Gedenkstättenfahrt 2016: Amsterdam und Kamp Vught

Die intensive Beschäftigung mit der Gedenk- und Erinnerungskultur der Niederlande stand auf dem Programm der diesjährigen Studien- und Gedenkstättenfahrt. Die 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich auch über das Gedächtnisbuchprojekt in den Niederlanden.

Renkum: Zeitgeschichte und Künstlerkolonie

Von links nach rechts: Jaap Mesdag, Sonja Holtz-Arendse, Klaus Schultz
Von links nach rechts: Jaap Mesdag, Sonja Holtz-Arendse, Klaus Schultz

Ausgangspunkt der Exkursionen war Renkum, eine Gemeinde in der Nähe von Arnheim. Zwischen dem dortigen Gemeindeverbund und der Stadt Dachau gibt es seit einigen Jahren Kontakte auf kommunalpolitischer Ebene. Zum Gemeindeverband gehört Oosterbeek, um 1900 Sitz einer Künstlerkolonie. 1944 rückte Renkum durch die Schlacht von Arnheim in den Mittelpunkt der Weltgeschichte. Ein Beigeordneter der Kommune Arnheim informierte die Teilnehmer der Studienfahrt über kommunalpolitische Strukturen in den Niederlanden und die Schwerpunkte der dortigen kommunalen Tätigkeit.

Jos Sinnema, ehrenamtlicher Betreuer des Gedächtnisbuchs in den Niederlanden, hatte das Programm der Studienfahrt zusammengestellt. Bereits am ersten Abend konnte er mit Jaap Mesdag (Freundeskreis ehemaliger Dachau-Häftlinge) und Sonja Holtz-Arendse (Niederländischen Dachau-Komitee und Comité International de Dachau) hochkarätige Gesprächspartner vorstellen.

 

Amsterdam: Jüdische Geschichte und Widerstandsmuseum

Im jüdischen Museum Amsterdam
Im jüdischen Museum Amsterdam

Eine Führung durch das jüdische Viertel von Amsterdam machte mit der Geschichte der Amsterdamer Juden bekannt: Ein richtiggehendes Ghetto gab es in der Stadt nie. Die tolerante Handelsstadt profitierte von einer liberalen Haltung im Umgang mit Minderheiten.

Das zeigte auch die Führung im jüdischen Museum. Die Ausstellung befindet sich in den Räumlichkeiten von vier ehemaligen Synagogen und zeigt religiöse Objekte, aber auch Zeugnisse jüdischer Bürgerlichkeit in Amsterdam.

Das Nationale Holocaust Mahnmal in der Hollandsche Schouwburg ruft das Schicksal der 104000 ermordeten niederländischen Juden in Erinnerung. Von diesem Ort aus wurden Juden aus Amsterdam und Umgebung deportiert. Heute erinnert daran ein Obelisk im fast leeren Innenhof, ein Erinnerungsraum mit den Familiennamen der Ermordeten und digital aufrufbaren biographischen Informationen sowie eine Ausstellung.

Das Alltagsleben während der Besatzungszeit und der Widerstand gegen die deutschen Besetzer steht im Mittelpunkt der Ausstellungen im Widerstandsmuseum. Eine didaktisch hervorragend gestaltete Kinderausstellung verdeutlicht die Geschehnisse auch dem jüngeren Publikum. Die derzeitige Sonderausstellung beschäftigt sich mit der Ernährung während der Besatzungszeit und punktet durch ungewöhnliche Gesichtspunkte.

 

Gedächtnisbuch und Zeitzeugengespräch mit Henk van de Water

Henk van de Water begleitet die Besucher in Kamp Vught
Henk van de Water begleitet die Besucher in Kamp Vught

Von seinem Schicksal als Häftling in Dachau erzählte der 92jährige Henk van de Water in einem Gespräch mit Jos Sinnema. Zwei holländische Schüler haben über Henk van de Water ein Gedächtnisblatt geschrieben. Jos Sinnema stellte die vom ihm ehrenamtlich betreute Arbeit des Gedächtnisbuchs in den Niederlanden vor, die 2015 durch eine Ausstellung im Amsterdamer Widerstandsmuseum und ein Theaterstück auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden war.

Die Nationalsozialisten hatten Henk van de Water zum Arbeitseinsatz nach Deutschland eingezogen. Heftiges Heimweh und verweigerter Urlaub veranlasste ihn zur gescheiterten Flucht, die zu seiner Inhaftierung in einem Garmisch-Partenkirchener Gefängnis und dann im KZ Dachau führte. Das Lager Dachau überlebte er nur aufgrund der Solidarität seiner Mithäftlinge.

Das Ehepaar van de Water begleitete die Studienreisenden spontan am nächsten Tag im Nationaal Monument Kamp Vught. Beide hatten diesen Ort vorher noch nicht gesehen.

 

Nationaal Monument Kamp Vught

Eingang der Gedenkstätte Kamp Vught
Eingang der Gedenkstätte Kamp Vught

Seit 1987 ist Kamp Vught eine Gedenkstätte. Schon seit den frühen Nachkriegsjahren und bis heute gibt es auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers ein Gefängnis. Ein weiterer Bereich des Lagers wird vom niederländischen Militär genutzt, der Zugang ist nur durch eine Führung möglich. Den Exkursionsteilnehmern war es möglich, weite Teile des Lagers zu sehen. Das Konzept der Gedenkstätte und ihre Geschichte erklärten der Direktor der Gedenkstätte und die pädagogische Leiterin.

Den Abschluss des zeitgeschichtlichen Programms bildete eine Gedenkminute am Schießplatz des Lagers.

(Text und Fotos:  Irene Stuiber)