Ausstellung in Hohenkammer: „Eine sehr nachdenklich machende Ausstellung“
„Eine sehr nachdenklich machende Ausstellung. Zur Nachahmung für andere Gemeinden empfohlen!“ urteilten die Freisinger Kreisheimatpfleger Christa und Rudolf George über die Ausstellung „Hohenkammer in der NS-Zeit, Namen statt Nummern – Lebensgeschichten aus dem dörflichen Widerstand“ im Schloss Hohenkammer. Das Besucherinteresse an der Ausstellung und dem Begleitprogramm war ungewöhnlich groß.
„Gratuliere! Erinnern ist wichtig, auch um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft gestalten zu können!“, schreibt einer über die Ausstellung, für den das Erinnern sicher besondere Bedeutung hat: Manfred Kirmayer, der erste Sohn von Korbinian Geisenhofer.
Denn im Zentrum der Ausstellung standen die Lebensgeschichten von vier jungen und miteinander befreundeten Männern aus Hohenkammer: Korbinian Geisenhofer, Anton und Thomas Held und Thomas Groß. Sie alle waren Handwerker aus alteingesessenen Familien, deren Namen den Hohenkammerern noch heute wohlbekannt sind. Für das Gedächtnisbuch Dachau recherchierten die Freisinger Gymnasiastinnen Nina Augustin, Maxime Häcker und der in Petershausen lebende Karl Strauß deren Lebensgeschichten.
Wie wichtig die Erinnerung den Angehörigen der Verfolgten aus Hohenkammer ist, wurde in der Ausstellung sichtbar: Ein reicher Schatz an Fotos, zeitgeschichtlichen Dokumenten und Erinnerungsstücken, über Jahrzehnte sorgfältig aufbewahrt, gab während der Ausstellung einen detaillierten Einblick in das Leben und die Verfolgungszeit von Korbinian Geisenhofer, Anton und Thomas Held und Thomas Groß.
Verfolgung in der NS-Zeit
Für die Freunde änderte sich das Leben nach dem Machtwechsel 1933 radikal. Bereits am 30. Juni 1933 wurden drei der vier jungen Mämmer festgenommen und für mehrere Monate ins KZ Dachau gebracht. „Nur eine rote Oppositionsgruppe arbeitet uns seit Wochen mit allen Mitteln entgegen.“, so hieß es in einem Schreiben des NSDAP-Stützpunktleiters in Hohenkammer an den Freisinger Sonderkommissar, mit dem die drei den NS-Behörden übergeben wurden. Für die Beschuldigungen, dass die drei Mitglieder der KPD oder SPD gewesen seien, wurden keine Beweise vorgelegt. Tatsächlich gehörte Geisenhofer seit der Wanderschaft dem Kolpingwerk an, dem katholischen Gesellenverein.
Geisenhofer, Held und Groß waren völlig überrascht, als sie verhaftet wurden. So schreibt Geisenhofer am 27. Juli 1933 aus dem KZ Dachau an seine Eltern: „Eure Gesuche sind scheinbar umsonst, nun könnt Ihr den letzten Gang machen, und könnt Euch nochmal bei der Politischen Leitung in München befragen, weswegen wir überhaupt hier sind , u. warum wir nicht entlassen werden.“ Die Frage nach dem Grund ihrer Haft taucht in jeder Postkarte wieder auf.
Die drei jungen Männer waren durch den Inspektor des Schlossgutes und NSDAP-Stützpunktleiter Josef Münsterer beschuldigt worden, am 29. Juni mit roter Ölfarbe kommunistische Zeichen auf die Straße gemalt zu haben. Erfahren haben sie von diesen Vorwürfen erst nach dem Krieg. Auseinandersetzungen mit der SA und den SA-Sportschülern gab es immer wieder, auch nach ihrer Freilassung noch. Im Oktober 1934 wurde wieder eine Gruppe Männer verhaftet und ins KZ Dachau gebracht, Geisenhofer und Thomas Held bereits zum zweiten Mal, diesmal zusammen mit Anton Held und Georg Forster, der zu dieser Zeit ebenfalls in Hohenkammer wohnte.
Ausstellung und Begleitprogramm
Die Ausstellung war vom 27. Oktober bis 8. November 2017 im Schloss Hohenkammer zu sehen. Lydia Thiel stellte dafür eine umfassende Chronologie der Ereignisse in Hohenkammer von 1933 bis 1945 in 16 Ausstellungstafeln zusammen.
Bereits bei der Eröffnung im großen Sitzungssaal des Schlosses am 27. Oktober kamen über 200 Besucher – es mussten extra Stühle hereingetragen werden. Für die musikalische Umrahmung der Ausstellungseröffnung sorgte treffpunkt.chor.projekt unter der Leitung von Manfred Burghardt. Beim anschließenden Sektempfang auf Einladung der Schlossverwaltung standen die Hohenkammerer noch lange zusammen und diskutierten an den Vitrinen und Ausstellungsbannern.
Viele nutzten auch die Führungsangebote von Karl Strauß und Lydia Thiel: An 5 Führungen und einem Filmabend nahmen 220 Besucher teil, darunter eine Gruppe Schüler vom Camerloher Gymnasium. Insgesamt haben über 600 Personen die Ausstellung besucht.
Die eigens für Hohenkammer erstellten Unterlagen hat Lydia Thiel zur Dokumentation der Gemeinde Hohenkammer übergeben. Dem Organisationsteam um Lydia Thiel sei gedankt für die hervorragende Organisation. Lydia Thiel, Karl Strauß und den Schülerinnen des Camerloher Gymnasiums für ihre engagierten Recherchen, die neuen Gedächtnisblätter und Vorträge. Der Gemeinde Hohenkammer und der Schlossverwaltung für die Gastfreundschaft und Unterstützung der Ausstellung. Und vor allem: den Angehörigen der Familien Geisenhofer, Held und Groß ein herzliches Dankeschön für die großzügigen Leihgaben.
Fotos zur Ausstellung
(22.12.2017; Text: Sabine Gerhardus/IS; Fotos: Sabine Gerhardus)