Jugendbegegnung des Bundestags: Schwerpunkt Euthanasie

Aufgrund ihres wissenschaftlichen Engagements beim Verfassen von Kurzbiographien zu einigen jüdischen Lehrern wurde die Bamberger W-Seminar-Teilnehmerin Anne-Aileen Heitmüller zur Jugendbegegnung des Bundestags 2017 eingeladen. Sie berichtet für uns darüber.

Euthanasie-Denkmal

 

Die Jugendbegnung 2017 in Berlin

Vom 23 bis 27. Januar 2017 fand im Rahmen des Deutschen Bundestags eine Jugendbegnung für 78 Jugendliche im Alter von 17 – 25 Jahren aus 17 verschiedenen Nationen statt. Höhepunkt dieser Woche stellte die Teilnahme an der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, die in diesem Jahr speziell den Euthanasieopfern gewidmet war, am 27. Januar im Plenarsaal des Bundestags dar. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden aufgrund ihres besonderen Engagement für Projekte mit Bezug auf die Geschichte des Nationalsozialismus oder gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu dieser gemeinsamen Woche im Raum Berlin mit dem Thema der Gedenkstunde „Euthanasie“ eingeladen. Ich wurde aufgrund meines Engagements für meine wissenschaftliche Arbeit „Die Kurzbiographien der Lehrer Ascher Eschwege, Noa Sichel und Hirsch Wolfrom aus Kleinsteinach“ im Rahmen des W-Seminars „Jüdisches Leben in Bamberg und Umgebung im 20. Jahrhundert“ des Eichendorff-Gymnasiums als Teilnehmerin für diese Woche geladen.

 

Arbeitsgruppen in Pirna-Sonnenstein

Nach meiner Ankunft am Paul-Löbe-Haus im Herzen Berlins am Montag, den 23. Januar, wurden wir herzlichst von den Betreuern der Jugendprojekte des Deutschen Bundestags begrüßt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde im Plenum fuhren wir gegen 18.30 Uhr gemeinsam in die sächsische Schweiz, in die Stadt Pirna. An den zwei darauffolgenden Tagen befassten wir uns im Allgemeinen in unseren Arbeitsgruppen mit der ehemaligen „Heil- und Pflegeanstalt“ Pirna-Sonnensteins, in der es zur Zeit des Hitlerfaschismus zur Tötung von geistig bzw. körperlich Behinderten kam. Dort besichtigten wir die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein (Gaskammern, Krematorium, Wartezimmer etc.), setzten uns mit Quellenarbeiten in den jeweiligen Arbeitsgruppen auseinander und führten größtenteils emotionale Diskussionen zum aktuellen Umgang mit Menschen mit Behinderung und zum Thema der Sterbehilfe in Deutschland.

 

Berlin: Diskussionen und Gedenken

Nach den zwei Tagen intensiver Auseinandersetzung mit den Opfern und den skrupellosen Vorgängen und Maßnahmen im Rahmen der „Euthanasie“-Morde befassten wir uns, nach der Ankunft im 200 km entfernten Berlin, nun mit den Tätern und Befürwortern dieser systematischen Ermordung. Dabei besuchten alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Donnerstag den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde in der Tiergartenstraße 4 in Berlin. Bekannt ist diese spezielle Straße aufgrund der daraus gebildeten Bezeichnung „Aktion T4“ (T4: Tiergartenstraße 4), die die gezielte Ermordung geistig und körperlich behinderter Menschen beinhaltete, und der dort stationierten Zentraldienstelle T4 in der Tiergartenstraße 4. Außerdem besuchten wir die Ausstellung „Wir sind viele“ im Paul-Löbe-Haus, die aus 50 Porträts behinderter Frauen, Männer und Kinder des Fotografen Jim Rakete besteht. Des Weiteren hörten wir Vorträge in der historischen Charité von Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach und Prof. Dr. Thomas Beddies über die Charité im Nationalsozialismus anhand des Beispiels der Kinderheilkunde. Zur Abrundung des vorletzten Tages der Jugendbegegnung 2017 schauten wir zusammen am Erinnerungsort „Topographie des Terrors“ den Film „Nebel im August“, der letztes Jahr in den Kinos war. Dabei hatten wir Gelegenheit mit den Hauptdarstellern und dem Regisseur Kai Wessel über die Herausforderungen, einen Film nach einer wahren Begebenheit über das Thema Euthanasie zur Zeit des Nationalsozialismus zu drehen, zu diskutieren.

 

Gedenkstunde im Bundestag

Am 27. Januar durften wir, wie zu Beginn schon genannt, an der Gedenkstunde unter dem Thema „Euthanasie“-Morde zur Zeit des Dritten Reichs teilnehmen. Dabei trafen wir Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Thomas de Maizière, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Frank-Walter Steinmeier. Nach der einstündigen Gedenkstunde hatten wir die Gelegenheit, den drei Hauptrednern Sigrid Falkenstein, Hartmut Traub und dem Schauspieler Sebastian Urbanski, der am integrativen Theaterprojekt „für Menschen mit sogenannter Behinderung“ namens RambaZamba in Berlin arbeitet, und Ulla Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, in einem Podiumsgespräch Fragen zu stellen. Nach einer abschließenden Auswertung und Verabschiedung im Plenum war somit die Jugendbegegnung 2017 beendet.

Dieses Zusammentreffen von verschiedensten Personen aus unterschiedlichsten Ländern und der Austausch von Ansichtsweisen hat mich in meinem Denken vorangebracht. Zudem konnte ich mich erstmals intensiv mit dem Thema „Euthanasie“ in der NS-Zeit auseinandersetzen, das während meiner Realschulzeit vor dem Gymnasium leider nicht behandelt wurde.

(Text und Bild: Anne-Aileen Heitmüller)

Wir danken Björn Mensing dafür, dass er bei seinem Vorschlag für die Jugendbegegnung des Bundestags an Teilnehmer des Gedächtnisbuchprojekts und des BLLV-Projekts Erinnern gedacht hat.