Carla Warners-Gastkemper ist gestorben

Am 25. August 2019 ist in Amsterdam die 94-jährige ehemalige Widerstandskämpferin Carla Warners-Gastkemper gestorben. Genau an dem Wochenende, an dem die 17-jährige Anouk van Zandbergen zur Vorbereitung auf ein Interview mit Carla die Gedenkstätte Ravensbrück besuchte. Das Interview mit ihr für das Gedächtnisbuch sollte kurz danach stattfinden. Anouk berichtet.

Ravensbrück: Zur Erinnerung an die Deportierten aus den Niederlanden

Als Carla 1944 wegen Spionage verhaftet wurde, war sie nur wenig älter als ich heute: 19. Im Rahmen meiner Recherchearbeit habe ich schon das ehemalige SD-Gefängnis Haaren und die Gedenkstätte Vught besucht, wohin Carla nach ihrer Verhaftung als erstes verschleppt wurde. Am 24. August fuhr ich dann noch nach Ravensbrück. Hier wurde Carla von Vught aus hingebracht, bevor sie letztendlich ins Agfa Kamerawerk, ein Auβenlager des KZ Dachau in München, kam. 

Carla wurde am 9. September 1944 in Ravensbrück eingeschrieben. Der größte Teil des ehemaligen Lagers existiert nicht mehr, doch gibt es noch einige Fabrikhallen, in denen die Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Ich fragte mich, welche Arbeit Carla machen musste, als sie in Ravensbrück war. Auch fragte ich mich, wie die Beziehung der Frauen in diesem Lager war. Hat Carla sich von ihnen unterstützt gefühlt, vielleicht von jemanden besonders?

Der Besuch war eindrucksvoll, vor allem weil es viele Kontraste gab, die ich schwer fassen konnte. Das Lager liegt an einem wunderschönen See, der – wenn man nicht weiß, dass er an ein ehemaliges Konzentrationslager grenzt – zu einem Sprung einlädt. Vom Lager aus konnte man sogar den Kirchturm von Fürstenberg sehen. Während in diesem Dorf damals das „normale Leben“ weiter ging, waren nur ein paar Kilometer weiter Hunderte von Frauen eingesperrt. Die friedliche Umgebung stimmte überhaupt nicht überein mit den Gräueln im Lager.

Nach den Besuch im ehemaligen KZ fuhren wir zum Bahnhof von Fürstenberg. Als Carla hier vor 75 Jahren mit dem Zug ankam, musste sie von hier aus zu Fuß zum Lager gehen. Dieselbe Strecke gingen wir auch. Die Straße lief quer durchs Dorf, durch mehrere Wohnviertel. Was waren Carlas Gedanken, als sie diesen Weg gegangen ist?

Gleich nach meinem Besuch in Ravensbrück bekam ich die Nachricht, dass Carla gestorben ist. Ich hatte von Anfang an damit gerechnet, dass dies passieren konnte, sie war ja in hohem Alter, dennoch kam es trotzdem völlig unerwartet. Meine Fragen an sie – wie hier oben erwähnt – kann ich ihr jetzt nicht mehr stellen. Von ihren Gedanken und Gefühlen kann sie mir nicht mehr erzählen. Ich habe mich von Anfang an mit ganzem Herzen für das Gedächtnisblatt über Carla eingesetzt und wenn dann die Person, um die es geht, wegfällt, ist dies schwierig. Doch hoffe ich von Carlas Verwandten mehr über sie erfahren zu können, um auf dieser Grundlage doch noch ein schönes Gedächtnisblatt über sie erstellen zu können. Denn dies verdient sie.

(17.9.19; Foto: Jos Sinnema, Text: Anouk van Zandbergen)