Bueninck-Hendrikse, Lies

Bueninck-Hendrikse, Lies

15.6.1909 – 31.12.2009

  • Geb. am 15. Juni 1909 in Rotterdam.
  • Gest. am 31. Dezember 2009 in Rotterdam.

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Lies Bueninck-Hendrikse NL (2 MB)


Lies Bueninck-Hendrikse wurde am 15.6. 1909 als mittleres Kind einer wohlhabenden Familie in Rotterdam geboren. Ihre Eltern betrieben ein Stoff- und Damenbekleidungsgeschäft und hatten genug Geld, um ihre Tochter auf eine Privatschule zu schicken. Dort wurde sie auf Französisch unterrichtet und es wurde viel Wert auf Sprachen und Handarbeit gelegt. Lies mochte diese Schule sehr gerne, aber sie musste sie verlassen, als ihre Eltern das Schulgeld wegen geschäftlicher Probleme nicht mehr bezahlen konnten. Danach ging Lies zur Mädchenvolkshochschule, um ihr Abitur fertig zu machen.

1927 starb ihre Mutter und kurz nach der Wirtschaftskrise von 1929 schloss ihr Vater sein Geschäft, heiratete eine deutsche Frau und zog nach Deutschland. Lies blieb in den Niederlanden und mietete sich eine Wohnung in Den Haag.

In den dreißiger Jahren lernte Lies beim Tennisspielen Henk Bueninck kennen und verliebte sich in ihn. Das junge Ehepaar heiratete 1935 und zog in eine Wohnung im Statenweg in Den Haag. Lies arbeitete zu der Zeit als Buchhalterin bei einem großen Modegeschäft. Henk versuchte, seine eigene Bäckerei aufzumachen, aber er scheiterte damit. Danach nahm er eine Stelle bei einem Versandgeschäft an, das unter der Wohnung von Lies und Henk ein Büro eröffnete.

1942 kam die Tochter Joke zur Welt und 1943 starb Henk an einen Gehirntumor. Kurz nach seinem Tod wurde Lies gefragt, ob sie jüdischen Freunden ihrer Schwägerin ein Versteck anbieten könnte. Sie war dazu bereit.

Im April 1944 wurden die Versteckten verraten und am 7.  kam es zu einer Durchsuchung des Hauses, wobei Lies und ihre untergetauchten Mitbewohner verhaftet wurden. Die verhafteten Juden kamen in das Durchgangslager Westerbork und Lies ins Gefängnis im Hauptamt der Polizei in Rotterdam. Ihre Schwägerin Ria kümmerte sich währenddessen um die kleine Joke, die durch das Dienstmädchen in Sicherheit gebracht worden war.  

Am 25. April wurde Lies schließlich in das KZ Vught deportiert, wo sie für eine Gasmaskenfabrik Zwangsarbeit leisten musste. Ihre Schwägerin schaffte es, ihr heimlich ein Bild ihrer kleinen Tochter zu schicken, das Lies sehr viel Trost gab.

Im September 1944 wurde Lies nach Ravensbrück deportiert. Dort herrschte eine Typhusepidemie. Sie schaffte es, während ihres Transports einen Brief an ihre Familie zu schreiben und aus dem Zug zu werfen. Dieser Brief erreichte tatsächlich ihre Familie.

In Ravensbrück musste Lies mit einer Ohrentzündung ins Krankenrevier. Dort lag sie zwischen allen Typhuskranken, bekam aber wenigstens mehr zu essen. Glücklicherweise ist sie nie an Typhus erkrankt.

Laut Joke sagte ihre Mutter nach dem Krieg immer wieder: „Dass ich nach Dachau kam, hat mich gerettet.“  Dieser Transport erfolgte am 13. Oktober 1944. Lies musste in den Afga-Kamerawerken arbeiten. Dort stellte sie Teile für Granaten her und befreundete sich eng mit einigen Kameradinnen. Die Frauen entlausten sich am Wochenende immer wieder gegenseitig. Den Kamm, den sie dazu benutzt haben, hat  Joke immer noch.

Am 23. April 1945 wurden die Frauen aus den Agfa-Kamerawerken evakuiert, aber in der Nähe von Wolfratshausen weigerten sie sich, weiterzumarschieren. Der SS-Kommandant konnte sich nicht gegen sie durchsetzen und deshalb wurden sie dort am 1. Mai durch die Amerikaner befreit.

Über die Schweiz, Frankreich, Belgien und Apeldoorn machte Lies sich dann auf den Weg nach Hause. Die Wiederbegegnung mit ihrer Tochter war nicht einfach. Das junge Mädchen hatte sich inzwischen in die Familie ihre Tante ganz eingelebt und wusste nicht, wie sie mit ihrer Mutter umgehen sollte.

Das Geschäft zu führen und die Erziehung der Tochter überforderten Lies manchmal.  1948/1949, als Joke an einer Nierenkrankheit erkrankte, brach sie zusammen, weil der Durst ihrer Tochter Erinnerungen an schlimme Lagererfahrungen aufrührte. Joke musste zeitweise in ein Kinderheim und Lies lebte eine Zeit lang in einer psychiatrischen Klinik.

Mit ihren Lagerkameraden war Lies ihr Leben lang eng befreundet. Eigentlich haben alle zusammen Joke großgezogen. Lies heiratete nie wieder, sondern lebte bis zu ihren Tod am 31.12.2009 im Alter von 100 Jahren selbstständig und allein.

Für Lies war die Befreiung der Niederlande immer sehr wichtig gewesen und Joke feiert dieses Ereignis jetzt auch mit ihren Kindern weiter. Am 5. Mai geht die Familie immer in ein Restaurant essen und legt dann einen großen Blumenstrauß von roten, blauen, weißen und orangen Blumen auf das Grab von Lies Bueninck-Hendrikse.

Verfasser des Gedächtnisblatts

Tess Verduijn und Jur Plötz (Schüler), 2015.

[Qu.: GB]