und dass er ein großer Arzt gewesen war.“, berichtet Robert Kay. Den Redetext von Robert Kay finden Sie hier als pdf zum Download:
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Joseph Rosenecker
Joseph Rosenecker

Die Forschungen zur Geschichte der jüdischen Kinderärzte am Dr. von Haunerschen Kinderspital erläutert Joseph Rosenecker, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit 2012 liegt die von ihm betreute Doktorarbeit von Andrea Autenrieth zum Thema vor.  Mit einer chronologischen Aufstellung macht Rosenecker deutlich, welchen Schikanen die jüdischen Ärzte bereits in den ersten Jahren der NS-Herrschaft ausgesetzt waren. Viele Kinderärzte waren Juden – die Kinderheilkunde war eine progressive und verhältnismäßig junge Disziplin. Joseph Rosenecker verdeutlicht, dass die verfolgten Ärzte wichtige Positionen an der Dr. von Haunerschen Klinik inne hatten und große wissenschaftliche Innovationskraft mitbrachten.

Heute ist dem Dr. von Haunerschen Kinderspital die Erinnerung an die verfolgten Kollegen wichtig. Der Leiter der Klinik, Christoph Klein, spricht ein Grußwort und wohnt der Gedenkveranstaltung bei. Auf dem Flur der Klinik erinnert eine Gedenktafel an die verfolgten Mitarbeiter.

(Text und Fotos: Irene Stuiber)