Auf den Spuren von Ferdinand Kissinger

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Julian Monatzeder, Regisseur und Kameramann, begleitet zurzeit Katharina Steinegger bei ihrer Recherche für ein Gedächtnisblatt zu Ferdinand Kissinger. Dabei entsteht auch ein Dokumentarfilm im Auftrag des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Unlängst waren beide in München auf Spurensuche. Hier die Eindrücke von Julian Monatzeder:

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Am letzten Sonntag wollten wir uns einmal genauer ansehen, wo Ferdinand Kissinger lebte und unterrichtete. Mit der Kamera waren wir deshalb in München unterwegs. Kissinger zog oft um, wohnte allerdings abgesehen von seiner ersten Wohnung in Schwabing stets im Lehel. Überraschenderweise sind fast alle originalen Altbauten erhalten geblieben. Eine Ausnahme bildet nur die Schule, in der er unterrichtete – sie wurde von den Nationalsozialisten zerstört, sowie der letzte Wohnort Kissingers, ein Haus in der Bürkleinstraße, das nach dem Krieg durch einen Neubau ersetzt wurde. Als wir vor den Häusern standen, in denen der jüdische Lehrer einmal gelebt hatte, wurde die Geschichte plötzlich zum Greifen nah.

Durch ihre gründlichen Recherchen wusste Katharina zu jedem einzelnen dieser Wohnorte etwas zu erzählen. Eine Wohnung wird wohl auf tragische Weise von diesem Tag besonders in Erinnerung bleiben. Kissinger lebte in den späten Zwanzigern und frühen Dreißigern in einem schönen neoklassizistischen Bau gegenüber der Lukaskirche in der Thierschstraße. Die Lage ist insofern bemerkenswert, da Adolf Hitler in dieser Zeit in derselben Straße nur wenige hundert Meter entfernt wohnte. Es ist schon eine tragische Ironie des Schicksals, dass Hitler zu dieser Zeit noch zur Untermiete in einem winzigen Zimmer lebte, während er wenig später die Enteignung und Deportation von Millionen Juden und damit auch Ferdinand Kissingers zu verantworten hatte.

(Text und Bilder: Julian Monatzeder)

Erstes Treffen mit neuem W-Seminar am Camerloher-Gymnasium

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Am Dienstag, dem 21.7.2015,  traf ich zum ersten Mal die Teilnehmer des künftigen W-Seminars am Camerloher-Gymnasium in Freising. Ab September werden sie Biographien von Personen aus Freising und Umgebung erforschen, die Häftlinge des KZ Dachau waren. Trotz Hitzefrei blieben 11 Schülerinnen und ein Schüler, als die anderen schon nach Hause gehen durften. So konnten wir uns schon mal einen ersten Eindruck voneinander machen: Die Schüler lernten mich als ihre Projektpartnerin beim Gedächtnisbuch kennen und bekamen erste Informationen vom Ablauf des Seminars. Dann erzählten sie mir, weshalb sie dieses Seminar gewählt haben, was sie sich erwarten und erhoffen, zum Beispiel: Angehörige eines ehemaligen Häftlings zu finden, um mit ihnen sprechen zu können, mehr über eine Person herauszufinden, die nahe am eigenen Wohnort gelebt hat oder zu erfahren, was die ehemaligen Häftlinge nach ihrer Befreiung gemacht haben. Manche machten sich auch Sorgen: Vor allem, ob sie genügend Material für eine Biographie finden werden, aber auch, ob sie genügend Zeit und Durchhaltevermögen aufbringen werden …
Die meisten freuen sich auf das Seminar: „Es ist sicherlich ein tolles Gefühl, Dinge herauszufinden, die bisher unbekannt waren.“ So viel Neugier und Forschergeist sind die besten Voraussetzungen! Wir wünschen Euch ein schönes Seminar und bei Eurer Arbeit viel Freude und Erfolg!

(Text: Sabine Gerhardus)

Wir trauern um Dingenis Sinke

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Am Dienstag, den 14. Juli, ist im Alter von 89 Jahren Dingenis (Dies) Engel Sinke gestorben. Dingenis wohnte in Yerseke, an der Nordseeküste im Süden der Niederlande. Er war erst 17 als ihn der SD 1942 wegen Waffenschmuggel für den Widerstand verhaftete. Dingenis kam über das KZ Vught und das KZ Natzweiler nach Dachau, wo er am 30. April 1945 im Außenlager Allach von den Amerikanern befreit wurde.

Mit seinen zwei Töchtern sprach er bis seinem Tod nicht über seine Vergangenheit im KZ. Bis vor kurzem wusste seine Tochter Marianne lediglich, dass ihr Vater in den KZs Vught und Dachau war. Was er dort miterleben musste und dass er auch im KZ Natzweiler war, wusste sie nicht. Dass er darüber schwieg, erklärte Dingenis mit den Worten: „Rückschauen hat keinen  Zweck. Es ist vorbei. Manche, die diese Vergangenheit immer wieder aufrühren, haben immer noch Schwierigkeiten damit. Doch es ist für mich auch nicht einfach. Noch immer nicht. Aber was bringt es, wenn ich meine Kinder damit belaste? Was könnte es denen bringen?“

Dass Dingenis den Schülern Valerie van Reeuwijk und Thijs de Dood September 2014 für das Gedächtnisbuch ein Interview gestattete, war ein Durchbruch. Das Interview dauerte zweieinhalb Stunden. Valerie: „Er erzählte uns, dass er  im hohem Alter seine Lebensgeschichte einmal erzählen möchte, um damit  abzuschließen. Das hat unser Gespräch mit ihm umso mehr zu einer sehr eindrucksvollen Erfahrung gemacht.“

Die beiden Schüler stellten sein Gedächtnisblatt am 22. März dieses Jahres in Dachau vor. Dingenis gestattete zudem, dass seine Biographie in das Buch Geen nummers maar Namen aufgenommen wurde.  Dieses Buch wurde im April dieses Jahres veröffentlicht und enthält alle 19 Biographien von niederländischen ehemaligen Häftlingen des KZ Dachau, die bis heute im Rahmen des Gedächtnisbuchprojektes geschrieben worden sind.

(22.7.2015; Text: Jos Sinnema)

Trägerkreistreffen: Filmprojekt, Website und Ausstellungsplanung

 

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Am 15.7.2015 traf sich der Trägerkreis des Gedächtnisbuchs. Auf der Tagesordnung stand ein Bericht von Sabine Gerhardus über das Filmprojekt des Kooperationspartners BLLV. Filmemacher Julian Monatzeder begleitet derzeit eine Schülerin bei ihrer Arbeit an einem Gedächtnisblatt.

Sabine Gerhardus berichtete auch über die Landesdelegiertenversammlung des BLLV. Dort wurde Simone Fleischmann zur neuen Präsidentin des Verbands gewählt.

Weitere Punkte auf der Tagesordnung waren unter anderem die  Vorbereitungen für die neue Website des Gedächtnisbuchs und das Vorhaben, die Internationale Wanderausstellung im Umfeld des Katholikentags in Leipzig zu zeigen.

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Johanna Mollard aus Clermont-en-Argonne schreibt über ihren Urgroßvater

Die junge Französin Johanna Mollard  (21), zurzeit Praktikantin am Josef-Effner-Gymnasium Dachau und beim Bezirksheimatpfleger von Oberbayern Norbert Göttler, schreibt ein Gedächtnisblatt über ihren Urgroßvater Marceau Mollard. Er wurde 1944 ins KZ Dachau verschleppt und starb kurze Zeit später im KZ Mauthausen.
Johanna Mollard befindet sich seit 6. Juli auf Einladung von Lydia Thiel, Lehrerin in Petershausen, im Praktikum bei Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler und am Josef-Effner-Gymnasium. Lydia Thiel ist seit Jahren für die Organisation der Partnerschaft zwischen Petershausen und Varennes aktiv und engagiert sich zudem als Ortschronistin. Am Donnerstag, den 16.7.2015, wurde die französische Praktikantin Johanna Mollard von Landrat Stefan Löwl in Dachau offiziell begrüßt.

Seit 7 Jahren ist Johanna Mollard beim Jugendaustausch der Partnergemeinden Petershausen und Varennes-en Argonne aktiv. Mit 14 Jahren war sie zum ersten Mal dabei. Sie hat inzwischen ausgezeichnet Deutsch gelernt und pflegt gute Freundschaften mit der Petershausener Jugend. Für die junge Frau, die selbst aus dem Nachbarort von Varennes, Clermont-en-Argonne, stammt, hat die Gemeindepartnerschaft und der Jugendaustausch eine ganz besondere Bedeutung: Am 29.7.1944 war es im Ortszentrum von Clermont zu einem Kampf zwischen einer Gruppe von Widerstandskämpfern und den deutschen Besatzern gekommen, in dessen Verlauf auch einige Deutsche verletzt wurden und einer starb. Am nächsten Tag übten die Deutschen grausame Rache. Sie verschleppten 100 Männer aus dem 800 Seelen zählenden Ort in Gefängnisse und Konzentrationslager. Johannas Urgroßvater, Marceau Mollard, war einer von 30 Männern, die ins KZ Dachau gebracht wurden. Bald darauf starb er im Konzentrationslager Mauthausen.

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Johanna Mollard erzählt, weshalb sie sich für den Jugendaustausch stark macht: „Ich will vermeiden, dass so etwas wieder passiert. Wenn man miteinander spricht, ist man sich nicht mehr fremd. Man wird, im Gegenteil, zu Freunden.“

Die schreckliche Geschichte von Clermont war viele Jahre lang tabuisiert. Die Erinnerung ist bis heute schmerzhaft, besonders für die älteren Leute. Lydia Thiel erzählt, dass auch sie und ihre engagierten Petershausener Mitstreiter bis vor einem Jahr nichts davon gewusst haben, obwohl sie sich bei jedem ihrer jährlichen Besuche intensiv mit der Geschichte von Varennes auseinandergesetzt hätten. Zu den regelmäßigen Besuchen gehörten meist auch Exkursionen in die eingestürzten Stellungsgräben aus dem Ersten Weltkrieg bei Vauquois, einer kleinen Ortschaft zwischen Varennes und Clermont.

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Nun hat Lydia Thiel Johanna nach Petershausen eingeladen, ihr einen Praktikumsplatz beim Bezirksheimatpfleger und im Effner-Gymnasium vermittelt und den Kontakt zum Gedächtnisbuch hergestellt. Sie unterstützt Johanna tatkräftig bei der Recherche nach deutschen Dokumenten über den Urgroßvater, begleitet sie in die KZ-Gedenkstätte und wird mit ihr zusammen ein Gedächtnisblatt erstellen.

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Wir freuen uns über dieses Engagement und wünschen Johanna trotz der schweren Aufgabe, die sie sich vorgenommen hat, eine schöne und erfolgreiche Zeit in Petershausen. Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag zur Erinnerungsarbeit und zur französisch-deutschen Begegnung!

Text: Sabine Gerhardus

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Auswertungsgespräch mit ASF-Koordinatorin

Kat Semel und Maya Bakulina schließen gerade ihr Freiwilligenjahr für Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Dachau ab. Die Koordinatorin des Deutschlandprogramms von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste kam am 20.7.2015 zu einem Auswertungsgespräch nach Dachau. Ebenfalls mit am Tisch: Klaus Schultz, Diakon der Versöhnungskirche und Mitglied im Trägerkreis.

Eichendorff Gymnasium

Eichendorff-Gymnasium Bamberg: W-Seminar startet im Herbst

Daniel Wächter wird im kommenden Jahr das W-Seminar am Bamberger Eichendorff-Gymnasium leiten. Gerade in der Vertiefung jüdischer Geschichte sieht er eine historische Verpflichtung seiner Schule, die sich nicht zuletzt aus der Schulgeschichte ergibt: Das Eichendorff-Gymnasium wurde 1880 als nicht konfessionsgebundene Mädchenschule gegründet, hatte also viele jüdische Schülerinnen.

Inhaltlich meint Daniel Wächter zur Fragestellung des W-Seminars: „Ich bin neugierig, zu welchen Ergebnissen wir kommen. Anfangs sind ja wenige Fakten bekannt. Daraus ein umfassenderes Bild der Lebensgeschichten zu recherchieren, das ist eine spannende historische Fragestellung.“ 11 Schülerinnen werden an dem W-Seminar teilnehmen.

Zur Vorbereitung des Seminars fand bereits im Juni eine ausführliche Besprechung zwischen Projektleiterin Sabine Gerhardus und Daniel Wächter in Dachau statt. Die Frage der kontinuierlichen Zusammenarbeit trotz räumlicher Distanz stand auf der Tagesordnung, außerdem ging‘s um inhaltliche Fragen, Exkursionen und den Zeitplan. Einem guten Start des W-Seminars im kommenden Schuljahr steht also nichts entgegen!

Grafing: Schreibworkshop im W-Seminar

Wie kriegt man Satzungetüme klein, so dass sie für den Leser genießbar sind? Wie bringt man Informationen aus bürokratischen Akten in eine lesbare Form? Und welche stilistischen Möglichkeiten hat der Autor, wenn sich die Aussagen in den Quellen widersprechen?

Um diese und viele andere Fragen rund ums Schreiben eines Gedächtnisblatts geht es zur Zeit in den Workshops, die Sabine Gerhardus für das W-Seminar am Gymnasium Grafing abhält. Am 16. Juli steht auch die Besprechung individueller Schreibproben auf der Tagesordnung. Auch noch unbearbeitet zeigen sie, dass jeder  Seminarteilnehmer seinen indidivuellen Einstieg in die Biographie gefunden hat.

Präsentationen in Grafing

Die Zwischenpräsentationen in Grafing sind fast vorbei. Bisher haben 10 von 12 Schülern ihre Rechercheergebnisse für die Seminararbeit und ihre Gedächtnisblätter vorgestellt.

Foto: Julian Monatzeder

Sabine Gerhardus ist beeindruckt: „Es ist toll zu sehen, mit welchem Engagement sich manche Schüler in die Recherche hineingekniet haben! Sie haben wirklich interessante Ergebnisse zu Tage gefördert.“

Am 2. Juli war auch Julian Monatzeder mit seiner Filmkamera dabei. Er dreht gerade einen Film für den BLLV über das Projekt „Erinnern“, ein Kooperationsprojekt des Gedächtnisbuchs. Ihm verdanken wir das Foto.