Grafinger Gymnasium wird zum Max-Mannheimer-Gymnasium
Max-Mannheimer-Gymnasium Grafing heißt das Gymnasium in Grafing ab Januar 2020. Die Schule beging die Umbenennung in einer feierlichen Festveranstaltung. Zum Festakt wurden neue Gedächtnisblätter des gerade zu Ende gehenden W-Seminars ausgestellt.
Die Projektleiterin des Gedächtnisbuchs, Sabine Gerhardus, besuchte die Veranstaltung und berichtet darüber:
Am Freitag, den 17. Januar 2020 erhielt das Gymnasium Grafing, an dem gerade zum dritten Mal ein W-Seminar Namen statt Nummern zu Ende geht, einen neuen Namen: Max-Mannheimer-Gymnasium Grafing. Auf Anregung einer Gruppe von Schülern und Schülerinnen fand damit die langjährige Zusammenarbeit mit dem Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer zwei Jahre nach dessen Tod einen neuen festen Platz im Selbstverständnis der Schule. Auf der würdevollen Feierstunde anlässlich der Namensgebung und der Gebäudeübergabe nach einem Umbau überreichte Kultusminister Michael Piazolo dem Schulleiter Paul Schötz die neue Urkunde.
Paul Schötz begrüßte zahlreiche Ehrengäste aus Politik und Zivilgesellschaft und erzählte, weshalb das Gymnasium Grafing sich Max Mannheimer so verbunden fühlt: Seit dieser im Jahre 1986 zum ersten Mal überhaupt vor Schülern gesprochen habe, sei er in 30 Jahren 32 Mal als Zeitzeuge an der Schule gewesen. Max Mannheimers Werte von Menschlichkeit und Freiheit seien Werte der Schule geworden. Max Mannheimer sei ein Vorbild gewesen, diese Werte auch gegenüber jenen zu vertreten, die Fanatismus verbreiten. Mit den vielzitierten Worten „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was war, aber für das, was sein wird, schon!“, habe er den Schülern stets Mut gemacht, sich für diese Werte einzusetzen. Deshalb, so erläuterte der Architekt, der den Umbau durchgeführt hat, Klaus Beslmüller, sei dieser Spruch nun auf einem Spruchband in der Fensterwand der Aula für jeden stets sichtbar. Der Landrat des Landkreises Ebersberg, Robert Niedergesäß, dankte allen Beteiligten und den Sponsoren im Landkreis und in der Staatsregierung dafür, dass sie fast 9,5 Mio. zur Verfügung gestellt hätten, und dass der Umbau, ohne den laufenden Schulbetrieb zu behindern, im zeitlichen und finanziellen Rahmen durchgeführt wurde.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spänle, sprach Max Mannheimer seine Anerkennung dafür aus, dass er es gewagt hatte, in der noch jungen und von den Tätern geprägten Demokratie der Bundesrepublik sich politisch zu engagieren. Spänle dankte den Schülern und Schülerinnen sowie der Schulleitung für das Aufdecken und den offenen Umgang mit einem antisemitischen Klassenchat. Menschenwürde im Alltag zu verteidigen, sei Kern der Demokratie.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sprach mit warmen Worten über ihren Freund Max Mannheimer, der wie sie im Land der Täter eine neue Heimat gefunden hatte. Nur wer sich seiner Heimat verbunden fühle, könne sich auch, wie Max Mannheimer, für sie einsetzen. An die Schüler gewandt, sagte Knobloch: „Seid stolz, seid mutig, und lasst Euch von niemandem vorschreiben, wen Ihr in Zukunft zu lieben oder zu hassen habt!“
Der Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo, überreichte der Schulleitung die Namensurkunde und appellierte in Anlehnung an Max Mannheimer an die Anwesenden: „Seien wir alle `Reisende in Sachen Humanismus´“.
Anschließend erzählte die Abiturientin Stefanie Thurnhuber in bewegenden Worten, wie sie und ihre Mitschüler Max Mannheimer erlebt hatten: „Ich erinnere mich, wie mich seine Worte 2016 berührt haben. Wie er es uns nicht so schwer machen wollte, wie er uns Mut machte, uns nicht unterkriegen zu lassen, Mut machte zum Widerspruch.“ Thurnhuber erzählte, wie sie anschließend eine Ausstellung über Max Mannheimers Leben machten und überreichte Charlotte Knobloch und Michael Piazolo ein Buch über diese Ausstellung.
Mannheimers Enkelin Judith Faessler dankte zunächst im Namen der Familie der Schule und den Schülern für ihren beherzten Einsatz, den antisemitischen Klassenchat öffentlich zu machen und aufzuarbeiten. Liebevoll erinnerte sie sich an ihren Großvater: Bis zuletzt habe ihn sein Humor nicht verlassen, der es den anderen leichter machen sollte. So habe Max Mannheimer wenige Tage vor seinem Tod seinem Urenkel auf dessen Frage „Uropa, bleibt Dein Bein jetzt für immer gelähmt?“ geantwortet: „Na, Angelotti (Carlo Angelotti, zu dieser Zeit Trainer des FC Bayern München) wird wohl noch eine Weile auf mich warten müssen!“ Lebenslust und Optimismus hätten ihren Großvater ausgezeichnet und ihm wohl auch das Leben gerettet, denn nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager hätten die Ärzte ihm prophezeit, dass er wohl nicht älter als 40 Jahre werden würde, so schwer seien die Schäden seiner inneren Organe gewesen. „Er blieb aber kein Opfer! Er bestimmte sein Schicksal selbst!“ Freiheit und Menschlichkeit seien seine unverrückbaren Werte gewesen und diese Werte sollten auch der jungen Generation helfen, sich zu orientieren, denn alle weiteren Werte würden sich unter diesen beiden finden lassen und verhindern, dass man auf Abwege gerate. Max Mannheimer habe diese Werte selbst gelebt und seine Identität selbst innerhalb der Familie nie jemandem aufgedrängt. Er habe auch mit Radikalen gesprochen – und stets sorgfältig darauf geachtet, ihnen keine Plattform zu bieten. Häufig passiere das Gegenteil, viele würden nicht mit den Radikalen sprechen, ihnen aber eine Plattform bieten. „Hier können wir noch viel von ihm lernen!“
Beschlossen wurde die Veranstaltung mit einer Erinnerung an Max Mannheimer durch die Schülersprecher des Gymnasiums, Antonia Thewalt, Valentin Wach und Justus Pehle. Begeistert war das Publikum auch von den Schülern und Schülerinnen, die das Programm musikalisch begleiteten: Timotheus Lass, David Khatchatrian, Paul Hacker und Simone Suski (Klavier), Marie Heuer (Violoncello), Christian Glander, Johannes Lugmayr (Violine), Fabia Vernickel (Trompete) sowie der Bigband des Gymnasiums unter Leitung von Julia Pangerl.
Auch das W-Seminar Namen statt Nummern unter der Leitung von Petra Köpf leistete einen wertvollen Beitrag zur Veranstaltung und zur Erinnerungsarbeit des Max-Mannheimer-Gymnasiums: Die ersten neun neuen Gedächtnisblätter über ehemalige KZ-Häftlingen und jüdische Lehrer aus dem aktuellen Seminar waren an den Glaswänden der Bibliothek ausgestellt.
Im Anschluss an die Reden wurde die neue Stele enthüllt und zu einem Empfang geladen.
(22.1.2020; Bericht: Sabine Gerhardus)