Literaturtipp: Gedenken an Rosa-Winkel-Häftlinge
Erst Anfang der 70er Jahre wurde das Gedenken an die homosexuellen Häftlinge der Konzentrationslager ein öffentliches Thema – bis dahin war in der Bundesrepublik selbst einvernehmliche Sexualität unter Männern strafbar. Es sollte noch ein Vierteljahrhundert dauern, bis die Erinnerung an homosexuelle Häftlinge auch in Dachau in den „Kanon des Gedenkens“ aufgenommen wurde, erläutert Albert Knoll bei der Vorstellung des von ihm herausgegebenen Buchs „Der Rosa-Winkel-Gedenkstein. Die Erinnerung an die Homosexuellen im KZ Dachau“ im Dezember im Münchner Gasthaus Deutsche Eiche.
Das Gedenken an homosexuelle Häftlinge fand in der Gedenkstätte Dachau jahrzehntelang keinen Platz. Das 1968 erbaute Internationale Mahnmal schloss die Häftlinge mit dem rosa Winkel, aber auch jene mit einem grünen oder schwarzen Winkel, explizit aus. Dem war ein entsprechender Beschluss des Comité International de Dachau (CID) vorangegangen. Lukas Schretter erforschte die Geschichte des Winkelreliefs am Mahnmal und stellt seine Ergebnisse in einem Beitrag des Buchs vor.
Albert Knoll und Burghard Richter beschreiben die weiteren Kontroversen um die Erinnerung an homosexuelle Häftlinge in Dachau: In den 70er Jahren gab es die ersten Proteste gegen die Ausgrenzung schwuler Häftlinge auf dem Gelände der Gedenkstätte. Ab Anfang der 80er Jahre nahmen Schwulenvertreter deutlich sichtbar bei den Befreiungsfeiern teil, durften jedoch offiziell keinen Kranz niederlegen. 1984 thematisierte die Ausstellung „Homosexualität und Politik seit 1900“ in der Versöhnungskirche die Verfolgungsgeschichte.
Ab Ende 1984 gab es in der zentralen österreichischen Gedenkstätte Mauthausen einen entsprechenden Gedenkstein. 1985 forderten Münchner Schwulengruppen einen Gedenktafel auch für Dachau und gaben eine entsprechende Tafel in Auftrag. Das CID und auch Bayerische Schlösser- und Seen-Verwaltung lehnten die Aufnahme dieser Tafel in den Devotionalienraum der Gedenkstätte jedoch ab, hier wolle man ein wertfreies Gedenken ermöglichen. Die Gedenktafel fand ein provisorischem Heim im Hof der Versöhnungskirche.
Ab 1990 genehmigte das CID den Schwulengruppen eine offizielle Kranzniederlegung bei der Befreiungsfeier. Im Gegenzug verzichteten die Schwulengruppen auf Transparente und Fahnen. Nicht zuletzt aufgrund des Engagement Max Mannheimers stimmte das CID schließlich 1995 dem Umzug des Gedenksteins in den Erinnerungsraum der Gedenkstätte zu.
Insgesamt erlitten 800 Rosa-Winkel-Häftlige das Konzentrationslager Dachau. Am Ende des Buches findet sich eine Namensliste mit jenen 300 Männern, die im KZ Dachau als Homosexuelle inhaftiert waren und während der NS-Zeit starben. „Ihretwegen ist das Buch geschrieben“, so Albert Knoll.
Albert Knoll (Hg.) Der Rosa-Winkel-Gedenkstein. Die Erinnerung an die Homosexuellen im KZ Dachau.
Das Buch kann online zum Preis von 7 Euro zzgl. Versandkosten über das Forum Homosexualität München info@forummuenchen.org bestellt werden. Verkauft wird es außerdem im CID-Buchladen an der KZ-Gedenkstätte Dachau und demnächst im Sub-Schwulenzentrum, Müllerstr. 14.