Gedächtnisblatt zu Léon Boutbien: Spurensuche in Paris

Im März 2019 besuchten die Grafinger Schülerin Marlene Bülow, Teilnehmerin im Projekt Gedächtnisbuch, und die ASF-Freiwillige Maeva Keller zwei Pariser Archive,  um über den ehemaligen Häftling Léon Boutbien zu forschen, für den Marlene ein Gedächtnisblatt schreiben will.

In diesem Haus in Montgeron lebte Léon Boutbien bis zu seiner Verhaftung 1943.

Léon Boutbien war ein französischer Häftling in den Konzentrationslagern Natzweiler und Dachau. Er war Mitglied der SFIO (Sozialistische Partei Frankreichs), Arzt und Mitglied des Französischen Widerstands. Nach der Befreiung wurde er als sozialistischer Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt. Marlene und Maeva besuchten die Archive der Nationalversammlung und der Französischen Sozialistischen Partei, um mehr über seine politische Karriere und Ideen zu entdecken. Sie fanden viele politische Artikeln und Informationen über seine Arbeit als Abgeordneter.

Marlene Bülow berichtet über den zweiten Teil der Recherche, den sie gemeinsam mit ihrem Vater unternommen hat:

„Nachdem Maeva abgereist war, wollten mein Vater und ich die Recherche noch nicht aufgeben und beschlossen, ein weiteres Archiv aufzusuchen.Wir entschieden uns für das Stadtarchiv Paris, da Léon den Großteil seines Lebens in Paris verbracht hatte und für dieses Archiv keine Anmeldung im Voraus nötig war. Wir hatten Glück: Im Archiv befanden sich interessante Informationen bezüglich Léons Militärdienst sowie eine Hochzeitsurkunde.

Nachdem wir alles, was wir im Archiv finden konnten, für uns dokumentiert hatten, machten wir uns auf den Weg zur Metro, um in den 2ième Arrondissement zu fahren, wo Léon in den 50er Jahren eine Wohnung besessen hatte.

Im Wohnhaus trafen wir auf die Concièrge, die sich dort schon seit 30 Jahren um das Haus kümmert. Wir erkundigten uns, ob sie von Léon wissen würde, der vermutlich während seiner Zeit als Abgeordneter im Haus gewohnt habe. Leider verneinte sie dies.

Nach dem erfolglosen Gespräch mit der Concièrge machten wir uns auf den Weg zur RER, der Pariser S-Bahn, um die Fahrt in den Vorort Montgeron anzutreten, wo Léon bis zu seiner Verhaftung 1943 gewohnt hatte.

Glücklicherweise fanden wir mit Google Maps relativ zügig die Adresse. Das Haus genauer ansehend, befiel uns ein beklemmendes Gefühl: Hier wurde 1943 ein unschuldiger Mann verschleppt, vermutlich geschlagen und bedroht – 76 Jahre später kaum noch vorstellbar.

In der Hoffnung, der jetzige Hausbewohner könnte vielleicht etwas über Léon als ehemaligen Hausbesitzer wissen – vielleicht hat er das Haus ja unter einem Vorwand nach Léons Verhaftung billig gekauft – klingelten wir an der Tür. Zu unserer Enttäuschung öffnete uns niemand.

Trotz einiger Rückschläge, was die Recherche außerhalb von Archiven betrifft, war die Reise sehr aufschlussreich und interessant. Ich bin zuversichtlich, dass ich mit den gesammelten Informationen zumindest einen Teil von Léons Lebensweg rekonstruieren und so seine anonyme Häftlingsnummer wieder mit einer Identität füllen kann.“

(16.7.2019; Text: Maeva Keller, Marlene Bülow)