Ausstellungseröffnung Hebertshausen: viele verfolgte Personen

Mindestens 10 Personen aus dem heutigen Gemeindebereich Hebertshausen waren im KZ Dachau inhaftiert. Einige dieser Biographien stellten Hedy Esters und Thomas Schlichenmayer bei der Ausstellungseröffnung der Geschichtswerkstatt in Hebertshausen vor.

 

Hohe Anzahl verfolgter Personen, vielfältige Verfolgungsursachen

Sabine Gerhardus
Sabine Gerhardus

Ungewöhnlich viele Personen aus dem heutigen Gemeindebereich Hebertshausen waren von Verfolgung durch die Nationalsozialisten betroffen, erläuterte Sabine Gerhardus in ihrer Einführung. Aus 7 ehemaligen Gemeinden konnten  bis heute 10 Menschen ermittelt werden, die im Konzentrationslager Dachau inhaftiert waren. Dazu kommen 2 Personen, die die Nazis aus politischen Gründen im Amtsgerichtsgefängnis Dachau einsperrten.

Durch den Häftlingseinsatz im Arbeitskommando Ampermoching ergeben sich weitere Bezüge zum heutigen Gemeindebereich: Häftlinge des KZ-Dachaus mussten 1933 den Dorfweiher Ampermoching reinigen.

Viele unterschiedliche persönliche Hintergründe waren es, die die Nazis zur Verfolgung der betroffenen Personen veranlassten. Nur zu einem Teil dieser Männer liegen bisher ausführliche Recherchen vor.

 

Grußworte betonen Bedeutung der Geschichtswerkstatt

Richard Reischl
Richard Reischl

Aus der Nähe zur Gedenkstätte und speziell zum SS-Schießplatz Hebertshausen ergibt sich die besondere Bedeutung der Ausstellung für die Gemeinde Hebertshausen, führte Bürgermeister Richard Reischl in seinem Grußwort aus. Ihre ganz besondere Bedeutung verortet Reischl in der heutigen politischen Situation. „Bitte lassen Sie uns aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wenn sie auch nicht unsere eigenen waren, aber wir sollten sie nicht wiederholen.“

 

Marianne Klaffki
Marianne Klaffki

Vor allem den Besuch junger Menschen wünscht sich die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki für die Ausstellung. Sie appellierte an die Zuhörer: „Werben Sie für diese Ausstellung, gerade bei jungen Menschen. Denn wenn ein junger Mensch erfährt, was für furchtbares Leid ein Mensch aus seinem Heimatort erfahren hat, dann wird es für diesen jungen Menschen deutlich stärker präsent, wie wichtig es ist, für Demokratie, für Freiheit, für Menschenrechte einzustehen.“

 

Anton Jais
Anton Jais

Anton Jais, Vorsitzender des Dachauer Forums, erinnerte an die jahrzehntelange unrühmliche Übereinkunft der deutschen Gesellschaft, die NS-Vergangenheit zu verdrängen. „Es freut mich, dass wir mehr als 70 Jahre nach Kriegsende bereit sind, uns der Opfer von damals zu erinnern.“

 

Norbert Göttler
Norbert Göttler

Schirmherr und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler warb für eine rege Beteiligung an der Geschichtswerkstatt. „Zeitgeschichte ist angewandte Heimatpflege. Und Heimatpflege ist Ideologiekritik. Und darum sind diese Ausstellungen so wichtig.“

 

Georg Lerchl: Aufgrund einer Denunziation verhaftet

Hedy Esters
Hedy Esters

Das Schicksal des Ampermochinger Bürgers Georg Lerchl stellte Hedy Esters vor. Lerchl wurde 1896 als fünftes von elf Kindern einer Kleinbauernfamilie in Ampermoching geboren. Als Soldat im Ersten Weltkrieg erlitt er mehrere Verwundungen und wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. 1925 heiratete er die Ampermochingerin Ursula Reischl. 1932 kaufte das Ehepaar in Ampermoching ein kleines Anwesen mit einem Gemüsegarten, Lerchl arbeitete als Hilfsarbeiter.

Am 9. 11. 1944 um 10 Uhr wurde Lerchl und seine Schwägerin verhaftet, der Grund war die ungenehmigte Schlachtung einer Sau. Sicher war Lerchl nicht der einzige, der schwarz geschlachtet hat – die Denunzation durch den Ortsgruppenführer der NSDAP führte zur Verhaftung. Er wurde in das Polizeigefängnis gebracht und im , im November 1944 ins KZ Dachau überstellt.  Dort herrschte totale Überfüllung in den Baracken, die sanitären Verhältnisse waren katastrophal, die Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit in Betrieben eingesetzt. Nach fünf Wochen änderte sich die Haftsituation, Lerchl wurde an einen unbekannten Ort überstellt. Georg Lerchl starb 1950 an einem Krebsleiden.

Über die Zeit im KZ wurde in der Familie nicht gesprochen. Seine Schwiegertochter Maria Lerchl hat ihn nicht persönlich gekannt, aber die Arbeit am Gedächtnisblatt bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr unterstützt.

 

Josef Rothammer: „Ein wilder Hund, ein mit allen Wassern gewaschener Politiker, ein hervorragender Journalist“

Thomas Schlichenmayer
Thomas Schlichenmayer

Wie kam es dazu, dass sich die Hebertshausener Geschichtswerkstatt mit dem Regensburger Journalisten, Politiker und Verleger Josef Rothammer beschäftigte? Rothammer gehörte zu den Häftlingen, die den Dorfweiher in Ampermoching trockenlegen und neu ausschachten mussten. Über 100 Namen stehen auf der Liste dieses Arbeitkommandos.

Thomas Schlichenmayer erläuterte Rothammers Biographie. Der Journalist hatte 1946 in einem nur mit „R“ gekennzeichneten Artikel seine Erfahrungen als KZ-Häftling in Dachau und auch während des Einsatzes im Teichbaukommando geschildert.

Rothammer arbeitete schon während der Weimarer Republik als Redakteur für sozialdemokratische Zeitungen, darunter die in der Oberpfalz erscheinende „Volkswacht“. Dieses politische Engagement war der Grund für seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten: Bereits in diesen Artikeln griff er Hitler und die Nationalsozialisten scharf an und wurde im Gegenzug in der NS-Presse namentlich attackiert. Nach seiner Entlassung aus der Haft bekam er Berufsverbot, veröffentlichte aber dennoch 1937 einen Stadtführer über das mittelalterliche Regensburg.

Ausstellungsvitrine Hebertshausen
Ausstellungsvitrine Hebertshausen

In der Nachkriegszeit engagierte sich Rothammer im Regensburger Stadtrat, als Bürgermeister und auch als Landtagsabgeordneter.  Nach seiner Rückkehr aus der französischen Kriegsgefangenschaft begann Rothammer mit dem Wiederaufbau der sozialdemokratischen Presse in Regensburg. Ab 1949 gibt er die Regensburger Woche heraus. Sein Neffe charakterisiert ihn: „Er war ein glänzender Journalist, ein hochgebildeter Mann, er kannte Goethe, er kannte seinen Tucholsky – und er war ein wilder Hund, ein mit allen Wassern gewaschener Politiker.“ 1968 sorgte er für bundesweite Schlagzeilen, als er die Regensburger Woche an die bürgerliche Konkurrenzzeitung, die Mittelbayerische Zeitung, verkaufte.

In der Familie Rothammer war die KZ-Erfahrung Rothammers kein Gesprächsthema. Seine Tochter sagte im Gedächtnisbuch-Interview: „Mein Vater war sehr gesellig und hat gerne viel erzählt. Aber nicht über den Krieg, nicht über die Gefangenschaft und schon gleich gar nicht über Dachau.“ Er sagte: „Das sind keine Geschichten, die man erzählen kann und das ist mehr, als ein Mensch ertragen kann.“

Thomas Schlichenmayer kommt nach der intensiven Beschäftigung mit Rothammers Lebensgeschichte zu folgendem Fazit: „Sein Leben war geprägt durch seinen leidenschaftlichen Einsatz für die Ideale der Sozialdemokratie. Aber er war auch ein streitbarer Zeitgenosse mit Ecken und Kanten.“

 

Weitere Bilder

Die Ausstellung ist noch bis 13.5.2016 im Rathaus Hebertshausen zu sehen:

Rathaus Hebertshausen, Am Weinberg 1, 85241 Hebertshausen
Öffnungszeiten:
Mo – Fr 8.00 – 12.00 Uhr
Do 14.00 – 18.00 Uhr