Niederländer im KZ Dachau: zwei Ausstellungen

Ein Banner über den Niederländer Henk van de Water zeigt die Ausstellung „Namen statt Nummern“, die noch bis Ende September 2018 in der Versöhnungskirche zu sehen ist.

Wie bei allen anderen Bannern der Wanderausstellung liegt hier die ehrenamtliche Arbeit von Gedächtnisbuch-Autoren zugrunde. Das Gedächtnisblatt zu Henk van de Water haben die Schüler Jelle Tabak und Ischa Schrijver geschrieben. Das Verzeichnis der Gedächtnisblätter präsentiert eine deutschsprachige Übersetzung des Gedächtnisblatts:

Gedächtnisblatt Henk van de Water

Am digitalen Lesepult und auch in analoger Fassung können Besucher der Versöhnungskirche nicht nur während der Ausstellung in den weiteren Gedächtnisblätter blättern.

Auch die Sonderausstellung „Namen statt Nummern. Niederländische politische Häftlinge im KZ Dachau“ gründet auf den Aktivitäten des Gedächtnisbuchs Niederlande unter der Leitung von Jos Sinnema.

In interaktiven Multimedia-Darstellungen und anhand von Videos und vielen für die dargestellten Personen lebenswichtigen Exponaten erhält der Besucher einen Einblick in das Spektrum des niederländischen Widerstands und die Lebensgeschichte der Dachau-Überlebenden. Darüberhinaus zeigt sie die Motivation und die Beweggründe der jungen ehrenamtlichen Autorinnen und Autoren, sich mit diesem Aspekt der Geschichte zu beschäftigen. Erarbeitet wurde die Ausstellung vom Widerstandsmuseum in Amsterdam. Sie läuft noch bis Ende 2019.

Informationen zu beiden Ausstellungen finden sich im Veranstaltungskalender rechts auf dieser Website.

(16.8.2018; Foto: Klaus Schultz, Text: Irene Stuiber)

Projektfreiwillige beim Fest der Begegnung

Acht ehemalige Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste unterstützen die diesjährige Internationale Jugendbegegnung in Dachau. Sie alle waren beim Fest der Begegnung am 4. August 2018 im Jugendgästehaus.

V.l.n.r.: Sabine Gerhardus, Agco Halmen, Maja Lynn, Maya Bakulina, Klaus Schultz, Beata Tomczyk, Roy Scivyer und Irina Grinkevic

Nicht auf den Fotos zu sehen ist leider Jan Kwiatkowsky, der noch mit einem Zeitzeugen unterwegs war. Alle Freiwilligen haben während ihrer Aktion Sühnezeichen-Zeit in Dachau beim Gedächtnisbuch-Projekt mitgearbeitet. Sabine Gerhardus, Projektleiterin, und Klaus Schultz, Trägerkreisvertreter der Versöhnungskirche, freuten sich über das Wiedersehen.

Sabine Gerhardus schreibt dazu: „Schön war es, viele der „alten“ ASF-Freiwilligen wieder zu sehen, die mit vollem Engagement bei der Jugendbegegnung mitwirken. Ich wünsche allen noch eine schöne zweite Woche! Nur Maja ist bereits am Montag wieder in die USA zurückgeflogen. Nach einem Jahr in Dachau wünsche ich Ihr einen guten Start ins Studium!“

V.l.n.r.: Björn Mensing, Agco Halmen, Maya Bakulina, Maurycy Przyrowski, Roy Scivyer, Irina Grinkevich, Sabine Gerhardus, Beata Tomczyk und Maja Lynn

(10.8.2018; Fotos: Andrea Heller – vielen Dank!, Text: Irene Stuiber)

 

Leslie Schwartz: Gedächtnisblatt steht online

Leslie Schwartz aus den USA freut sich, dass das ihm gewidmete Gedächtnisblatt online steht. Sein Exemplar will er künftig „überall“ vorführen.

Leslie Schwartz bei einem Besuch in Dachau 1972

1930 in Ungarn als Sohn jüdischer Eltern geboren, überlebte Leslie Schwartz das mörderische System der Konzentrationslager. Noch kurz vor der Befreiung traf ihn die Kugel eines HJ-Mitglieds im Nacken. Er emigrierte in die USA und ist heute sehr aktiv als Zeitzeuge.

Verfasst hat das Gedächtnisblatt Johanna Grebner, eine Schülerin aus Grafing.

Hier geht’s zum Gedächtnisblatt:
Leslie Schwartz

(5.8.2018; Text: Irene Stuiber)

Gedächtnisbuchautorin bei Dreharbeiten für Landkreisfilm

Susanne Görres stellte ihr Gedächtnisblatt bei Dreharbeiten für einen Film über den Landkreis Dachau vor.

Die junge Frau hatte 2013/2014 für das Gedächtnisbuch die Biographie des Dachauers Thomas Bleisteiner verfasst. Susanne Görres war damals Schülerin am Josef-Effner-Gymnasium in Dachau und nahm an einem W-Seminar des Gedächtnisbuchs teil. Bleisteiner, der 1940 im KZ Mauthausen starb, wurde daraufhin von der Stadt Dachau mit einem Stolperstein geehrt.

Nähere Informationen zu seiner Lebensgeschichte finden sich auf dieser Website im Verzeichnis der Gedächtnisblätter:

Thomas Bleisteiner

(29.7.2018; Foto: Birgitta Unger-Richter; Text: Irene Stuiber)

 

12.000 Besucher in „Names instead of Numbers“ in Los Angeles

Genau 11.973, also fast 12.000 Besucherinnen und Besucher sahen im vergangenen Jahr die Wanderausstellung des Gedächtnisbuchs in Los Angeles im Holocaust-Museum.

Zu sehen war die Ausstellung vom 12.5.2017 bis zum 14.8.2017. Das Los Angeles Museum hatte dafür die Banner der Wanderausstellung durch eigene Exponate ergänzt. Im Fragebogen zum Ausstellungsverlauf heißt es:

„It was a very successful exhibt. The way we presented it was not through all of the panels, but by selecting 12 that told differing stories – 1 Roma-Sinti, 1 priest, 1 „verbrecher“, 1 Jew, etc. Then we supplemented the exhibit with artifacts from the Museum’s archive to create a local narrative. People liked being able to learn about the different types of people in the camp. It would be great if there were 2-3 panels about women!“

Im Besucherbuch haben über 500 Ausstellungsbesucher ein Feedback zu ihrem Museumsbesuch gegeben. Hier einige Zitate:

„Hopefully one day, humankind will learn from its mistakes and something like this will never happen again.“

„Very touching and moving. May we always remember so that history does not repeat.“

„Great visit. Very powerful and instructive.“

(19.7.2018; Foto: LAMOTH, Text: Irene Stuiber)

Als Freiwillige in Dachau: Interview mit Maja Lynn

„Es war ein großes Jahr in meinem Leben!“ Maja Linn beendet diesen Monat ihr Freiwilligenjahr für Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Dachau. In einem Interview erzählt sie von ihrer Mitarbeit im Projekt Gedächtnisbuch.

Maja, dein Jahr als Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Dachau geht dem Ende zu. Würdest du es noch einmal machen?

Ja, auf alle Fälle es war ein großartiges Jahr! Es war wirklich eine gute Sache für mich. Ich habe so viel gelernt.

Was meinst du, was wird dir von dieser Zeit in Erinnerung bleiben?

Wirklich unglaublich für mich als Amerikanerin war, dass man hierher kommen kann und an so einem schönen Programm teilnehmen kann, ohne Kosten – ich hatte eine schöne Wohnung, ein Fahrrad, eine Fahrkarte. Ich habe so viel gelernt und bekommen, ich habe gelernt, wie man wissenschaftliches Sachen macht, wie man die Dinge als Erwachsene angeht, es war ein wirklich großes Jahr meines Lebens! Ich weiß nicht, wie sehr ich mich verändert habe, aber vielleicht, wenn ich jetzt dann nach Hause gehe, höre ich das von meinen Eltern. Ich bin gespannt, was sie sagen.

Und neue Themen sind in diesem Jahr für mich ganz wichtig geworden. Vielleicht werden sie mir bleiben. Das Thema Museumsarbeit und das Thema Holocaust. Ich habe mich früher nie dafür so interessiert, aber jetzt weiß ich, wie wichtig das Thema Holocaust ist und wie aktuell. Es könnte sein, dass dieses Jahr mein Leben verändert hat, vielleicht studiere ich jetzt etwas in diesem Bereich.

Du hast uns in diesem Jahr wirklich viel im Gedächtnisbuch-Projekt geholfen, vielen Dank! Und jetzt schreibst du eine eigene Biographie für das Gedächtnisbuch. Über wen schreibst du?

Ich schreibe über Jacobus de Vries, einen niederländischer Häftling, er war im Widerstand, ein Nacht- und Nebel-Häftling. Ein Freund unserer Familie in Amerika hat diesen Namen vorgeschlagen, Jacobus de Vries ist ein Vorfahre von ihm. Ich habe nicht viel über ihn gewusst, aber jetzt habe ich doch viele Informationen gefunden, auch in den Niederlanden, nicht zuletzt mit Hilfe von Jos Sinnema. Ich konnte mit Familienangehörigen sprechen, ich habe auch viele Dokumente gefunden. Und jetzt schreibe ich dieses Gedächtnisblatt. Es gibt so viele Informationen und Geschichten, es ist nicht einfach zu entscheiden, was ich davon in die Biographie aufnehmen kann.

Hat es bei der Arbeit an dem Gedächtnisblatt Überraschungen für dich gegeben?

Ja, ich bin ins Archiv gegangen und es macht mir wirklich Freude, mit Archivalien zu arbeiten. Die Recherche macht sehr viel Spaß und ich interessiere mich sehr für diese Geschichte. Sie wurde noch nie erzählt. Ich habe viele Dokumente aus der Familie, Briefe, Briefe aus dem KZ, Briefe, die überlebende Häftlinge nach dem Krieg an die Frau geschrieben haben, denn Jacobus de Vries ist in Dachau gestorben. Nicht einmal die Familienangehörigen, nicht einmal die Enkelkinder haben diese Dokumente bisher gelesen. Sie sind leider auf Niederländisch, aber Jos Sinnema hat mir sehr geholfen, er hat diese Briefe übersetzt. Das war wirklich super, das habe ich nicht erwartet.

Was empfiehlst du deiner Nachfolgerin oder deinem Nachfolger?

Ich weiß nicht, wie alt er oder sie sein wird, ich bin ja ziemlich jung, aber es gibt ja immer wieder 18- oder 19jährige unter den Freiwilligen. Ich würde einfach sagen: Du musst keine Angst haben. Das war meine größte Sache, aber man muss wirklich keine Angst haben. Vorher wußte ich nicht, was auf mich zukommt, es war ein ganz großer Schritt. Ich würde sagen: Man soll die Zeit genießen, man soll versuchen, alles zu machen, was man hier machen kann. Diese Gelegenheiten sind wirklich toll. Und man lernt viel und zwar von jeder einzelnen Sache, die man so anpackt.

(12.7.2018; Foto/Interview: Irene Stuiber)

Alle dabei! Zur Geschichte eines Gedächtnisblatts

Als die Recherche zum Gedächtnisblatt über Korbinian Geisenhofer begann, gab es nur den Kontakt zu Agnes Geisenhofer, der Witwe.

Das fertige Gedächtnisblatt trägt nun vier Unterschriften naher Angehöriger. Nicht zuletzt die Ausstellung in Hohenkammer hat dazu beigetragen, dass der Kontakt zu der Tochter Agnes Schmid und den Söhnen Manfred Kirmayer und Josef Geisenhofer geknüpft werden konnte.

Hier lässt sich das Gedächtnisblatt nachlesen:

Korbinian Geisenhofer im Verzeichnis der Gedächtnisblätter

(5.7.2018; Text/Foto: Irene Stuiber)

Unterschrift zum Gedächtnisblatt Samuel Gilde hinzugefügt

Christoph Triebfürst, Geschichtslehrer am Josef-Effner-Gymnasium, kam am 27.6.2018 im Büro des Gedächtnisblatts vorbei und setzte seine Unterschrift auf das von ihm verfasste Gedächtnisblatt über Samuel Gilde.

Mit dabei hatte er einen Blumenstrauß für Sabine Gerhardus: Ein Dankeschön nicht zuletzt für die Betreuung sämtlicher Gedächtnisblätter, die während des von Triebfürst geleiteten W-Seminars am Dachauer Josef-Effner-Gymnasium entstanden sind.

(27.6.2018; Text/Foto: Irene Stuiber)

 

Absolut außergewöhnlich: ein Streik unter KZ-Häftlingen

Die Arbeitsniederlegung der niederländischen Zwangsarbeiterinnen im Dachauer Außenlager Agfa-Kamerawerke stand im Mittelpunkt der Lesung aus den Erinnerungen von Kiky Gerritsen-Heinsius in der KZ-Gedenkstätte am 5. Juni 2018.

Lydia Starkulla liest aus den Memoiren von Kiky Gerritsen-Heinsius

Im Rahmen des Begleitprogramms zur derzeitigen Ausstellung in der Gedenkstätte las Schauspielerin Lydia Starkulla Ausschnitte aus den Erinnerungen der niederländischen Widerstandskämpferin Kiky Gerritsen-Heinsius. Die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen führten im Januar 1945 zu einer spontanen Arbeitsniederlegung, dem einzigen Streik, der derzeit für das KZ Dachau und seine Außenlager bekannt ist.

Gerritsen-Heinsius kam im Oktober 1944 in das Außenlager Agfa-Kamerawerke in München-Giesing. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Lager Vught und Ravensbrück hinter sich. Die Niederländerin berichtet, wie das Arbeitskommando auf dem täglichen Weg zur Arbeit in München beschimpft und mit Gegenständen beworfen wurde. Die Häftlingsfrauen sassen in den Fabrikhallen neben deutschen Arbeiterinnen und mussten Zeitzünder für Luftabwehrgranaten montieren. Was für das Gelingen der feinmechanischen Arbeit nötig war, half den Frauen beim Überleben: So war eine halbwegs warme Raumtemperatur notwendig. Zum Streik kam es im Januar 1945, als das Essen immer weniger wurde. Tatsächlich erreichten die Frauen eine leichte Verbesserung ihrer Ernährung.

„Absolut außergewöhnlich“ im System der Konzentrationslager sei dieser Streik gewesen, betonte Andrea Riedle, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gedenkstätte in ihrer Einführung. Klaus Schultz, Vertreter des Mitveranstalters Versöhnungskirche, erwähnte die große Bedeutung niederländischer Häftlinge für die Entstehung der Versöhnungskirche. Ein im Begegnungsraum der Versöhnungskirche ausgestelltes Gedächtnisblatt über Kiky Gerritsen-Heinsius hat die Schülerin Anna Krombacher 2012 verfasst.

Einige harte Fakten zum Außenlager Agfa-Kamerawerke erläuterte Jascha März, wissenschaftlicher Volontär an der Gedenkstätte. Dieses Lager war nach dem Außenlager München-Allach das zweitgrößte KZ in München. Wie kam es, dass unterschiedliche Häftlingsfrauen ihre Lebensbedingungen im Lager und auch die Person des Kommandanten so verschieden einschätzten? Jascha März meinte dazu, dass diejenigen, die aus ihrem normalen Lebens in das Lager deportiert wurden, die Situation anders wahrnahmen als jene Frauen, die vorher schon andere Konzentrationslager erleben mussten.

Gedächtnisblatt und weitere Informationen über Kiky Gerritsen-Heinsius

(23.6.2018; Text und Foto: Irene Stuiber)