Angehörige fordern mehr staatliche Unterstützung der Nachkommen NS-Verfolgter

Thomas Nowotny, Mitveranstalter und Gedächtnisbuchautor, berichtet über das Symposium „Erinnern heute – Zeugnis der Nachkommen“, das vom 5. bis 6. Juni 2024 in Dachau stattfand.

Die Regionalgruppe Süd der Nachkommen NS-Verfolgter, der ich angehöre, veranstaltete am 5. und 6. Juni 2024 in Dachau das Symposium „Erinnern heute – Zeugnis der Nachkommen“ mit ca. 80 Teilnehmenden. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten.

Zum Auftakt sahen wir den Film „Viktors Kopf – eine Spurensuche“ über den Urgroßvater der Regisseurin Carmen Eckhardt, der als Opfer der NS-Justiz in München-Stadelheim enthauptet wurde. Das anschließende Filmgespräch thematisierte die Hindernisse, die Angehörige bei der Spurensuche innerhalb der Familie, besonders aber auch von Behörden und Institutionen erleben müssen.

In einem Podiumsgespräch, moderiert von Sibylle von Tiedemann, gaben vier Angehörige der 2. Generation einen sehr persönlichen Einblick, was die Traumatisierung ihrer aus unterschiedlichen Gründen verfolgten Eltern und das Aufwachsen als Außenseiter in der Mehrheitsgesellschaft für sie bedeutete. In einer zweiten Runde berichteten sie über ihre politischen, publizistischen und künstlerischen Aktivitäten.

Es folgten Vorträge, die fast ausschließlich Nachkommen NS-Verfolgter hielten. So berichtete die Historikerin Edith Raim über Kontinuitäten in der Justiz der Nachkriegsgesellschaft, die Publizistin und Journalistin Nora Hespers über persönliche Aufarbeitung und mediale Vermittlung in den Folgegenerationen. Der Psychotherapeut  Helmut Wetzel fragte: „Wann ist Geschichte vorbei?“ und sprach über Vermächtnisse und brisante Gefühlserbschaften. Sein positives Fazit: „Die Zeitzeugen werden immer weniger, wir Nachkommen aber immer mehr! Mit jeder Generation…“.

Die Nachkommen mischen sich ein in die aktuelle gesellschaftspolitische Debatte über die „Zukunft der Erinnerung“ und positionieren sich klar gegen jede Relativierung des Naziterrors. Sie fordern von den zuständigen Stellen Unterstützung für ihre Recherche- und Biographiearbeit und die Ausrichtung eines jährlichen Treffens nur für Angehörige. Von den bayerischen Justizbehörden fordern sie eine zentrale Stelle für die Angehörigen der von der NS-Justiz Verfolgten, die der Forschung und der Betreuung der Nachkommen aus vielen europäischen Ländern dienen soll.

(13.6.2024; Thomas Nowotny)