Gedenken an Dachauer NS-Opfer im Rathaus

Fünf Namen standen im Zentrum der feierlichen Gedenkveranstaltung am 4. Mai im Dachauer Rathausfoyer: Alwine Dölfel, Johann Eisenmann, Dr. Samuel Gilde, Maria Linner und Therese Wildmoser.

Mit ihnen haben fünf weitere Dachauer Bürger, die zum Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft geworden sind, nun einen neuen Stolperstein erhalten. Nach der Verlegung durch den Künstler Gunter Demnig erinnerten die Initiatoren im Rathausfoyer an ihre Lebens- und Leidensgeschichte.

Christoph Triebfürst mit Gedächtnisblatt Samuel Gilde

Stolpersteine für „Euthanasie“-Opfer

Erstmals wird dabei in Dachau auch an drei Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde erinnert. Alwine Dölfel war nach einer Impfung so schwer erkrankt, dass sie eine Behinderung behielt und von ihrer Familie nicht dauerhaft gepflegt werden konnte. Sie wurde im Alter von 13 Jahren am 1. Oktober 1944 in Eglfing-Haar ermordet. Maria Linner hatte nach einer Krankheit ihr Gehör verloren und lebte trotz ihres Berufs als Näherin in einer Dachauer Fürsorgeeinrichtung. Sie war 41 Jahre alt, als sie am 7. November 1940 in der „Euthanasie“-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz vergast wurde. Ebenfalls in Hartheim wurde ein halbes Jahr später, am 25. Februar 1941, Therese Wildmoser getötet. Das 31-jährige Dienstmädchen litt unter Epilepsie. Prof. Dr. Gerrit Hohendorf, Medizinhistoriker der TU München, schilderte die Entwicklung ihrer Krankengeschichten und erläuterte, wie das als „Aktion T4“ bezeichnete Krankenmordprogramm der Nationalsozialisten organisiert war.

Prof. Dr. Gerrit Hohendorf

Familienerinnerungen an Alwine Dölfel

Elfriede Ahr

In bewegenden Worten erinnerte Elfriede Ahr an ihre ältere Schwester Alwine Dölfel. Sie bedankte sich bei den Schwestern von Schönbrunn: Alwine sei es in der Zeit, als sie in Schönbrunn untergebracht war, sehr gut gegangen. Sie habe braungebrannte Bäckchen gehabt und die Schwestern hätten ihr ein hübsches Kleidchen genäht, das sie immer getragen habe, wenn die Familie sie bei ihrem sonntäglichen Ausflug in Schönbrunn besuchte.  Zur Beerdigung nach Haar ist Elfriede mit ihrer Mutter mit dem Fahrrad gefahren. Um 5.00 Uhr Früh sind sie los, trotzdem kamen sie zu spät. Eine Viertelstunde, der Pfarrer sei noch am Grab gestanden. Die Mutter habe es nicht glauben können, dass Alwine tot sei, sie habe versucht, Erkundigungen von den Mitarbeitern in Haar einzuholen. Erst von einer anderen Mutter hätten sie dann mehr erfahren.

 

Ein Monat in „Dachau“ – Spurensuche zu Samuel Gilde

Einen Monat seines Lebens verbrachte der jüdische Arzt Dr. Samuel Gilde in „Dachau“. Christoph Triebfürst beschrieb, wie Gilde in das heute zu Dachau gehörende Augustenfeld zog. Seine letzte frei gewählte Wohnung fand er im Herbst 1938 bei dem jüdischen Schriftsteller Hermann Gottschalk. Nur eine Woche später mussten Gilde und Gottschalk vor der Vertreibung durch die SS fliehen. Gilde wurde kurz darauf verhaftet und am 12. November 1938 wieder zurück gebracht nach Dachau – ins Konzentrationslager. Bis dahin hatte der Mediziner noch zahlreiche Patienten behandelt, obwohl er von den Nazis gezwungen wurde, seine renommierte Praxis aufzugeben. Im Jahr 1942 gibt Gide nur noch „eine Schlafstelle“ als seinen Besitz an. Kurz darauf wird er nach Theresienstadt deportiert , wo er zwei Jahre später stirbt. Neben den Daten gibt es nur wenige Sätze, überliefert zudem aus Täterdokumenten, aus denen Christoph Triebfürst die Dimensionen von Gildes Persönlichkeit und seinen Leidensweg beleuchtete. Der unverheiratete Arzt hatte keine Kinder, andere Angehörige sind nicht bekannt.

Christoph Triebfürst spricht über Samuel Gilde

Johann Eisenmann

Johann Eisenmann wurde 1933 als politischer Gegner ins Gefängnis München Neudeck gebracht. Dr. Björn Mensing berichtete, dass Eisenmann während der Haft im Krankenhaus starb, laut Gefängnisunterlagen an einer Grippe und Blutvergiftung. Die genauen Umstände seines Todes können nicht mehr geklärt werden. Es gibt keinen Hinweis auf Misshandlungen. Johann Eisenmann gehörte um Umfeld des Kommunisten Franz Klein. Er wurde 23 Jahre alt.

Dr. Björn Mensing

Die Veranstaltung wurde musikalisch sehr stimmungsvoll begleitet vom Chor des Integrativen Musikzentrums des Franziskuswerkes Schönbrunn unter Leitung von Tobias Thalmeier.

 

Text Sabine Gerhardus, Foto Triebfürst mit Gedächtnisblatt: Gerhardus, alle anderen Bilder: Stadtfotograf Göttler (herzlichen Dank!)