Ein Jahr Freiwilligenarbeit in Dachau – Interview mit Paul Canneva

Ein Jahr lang hat Paul Canneva für Aktion Friedensdienste Sühnezeichen in Dachau auch im Gedächtnisbuchprojekt mitgearbeitet. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen.

 

Paul, was wird dir von diesem Jahr in Erinnerung bleiben?

Für mich ist es schwierig, nur wenige Punkte zu sagen – ich habe so viele Sachen in meinem Kopf. Aber wahrscheinlich werde ich mich genau an den Moment meines Arbeitens erinnern, als ich mit einer Tochter von Leon Boutbien telefoniert habe und sie gesagt hat: „Vielen, vielen Dank für Ihre Arbeit, das ist wirklich wichtig!“ Dieser Moment war ein Höhepunkt meines Freiwilligendiensts, weil sich in diesem Moment meine Arbeit, die ganze viele Arbeit, konkret in einem Punkt verdichtet hat. Und ich habe auch gelernt, dass es viele unterschiedliche Formen der Erinnerung gibt, das war für mich auch sehr wichtig. Erfahren habe ich auch, dass Dachau als Stadt auch eine Geschichte vor der Nazi-Zeit und nach der Nazi-Zeit hat. Und ich habe den Unterschied zwischen Geschichtsarbeit und Erinnerungsarbeit gelernt.

Gibt es große kulturelle Unterschiede zwischen deiner Heimat und Deutschland?

Na ja, ich komme aus Westfrankreich, der Unterschied ist nicht so groß. Vielleicht aber das Essen, das Mittagessen. In Frankreich ist es normal, eine oder gar zwei Stunden Mittagessen zu haben. Dass die Sprachen sehr unterschiedlich sind, fällt vielen Menschen auf – aber es ist nicht so verschieden, was die Leute denken. Es gibt viele Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten.

An welchen Gedächtnisblättern hast du mitgewirkt?

Ich habe ein eigenes Blatt zu Gabriel Piguet geschrieben und ich habe an dem Blatt über Leon Boutbien mitgearbeitet.

Was würdest du deinen Nachfolgern als ASF-Freiwillige in Dachau raten?

Man muss viel Neugierde mitbringen. Ich denke, es ist auch wichtig, sich für die Geschichte dieses Orts sehr zu interessieren, es ist gut, schon viel zu wissen. Je mehr man weiß, desto mehr Anknüpfungspunkte hat man. Und wenn man man die Möglichkeit hat, zu einer Veranstaltung zu gehen, zum Beispiel zu einer Gedenkfeier, dann ist es wichtig, das auch zu machen, möglichst viele dieser Anlässe wahrzunehmen.

Was hast du jetzt vor nach deinem Freiwilligenjahr in Dachau?

Ich werde jetzt dann in Strassburg studieren. Als nächstes mache ich den Bachelor in Philosophie fertig. Und dann will ich den Master in Geschichte an der Sorbonne in Paris und auch in München ablegen.

(5.9.2020; IS)